An Rhein und Ruhr. Manche Strom- und Gasanbieter leiten zunächst unbemerkt einen Lieferantenwechsel ein. Wie sich Betroffene davor schützen können.

Als Jana F. (Anm. d. Red.: Name geändert) die Mail ihres Stromanbieters öffnete, war sie überrascht: Das Unternehmen bestätigte ihr darin die Kündigung ihres Vertrags. „Und das, obwohl ich dort nie gekündigt habe“, erzählt sie im Gespräch mit der Redaktion. Am Telefon habe man ihr dann erklärt, die Kündigung sei von ihrem neuen Anbieter in Auftrag gegeben worden, der Energieversorgung Deutschland (EVD). „Da habe ich aber weder einen neuen Vertrag abgeschlossen, noch um die Kündigung meines alten Stromtarifs gebeten“, sagt die Essenerin. Wie kann das sein?

Immer wieder werden Verbraucherinnen und Verbraucher an der Haustür oder per Telefon von einem neuen Versorger auf ihren Tarif angesprochen. „Manche Energieanbieter versuchen Haushalte im Direktvertrieb zu Vertragsabschlüssen zu bewegen und setzen dabei nicht immer seriöse Methoden ein“, erklärt Gregor Hermanni von der Verbraucherzentrale NRW.

Untergeschobene Verträge: So gehen Anbieter vor

„Es kommt auch vor, dass während eines Werbeanrufs darauf gedrängt wird, ein Vertragsangebot, das parallel per SMS oder E-Mail geschickt wird, sofort zu beantworten und dadurch anzunehmen – auch unter dem falschen Vorwand, dass dies Voraussetzung sei, um ein unverbindliches Angebot schicken zu können“, warnt Hermanni vor der Masche.

Bei den Hausbesuchen oder Werbeanrufen würden Anbieter außerdem diverse Tricks nutzen, um an die Daten der Verbraucher zu kommen. Sie fragen beispielsweise nach den aktuellen Konditionen und der Zählernummer, um angeblich ein Gegenangebot vorlegen zu können. Tatsächlich leiten sie mit diesen Daten aber anschließend den Lieferantenwechsel ein.

Viele Kunden am Niederrhein betroffen

Auch die Versorger am Niederrhein werden nicht selten mit dieser Masche konfrontiert, bestätigen uns die Stadtwerke in Dinslaken, Wesel und Kleve. „Häufig werden die Kunden angerufen und gesagt, man wäre von den Stadtwerken und wolle die Stromkosten ‚optimieren‘. Manchmal steht auch jemand vor der Haustür. Die Kunden werden nach Zählernummer, Zählerstand und/oder Marktlokationsnummer gefragt, außerdem wird die Adresse abgeglichen“, erklärt Britta Bethe, Sprecherin der Stadtwerke Dinslaken.

Mit Name, Adresse und Zählernummer ist es bei den meisten Versorgern dann schon möglich, einen Vertrag stellvertretend für den Kunden zu kündigen. „Grundsätzlich ist es eine gängige Praxis, dass der neue Anbieter beim alten Versorger kündigt und die Versorgung übernimmt. Deshalb ist ein Wechsel über Vergleichsportale auch recht einfach“, so Bethe. Aber darf der neue Anbieter das überhaupt?

Darf ein neuer Anbieter meinen Stromvertrag kündigen?

Ja, vorausgesetzt es gibt eine Zustimmung des Kunden. „Im Regelfall lässt sich der neue Anbieter, mit dem ich einen Energieliefervertrag schließe, gleichzeitig auch zur Kündigung des Vertrags mit dem bisherigen Anbieter bevollmächtigen.“ Ein grundsätzlich guter Service für die Kunden, findet Hermanni. Doch nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur ist ein Versand einer unterschriebenen Vollmacht in der Regel nicht notwendig.

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Die Bestandsanbieter hätten häufig auch nicht die Zeit, diese anzufordern. „In naher Zukunft soll ein Lieferantenwechsel innerhalb von 24 Stunden möglich sein. Dadurch wird es praktisch unmöglich, die Rechtmäßigkeit einer eingehenden Kündigung ausreichend zu prüfen“, erklärt Alexandra Rother von den Stadtwerken Wesel.

Gas- und Stromverträge: Wie sich Verbraucher vor der Masche schützen können

Um sich vor einem ungewollten Lieferantenwechsel zu schützen, sollte man daher stets sparsam mit den eigenen Daten umgeben, insbesondere mit der Zählernummer und der Marktlokationsnummer, empfiehlt die Verbraucherzentrale. „Solche relevanten Informationen sollten natürlich auch nicht leichtfertig am Telefon preisgegeben werden“, sagt Hermanni.

Gregor Hermanni von der Verbraucherzentrale NRW

„Solche relevanten Informationen sollten natürlich auch nicht leichtfertig am Telefon preisgegeben werden.“

Gregor Hermanni, Energierechtsexperte bei der Verbraucherzentrale NRW
über die Weitergabe der Zählernummer.

Wenn der ursprüngliche Vertrag aber tatsächlich von einem anderen Anbieter ohne Vollmacht gekündigt wurde, sei die Kündigung unwirksam und der alte Versorger muss zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen weiterliefern. „Ist ein Kunde getäuscht worden, sollte er unbedingt die 14-tägige Widerrufsfrist beim neuen Anbieter nutzen und sich unbedingt bei den Stadtwerken Dinslaken melden“, rät Bethe. Die Verbraucherzentrale stellt dafür im Netz auch einen Musterbrief bereit.

Behalte ich trotzdem meinen alten Tarif?

Sofern dem Widerruf kurzfristig zugestimmt wird, würden auch die Kunden der Stadtwerke Kleve im bisherigen Tarif bleiben, versichert Geschäftsführerin Claudia Dercks. Darauf hätten Verbraucher laut Hermanni auch ein Recht, trotzdem würden technische Hürden dabei immer wieder zu Problemen führen. Für den Fall, dass der neue Anbieter den Widerruf ignoriert, empfehlen die Stadtwerke Wesel, sich kostenfrei an die Schlichtungsstelle der Bundesnetzagentur zu wenden, um aufwendige rechtliche Schritte zu vermeiden.

Eine Widerrufserklärung hat Jana F. gleich per Einschreiben an den vermeintlich neuen Anbieter geschickt, auf eine Rückmeldung wartet sie noch. Eine Anfrage der NRZ blieb von der EVD bisher unbeantwortet.