Essen. Vermutlich wegen einer Trennung rastete ein 41-Jähriger aus. Warum das Problem nicht seine Herkunft, sondern sein Frauenbild ist.
Drei Essener Stadtteile hat ein 41-Jähriger am Wochenende in Angst und Schrecken versetzt. Selbst vor Kindern machte er nicht Halt. Der Grund: Vermutlich eine nicht verkraftete Trennung von seiner Ex-Frau, die zwischenzeitlich schon Schutz im Frauenhaus gesucht hatte. Und wieder sind alle schockiert - und wieder reden alle darüber, dass der 41-Jährige ein Syrer ist. Oder darüber, dass er möglicherweise psychisch gestört sei und im Wahn gehandelt habe, wie der Anwalt des 41-Jährigen sagt. Worüber niemand redet: Der 41-Jährige ist ein Mann.
Und genau das ist der Kern des Problems: Toxische Männlichkeit. Zu viele Männer sind gefangen in einem Weltbild, das sie selbst als stark und Frauen als schwach definiert, das Frauen und Männern feste Rollen vorschreibt – und das Frauen vor allem als eines betrachtet: den Besitz eines Mannes.
Die Orte der Angriffe waren kein Zufall
Wer so denkt, dem ist nicht „egal, was er mit seiner Tat anrichtet“, wie NRW-Innenminister Herbert Reul nach der Tat in Essen über den 41-jährigen mutmaßte. Wer so denkt, der sieht es als sein Recht an, Frauen auf schlimmstmögliche Weise zu schaden. Auch wenn – und manchmal gerade weil – auch andere dabei zu Schaden kommen. Es ist kein Zufall, dass mutmaßlich alle Orte, die der 41-Jährige attackierte, im Zusammenhang mit Menschen stehen, die seiner Ex-Frau nahestehen.
Und was ist mit der Herkunft des Täters? Der 41-Jährige ist wohl Syrer. Und natürlich ist toxische Männlichkeit in muslimisch geprägten Gesellschaften ein großes Problem. Sie ist aber kein Exklusivmerkmal arabischer Länder oder des Islam. Toxische Männlichkeit kennt weder Nationalität noch Religion.
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Fast zeitgleich mit den Geschehnissen in Essen hielt Papst Franziskus eine Rede, in der er sagte, die Frau sei „fruchtbares Empfangen“ und „lebendige Hingabe“. Wer sich das übersetzt, landet ebenfalls bei: Besitz eines Mannes. Auch Donald Trump hat toxische Männlichkeit schon knackig auf den Punkt gebracht. Wer erinnert sich nicht an seinen Spruch: „Grab them by the pussy!“
Es ist noch keine 30 Jahre her, dass Politiker und Politikerinnen im Bundestag ernsthaft darüber diskutierten, ob ein Ehemann dafür bestraft werden sollte, wenn er seine Ehefrau vergewaltigt hat. (Wissen Sie übrigens, wer dagegen war? Friedrich Merz. Ja, derselbe, der sich gerne mal über „kleine Paschas“ aufregt). Das Frauenbild der AfD passt ebenfalls eher ins letzte Jahrhundert als ins Jahr 2024.
Jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet
Erst vor einigen Wochen recherchierte meine Kollegin Anna Schlichting, dass in Deutschland jeden dritten Tag eine Frau von ihrem (Ex-)Ehemann getötet wird. Der wohl bekannteste Fall aus diesem Jahr: Der Ex-Bundeswehrsoldat, der im März in Niedersachsen vier Personen tötete – alle waren Verwandte oder Freundinnen seiner Ex-Frau. Sein Vorname: Florian. Die Tat: Bis ins letzte Detail im Vorhinein geplant und organisiert.
Wir haben in diesem Fall kein Problem mit Migration. Wir haben auch kein Problem mit psychisch gestörten Einzeltätern. Wir haben ein Problem mit dem Patriarchat. Und es wird dringend Zeit, dass wir es angehen!