Duisburg. Dr. Carolin Bunert vom Duisburger Zoo koordiniert die europaweite Zucht der Bärenstummelaffen. Was sie zum Schutz der Tiere schon erreichen konnte.

Dr. Carolin Bunert ist nicht nur Tierärztin im Duisburger Zoo. Sie ist auch für die europaweite Zucht der Bärenstummelaffen zuständig, um die bedrohte Tierart vor dem Aussterben zu bewahren. Der Name „Bärenstummelaffe“ ist übrigens auf ihre zurückgebildeten Daumen zurückzuführen, eine Anpassung an die Fortbewegungsweise in den Bäumen. Beim Schwingen zwischen den Ästen brauchen die Pflanzenfresser nämlich nur ihre Finger – ein Daumen wäre da sogar hinderlich. Die Zuchtbuchkoordinatorin erklärt im Interview, warum ihre Arbeit so wichtig ist und was sie schon alles zum Schutz der Tiere erreichen konnte.

Sie koordinieren die europaweite Erhaltungszucht von Bärenstummelaffen. Wie bedroht sind die Tiere?

Bärenstummelaffen sind stark gefährdet und vom Aussterben bedroht. Sie kommen außerhalb von Afrika nur noch in den Zoos in Europa vor. Ein großes Problem ist vor allem der Handel mit Bushmeat in Afrika. Das heißt: Die lokale Bevölkerung jagt die Bärenstummelaffen und verkauft das Fleisch der Tiere auf lokalen Märkten.

Was sind Ihre Aufgaben als Zuchtbuchkoordinatorin?

Zum einen unterstütze ich als Zuchtbuchkoordinatorin Natur- und Artenschutzprojekte in Afrika, die die lokale Bevölkerung vor Ort über Bärenstummelaffen aufklären und sich dafür einsetzten, dass die Tiere unter Schutz gestellt werden. Unser Hauptziel ist nämlich, dass die Tiere in der Wildbahn gar nicht erst aussterben. Gleichzeitig bauen wir in Zoos eine Reservepopulation auf, um so die noch bestehende wild lebende Population zu unterstützen, oder aber auch, um eine neue Population in der Wildnis aufzubauen, falls die Tiere bereits ausgestorben sind.

Wie groß muss so eine Reservepopulation sein?

Im Zuchtbuch, das es für jede bedrohte Tierart gibt, sind derzeit 51 Bärenstummelaffen aufgeführt, die in elf verschiedenen Institutionen in Europa leben. Das sind aber noch zu wenig Tiere, deswegen versuche ich gerade, so viel zu züchten wie möglich. Eine stabile Population würde nämlich um die 100 Tiere umfassen.

Seit 1967 hält der Duisburger Zoo bereits die vom Aussterben bedrohten Bärenstummelaffen. 53 Jungtiere sind dort in den vergangenen Jahrzehnten zur Welt gekommen. Bei ihrer Geburt haben die Jungtiere noch weißes Fell, das mit der Zeit immer dunkler wird.
Seit 1967 hält der Duisburger Zoo bereits die vom Aussterben bedrohten Bärenstummelaffen. 53 Jungtiere sind dort in den vergangenen Jahrzehnten zur Welt gekommen. Bei ihrer Geburt haben die Jungtiere noch weißes Fell, das mit der Zeit immer dunkler wird. © Zoo Duisburg | Mathias Appel

Was müssen Sie bei der Nachzucht der Tiere alles beachten?

Bei der Zucht achte ich darauf, dass eine gesunde Genetik in der Population vorhanden ist – also dass wir keine Inzucht haben. Auch mache ich genetische Analysen, um zu schauen, welche Tiere gut zueinander passen. Ich als Zuchtbuchführerin spreche dementsprechend Empfehlungen aus. Sehe ich beispielsweise, dass ein Bärenstummelaffen-Weibchen aus Wien zu einem Männchen aus Tschechien passt, dann spreche ich eine Empfehlung an die Institutionen aus und bitte sie, ihre Tiere zu verpaaren.

Das heißt, Sie sprechen für ein konkretes Weibchen und Männchen eine Zuchtempfehlung aus?

Richtig. Dafür stehe ich auch mit den Institutionen, die Bärenstummelaffen halten, in sehr engem Kontakt. Wir schreiben E-Mails hin und her und treffen uns auf Zootagungen, wo wir uns austauschen. Die zoologischen Gärten können sich aber auch an mich wenden, wenn Probleme bestehen, dann schaue ich, ob ich irgendwie helfen kann. Auch bin ich der Ansprechpartner für Institutionen, die noch nie gezüchtet haben und neu mit der Haltung anfangen wollen. Ihnen kann ich empfehlen, wie man mit Jungtieren umgeht und worauf man bei der Ernährung, Fütterung oder Haltung achten muss.

Nachdem Sie eine Zuchtempfehlung ausgesprochen haben, wie geht es dann weiter?

Zuerst tauschen sich die jeweiligen Institutionen untereinander aus und planen den Tiertransport für eine Paarung. Darüber werde ich stets auf dem Laufenden gehalten. War eine Paarung erfolgreich, dann werde ich auch darüber informiert, ebenso wenn das Jungtier zur Welt gekommen ist. Und dann beginnen sich die Rädchen in meinem Kopf auch schon weiterzudrehen. Ich mache mir Gedanken darüber, wo das Tier zukünftig untergebracht wird und mit wem ich es verpaaren könnte.


