Kleve. In der JVA in Kleve wird Nils Speicher an den Feiertagen arbeiten. Claudio Pitzalis sitzt ein. Wie sie die Tage erleben

An Heiligabend wird Claudio Pitzalis für seine Zellenkumpel auf einer kleinen Kochplatte Spätzle machen, die Zutaten hat er sich vor einigen Tagen gekauft. Sie werden an dem Tisch in dem kleinen Raum mit dem vergitterten Fenster und den beiden eisernen Doppelstockbetten zusammensitzen, reden, Filme schauen. Vielleicht wird der Beamte Nils Speicher kurz vorbeikommen, um zu schauen, ob mit den Gefangenen alles in Ordnung ist. Weihnachten im Knast ist eine schwierige Zeit für manche Menschen hinter Gittern. Die Familie draußen, sie hier drinnen.

Die Krohnestraße in Kleve. In eine ruhige Nachbarschaft eingebettet, liegt hier eines der kleineren Gefängnisse in Nordrhein-Westfalen. Gebaut wurde es in der Preußenzeit, es hat Platz für etwa 230 Inhaftierte. Das Haupthaus ist ein viergeschossiger Backsteinbau. Drinnen riecht es nach kaltem Rauch, nach Essen, nach Bohnerwachs. Durch ein Oberlicht schimmert der graue Dezembertag auf die langen Flure mit den dicken Zellentüren, zwischen den Stockwerken sind Gitternetze eingezogen. Die Netze sollen im Fall des Falles Menschen auffangen, die sich in die Tiefe stürzen.

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Gefangener: „Meine Familie ist sehr gläubig“

Vor der zentralen Wachkanzel im dritten Stock steht ein Weihnachtsbaum, samt Lichterkette und Christbaumkugeln in Rot und Silber. Gleich daneben ist die Gemeinschaftszelle von Claudio Pitzalis. Er ist 26 und verbringt jetzt das zweite Weihnachtsfest im Gefängnis. Er ist einer von rund 13.800 Menschen, die aktuell in Nordrhein-Westfalen hinter Gittern sind. „Ich bin das erste Mal im Knast“, erzählt er, und dass er seit Juli vergangenen Jahres inhaftiert sei.

Wie alle anderen im Klever Gefängnis ist er kein wirklich schwerer Junge. Wer hier eingesperrt ist, ist zu einer Haftstrafe von maximal zwei Jahren verurteilt worden. Pitzalis stammt aus Bayern, seine familiären Wurzeln sind in Sardinien. „Wie alle italienischen Familien ist auch meine sehr gläubig.“ Das erste Weihnachtsfest hinter Gittern sei für ihn sehr hart gewesen, erinnert sich der junge Mann. „Man denkt viel an die Familie. Weihnachten wird bei uns im großen Kreis gefeiert.“

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Nils Speicher, 29, kann nachempfinden, was Pitzalis fühlt. Der Justizvollzugsbeamte schiebt jetzt das siebte Jahr in Folge Dienst an Weihnachten. An Heiligabend wird er bis nachmittags im Gefängnis sein, am zweiten Weihnachtsfeiertag hat er den Spätdienst übernommen. Freiwillig. „Ich tue damit einem Kollegen einen Gefallen.“ Natürlich sei ihm Weihnachten wichtig. „Aber solange ich keine Kinder habe, ist das so okay, auch wenn ich mich nicht mit allen aus der Familie treffen kann.“

Die Feiertage in der dunklen Jahreszeit seien im Gefängnis schon besondere Tage, erzählt Speicher. „Man kommt mit einem anderen Gefühl hierher.“ Viele Gefangene seien sehr gläubig und über Weihnachten in sich gekehrt. Die Gottesdienste in der kleinen Kapelle unter dem Dach sind in diesen Tagen gut besucht. „Es ist ruhiger als sonst“, sagt der junge Beamte. „Wenn du psychisch labil bist, kann es über Weihnachten schwierig werden“, sagt der Gefangene Pitzalis.

An Weihnachten gibt es festliches Essen

Deshalb versuchen sie in der Klever Justizvollzugsanstalt die Stimmung ein wenig aufzuhellen. Es gibt an den Feiertagen festliches Essen, einen Christstollen, Rinderroulade, Rotkohl, Knödel, außerdem Hirschgulasch, Kartoffeln und Brokkoli. Jeder Gefangene erhält eine kleine Tüte mit Präsenten: Kaffeesticks, Tee, Schokolade, Duschgel und Weihnachtssterne. Speicher und seine Kollegen führen mehr Gespräche mit den Gefangenen als üblich, der seelsorgerische Dienst kümmert sich. „Besondere Vorkommnisse gab es bislang nicht“, sagt Speicher. Sprich: keine Suizidversuche.

Vor den Festtagen sind in diesem Jahr in NRW 248 Gefangene im Rahmen der traditionellen Weihnachtsamnestie vorzeitig freigekommen, deutlich weniger als im Vorjahr. Claudio Pitzalis wird sich noch einige Tage gedulden müssen, ehe er wieder in Freiheit ist. „Ich komme am 7. Januar raus, dann muss ich eine mehrmonatige Therapie machen.“ Im Gefängnis, sagt der junge Mann, habe er sich stark verändert. „Die Haft hat mir sehr geholfen. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt.“

Dieses Weihnachten, davon ist er überzeugt, wird für ihn nicht so schwierig wie das im vergangenen Jahr. „Ich bin psychisch stabiler geworden.“ Dazu kommt: Seine Familie hat ihn nicht im Stich gelassen. Sie ist zu seinem Geburtstag extra aus Bayern angereist, um ihn zu besuchen. „Das ist ein großes Glück für mich. Viele haben nicht so ein Glück.“

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