An Rhein und Ruhr. Die Schilf-Glasflügelzikade breitet sich aus. Warum die Landwirte an Rhein und Ruhr deswegen in großer Sorge sind.
Sie sind unscheinbar, gerade einmal einen Zentimeter lang, aber sie richten Verheerungen an: Schilf-Glasflügelzikaden breiten sich in Deutschland aus und bedrohen die Kartoffel- und Zuckerrübenernte. Im Rheinland könnten die kleinen Insekten mittelfristig existenzbedrohend für 10.000 Bauernhöfe werden, warnt Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes (RLV). Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung der Tiere.
Es sind eigentlich nicht die Zikaden selbst, die zu einer Gefahr für die Landwirtschaft werden. Die Insekten sind aber Träger von zwei Bakterien, die Zuckerrüben und Kartoffeln schädigen. Eines lässt den Stärkegehalt in den Pflanzen sinken. Die Kartoffelknollen und Zuckerrüben werden gummiartig und lassen sich nicht mehr verwenden. Das zweite Bakterium lässt die Wurzeln der Pflanzen absterben. „Das macht uns große Sorge, zumal wir auch keine Möglichkeit der Bekämpfung haben. Es gibt kein wirksames Insektizid“, sagt RLV-Präsident Conzen.
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Noch sind vor allem andere Bundesländer betroffen. In Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen klagen Landwirte bereits über teils erhebliche Ernteausfälle. Aber das Problem rollt auch auf NRW zu. Die nordrhein-westfälische Landwirtschaftskammer hat bei Untersuchungen festgestellt, dass sowohl die Zikaden als auch die beiden Krankheitserreger bereits in NRW vorkommen, wenn auch noch in einem „deutlich niedrigeren Niveau“.
Es ist wohl aber nur eine Frage der Zeit, bis auch die Landwirtschaft an Rhein und Ruhr betroffen ist. „Beobachtet man das Infektionsgeschehen in den südlichen Bundesländern der Bundesrepublik, ist davon auszugehen, dass es auch in NRW zu einer zunehmenden Verbreitung der Zikaden und damit der beiden bakteriellen Krankheiten kommen wird“, so ein Sprecher der Landwirtschaftskammer.
Bedrohlich auch für Obst- und Gemüsebauern
Gefährdet wäre dann nicht nur die Kartoffel- und die Zuckerrübenernte. Die Erreger können laut Landwirtschaftskammer auch auf andere Kulturpflanzen übertragen werden, beispielsweise
- Erdbeeren
- Weinreben
- Möhren
- Zwiebeln
- Rote Beete
- Rhabarber
„Dies ist auch für die Anbauer von Obst- und Gemüsekulturen in NRW bedrohlich“, so der Sprecher.
Zikaden sind keine Insekten, die aufgrund des Klimawandels neu in Deutschland sind. Sie gehören zu den heimischen Insektenarten. Aber der Anstieg der Temperaturen begünstigt die Ausbreitung der „Wärme liebenden“ Tiere, erklärt der Kammer-Sprecher. Die Ausbreitung der Insekten habe in den vergangenen vier Jahren „dramatisch zugenommen“, erklärt Bauern-Präsident Conzen. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie bei uns sind.“
Schon ohne die Zikaden-Plage haben die Folgen des Klimawandels erhebliche Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft. Extremwetterereignisse nehmen zu. Die Kartoffelbauern mussten beispielsweise in dieser Saison erhebliche Ernteeinbußen hinnehmen, weil es ungewöhnlich viel geregnet hat. Die Nässe hat viele Kartoffeln verfaulen lassen.
Sollten sich die Zikaden in NRW ausbreiten, droht neues Ungemach. Schlimmstenfalls drohe den Bauern ein Totalausfall der Ernte, warnt die Landwirtschaftskammer. Für eine Bekämpfung der Zikaden gibt es derzeit keine Mittel. „Pflanzenschutzmittel stehen nicht zur Verfügung. Eine Bekämpfung der Bakterien nach der Übertragung ist ohnehin nicht möglich“, so der Kammer-Sprecher.
Die Larven der Tiere entwickeln sich beispielsweise unter Weizen, bevor sie ausschlüpfen. Hilfreich könnte es sein, Pflanzen anzubauen „bei denen es zu einem geringeren Ausschlupf der Zikaden kommt“. Hierzu zählten beispielsweise Mais, abessinischer Senf oder Sojabohnen. Auch eine intensive Bodenbearbeitung oder brachliegende Ackerflächen könnten den Ausschlupf der Zikaden reduzieren, so die Landwirtschaftskammer.
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Bauernpräsident Conzen setzt auf die Entwicklung neuer Insektizide. Eine gegen die Zikade wirksame Insektizid-Gruppe namens Neonicotinoide, die unter anderem für das Bienensterben verantwortlich gemacht wird, ist vor sechs Jahren für den Einsatz bei Zuckerrüben verboten worden. „Jetzt braucht es viel Forschung, um etwas Wirksames zu entwickeln.“