Unter der Leitung von Dr. Carolin Bunert sind im Zuge des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms für Bärenstummelaffen bereits zehn Jungtiere zur Welt gekommen.
Unter der Leitung von Dr. Carolin Bunert sind im Zuge des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms für Bärenstummelaffen bereits zehn Jungtiere zur Welt gekommen. © Zoo Duisburg | Mathias Appel

Wie sind Sie überhaupt Zuchtbuchkoordinatorin der Bärenstummelaffen geworden? Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die Sie erfüllen mussten?

Ich bin schon seit längerer Zeit Kuratorin für das Affenhaus. Da bin ich für alle Belange rund um die Tiere der Fachexperte. Das heißt, ich hab mich schon sehr lange mit Affen auseinandergesetzt. Dadurch dass ich auch Tierärztin hier im Zoo bin, habe ich auch sehr viele Behandlungen bei Bärenstummelaffen durchgeführt. Als mein Vorgänger in einen anderen Zoo gewechselt ist, habe ich als Kuratorin für die Affen 2021 das Zuchtbuch übernommen. Es ist also schon gut, wenn man Fachexpertise mitbringt, so dass man auch anderen Zoos Hilfestellungen geben kann.

Wollten Sie schon immer Zuchtbuchkoordinatorin werden oder hat sich das einfach so ergeben?

Bei mir hat es sich eher ergeben. Ich muss aber sagen, dass ich in dieser Arbeit total aufgegangen bin. Ich finde die Arbeit, die ich leiste, wirklich total toll. Durch die Arbeit als Zuchtbuchführerin habe ich das Gefühl, dass ich wirklich was für die Bärenstummelaffen bewegen kann. An mir hängt es sozusagen, dass diese Tiere nicht aussterben. Ich kann also wirklich was für den Artenschutz bewirken. Ich sorge zum einen für eine gesunde Reservepopulation, helfe aber auch bei der Artenschutzarbeit in Afrika. Das macht mir einfach Spaß.

Projekt zum Schutz der Bärenstummelaffen

Zum Schutz von Bärenstummelaffen engagiert sich der Zoo Duisburg gemeinsam mit der West African Primate Conservation Action (WAPCA) und dem Taï Monkey Project im afrikanischen Taï Nationalpark an der Elfenbeinküste. Das Ziel ist es, die Aktivitäten zum Schutz des östlichen Teils des Nationalparks auszuweiten. Denn trotz Schutzstatus des Gebietes sind Wilderei, illegaler Bergbau und Holzeinschlag an der Tagesordnung.

Beim West African Primate Conservation Action Project wird insbesondere die Ausbildung von Rangern gefördert, welche den Regenwald schützen. Außerdem werden die Gehälter der Ranger finanziert. In Lehrgängen bekommen lokale Landwirten zudem vermittelt, wie sie nachhaltige Landwirtschaft betrieben können. Das soll der Abholzung des Regenwaldes entgegenwirken.

Der Taï-Nationalpark ist seit 1982 UNESCO-Weltnaturerbe. Mit einer Fläche von rund 5500 Quadratkilometern ist er der letzte große, zusammenhängende Regenwald in Westafrika. Das Gebiet ist Heimat von zahlreichen hochbedrohten Tierarten: Neben Bärenstummelaffen leben dort Waldelefanten, Zwergflusspferde, Schimpansen, Rote Stummelaffen und Dianameerkatzen.

Gibt es einen besonderen Erfolg, den Sie durch Ihre Tätigkeit als Zuchtbuchkoordinatorin verzeichnen konnten? Etwas, worauf Sie besonders stolz sind?

Das schönste war für mich, dass durch meine Arbeit, die Bärenstummelaffen in das Artenschutzprojekt WAPCA (West African Primate Conservation Action) aufgenommen worden sind. Vorher hat es nämlich noch kein Projekt gegeben, das sich für den Schutz der Bärenstummelaffen eingesetzt hat. Ich habe mich dafür engagiert, dass sie als neue Tierart mit in das Projekt aufgenommen wurden. Ansonsten springe ich auch jedes Mal in die Luft, wenn ein Weibchen geboren wird. In den Zoos gibt es nämlich einen Männerüberschuss. Ich habe aktuell doppelt so viele Männchen wie Weibchen.

Welche Folgen hat so ein Männerüberschuss?

Die Herausforderung, die sich mir dann stellt, ist zu schauen, wo ich die ganzen Männchen untergebracht bekomme. Eine Lösung dafür sind sogenannte Bachelorgruppen, also reine Männergruppen. Auch das ist ein wichtiger Beitrag für den Artenschutz, denn: Nur weil ich gerade einen Überschuss an Männchen habe, und einige deswegen aus der Zucht nehmen muss, heißt das nicht, dass ich sie nicht später wieder benötige. Deswegen ist es auch gut, dass einige Zoos Platz für Männergruppen schaffen.

Welche Bedeutung hat die Arbeit als Zuchtbuchkoordinatorin für Sie und warum ist Ihre Arbeit so wichtig?

Ich kann einfach einen großen Einfluss auf den Artenschutz nehmen, einen viel größeren, als ich es als Tierärztin könnte. Hinzu kommt, dass mir persönlich die Bärenstummelaffen auch ans Herz gewachsen sind. Das ist auch das, was wir versuchen, den Besuchern mitzugeben. Eben diese Emotionen mitzunehmen, die sie haben, wenn sie die Tiere bei uns sehen. Denn nur das, was man wirklich liebt, schützt man auch.