An Rhein und Ruhr. Seit 30 Jahren können in NRW in Städten und Gemeinden die Menschen per Bürgerbegehren mitreden. Sie machen rege davon Gebrauch. Geht da noch mehr?

Möchten Sie, dass an Ihrer Grundstücksgrenze eine neue Flüchtlingsunterkunft entsteht? Auch, wenn Sie energischer Verfechter des Grundrechts auf Asyl sind? Grundsätze und Überzeugungen lassen sich schmerzfrei aufrechterhalten, bis die Energiewende in Form eines neuen Windparks vor dem eigenen Wohnzimmerfenster wedelt.

Mehr als 1000 Bürgerbegehren in 30 Jahren – das ist zunächst mal ein deutliches Plus an Mitbestimmung und gibt uns allen mehr Mitsprache, jenseits vom Kreuzchen bei der Kommunalwahl alle fünf Jahre.

Bürgerbegehren sind allerdings auch ein mögliches Einfallstor für Populisten und führen nicht immer zu mehr Zustimmung für Politik vor Ort oder gar zur Befriedung des Gemeinwesens. Lässt sich beispielsweise in Essen gerade an den Folgen des „Radentscheids“ besichtigen, der den Glaubenskrieg zwischen Auto- und Radlobby weiter vertieft: Wem gehört die Straße?

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Die Frage ist: Wie viel Demokratie können wir wagen, um als Gesamtgesellschaft, zumindest aber als Kommune handlungsfähig zu bleiben? Es gibt gute Gründe, dass Bürgerbegehren bislang nur auf kommunaler Ebene möglich sind.

Bundesweit betrachtet: Möchte man wirklich herausfinden, was Populisten anrichten könnten mit Bürgerbegehren zur Wiedereinführung der Todesstrafe, zum eingangs erwähnten Grundrecht auf Asyl oder zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender?

Um dem stärker werdenden Lobbyismus – der zweiten Bedrohung der Demokratie neben dem Populismus – entgegenzuwirken, braucht es dennoch weitere Elemente. Zur Erinnerung: Vor anderthalb Jahren gab es auf Bundesebene einen ersten Bürgerrat zum Thema Ernährung. Viel gelobt, gute Ideen – aber offenbar bloß Material für die tiefen Schubladen der Ministerialbürokratie. Das ungefähr ist das Gegenteil von Demokratie.