Kleve. In der Werkstatt der JVA Kleve können Häftlinge ein kleines Gehalt verdienen in der hauseigenen Werkstatt. Hergestellt werden: Gefängnisgitter

Draußen ist es um acht Uhr noch dunkel, drinnen lässt kaltes Neonlicht die Gesichter bleich und wächsern aussehen. Ein knisterndes Summen der Profilstahlschere, um die Lennard müde herumschleicht. Er schaut interessiert zu, was sein Mithäftling macht, er wird noch angelernt. Sie sind seit sieben Uhr in der Werkstatt, weit haben sie es nicht, das Hafthaus ist nur ein paar Meter entfernt auf der anderen Seite des Hofes, auf dem die Produkte liegen, die sie hier im Gefängnis in Kleve herstellen. Gefängnisgitter.

208 Menschen aus 40 Nationen

Die Klever Justizvollzugsanstalt ist eines der kleineren Gefängnisse in Nordrhein-Westfalen. Ein Bau aus Preußenzeiten, der sich unauffällig in die Nachbarschaft an der Krohnestraße duckt. 208 Menschen aus 40 Nationen sind hier an diesem Dezembertag inhaftiert, etwa je zur Hälfte Untersuchungshäftlinge und Strafgefangene. Keine wirklich bösen Jungs, wer hier sitzt, ist kein Langzeithäftling, kein Lebenslänglicher. Wer Glück hat, kann arbeiten und bis zu 400 Euro im Monat verdienen. Beispielsweise in der Schlosserei, in der Lennard beschäftigt ist.

Unter fachmännischer Anleitung wird gewerkelt.
Unter fachmännischer Anleitung wird gewerkelt. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Der Morgen hat für den 32-Jährigen wie immer sehr früh angefangen. Um 5.45 Uhr hat es blechern durch die Lautsprecher geschallt. „Bitte aufstehen.“ Immerhin: bitte. Zum Frühstück gab’s zwei Scheiben Brot und löslichen Kaffee. Lennard hat früher mal in der Landwirtschaft gearbeitet, weswegen er hinter Gittern ist, soll sein Geheimnis bleiben. Er ist ein ruhiger, höflicher Typ, der gestanzte Sachen sagt wie: „Stahl ist ein schwerer Rohstoff“ oder: „Ich will wieder ein produktives Mitglied der Gesellschaft sein.“ Kleve sei ein guter Knast, sagt er, das Klima sei ruhig.

Dann zieht er die Kopfhörer auf, die Maschine zertrennt mit einem lauten metallischen Hämmern eine lange Stahlschiene. Heute Morgen arbeiten mit ihm acht Häftlinge in der Schlosserei. „Eigentlich haben wir zehn im Bestand“, sagt Jörg Hebbing. Er ist der Leiter der Schlosserei, sein Rang lautet Betriebsinspektor, er leitet die Beschäftigten an, regelt die betriebswirtschaftlichen Abläufe.

Seit über 20 Jahren werden Gitter hergestellt

Seit etwas über 20 Jahren produzieren sie in der Schlosserei Gefängnisgitter für sämtliche Haftanstalten in Nordrhein-Westfalen, ein paar auch für niedersächsische Haftanstalten. Mangan-Hartstahlgitter, um genau zu sein. Die klassische Feile kann diesen Gittern nichts anhaben.

Gefangene, die Gitter herstellen? Ist schon ein bisschen schräg, räumt auch André ein. „Aber wenn wir die Arbeit nicht machen, macht sie jemand anderes.“ André arbeitet eine Werkshalle weiter. Drei Männer sind heute Morgen hier, einer kehrt etwas unmotiviert den Boden.

Ein alter Amboss steht nutzlos im Eingangsbereich. Niemand braucht heute mehr einen Amboss. An den Wänden hängen keine Bilder mit halbbekleideten Frauen, das ist hier nicht erlaubt. Dafür steht ein kleiner Weihnachtsbaum auf einem Vorsprung.

Die fertigen Gitterstäbe werden abtransportiert.
Die fertigen Gitterstäbe werden abtransportiert. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Auf der Werkbank vor André liegt ein Gitter. Er setzt die Schweißermaske auf, Funken spritzen, es riecht metallisch. Der 35-Jährige kommt aus einem zentralasiatischen Land, früher Sowjetunion. Auch im Leben vor dem Knast hat er als Schweißer gearbeitet, erzählt er. Für die Arbeit in der Werkstatt hat er sich freiwillig gemeldet. „Nur auf der Zelle sitzen, das kann ich nicht. Da wirst du doch matschig.“ In der Perspektive sieht er sich im Garten- und Landschaftsbau. Da will er eine Ausbildung machen, mit seinem Berufsberater hat er sich schon besprochen.

Aktuell treibt ihn der Krieg in der Ukraine um. Seine Schwester kümmert sich um Flüchtlinge aus dem kriegsversehrten Land, sagt André. „Eigentlich sind wir hier im Gefängnis alle unpolitisch. Aber die Leute tun mir ja leid. Was soll das mit dem Krieg?“ Er setzt wieder mit der Schweißpistole an. Es knirzelt und knistert, die Funken fliegen. Draußen verfärbt sich der Himmel über dem Gefängnis lila, der Stacheldraht auf der Hofmauer wird sichtbar.

Klappen kommen auch aus dem Gefängnis

Ein Beamter sitzt müde in einem Postenhäuschen, auch die produzieren sie in der Schlosserei. Genauso wie die Kommunikationsklappen, das sind die Klappen an den Gefängniszellen. Lennard flext die Stahlteile ab, die sie vorhin geschnitten haben. „Die müssen richtig gerade sein, sonst gibt es ja Stellen, an denen man sich verletzen kann“, sagt er.

Zwei Männer in weißen Klamotten laufen über den Hof, begleitet von einem Beamten. Das sind Häftlinge, die in der Küche arbeiten. Um neun Uhr gibt es Arbeiterfrühstück. Darauf freut sich Lennard. „Da ist auch ein Ei dabei.“