Duisburg/Krefeld. Im Krefelder und Duisburger Zoo gibt es aktuell einige Jungtiere. Wie die Erhaltungszucht bedrohte Tierarten vor dem Aussterben bewahren soll.
Wer aktuell den Zoos und Tiergärten am Niederrhein einen Besuch abstattet, der kann die ein oder andere besondere Entdeckung machen. Momentan gibt es dort nämlich einige Tierbabys zu sehen. Besucher, die im Krefelder Zoo genau hinschauen, können beispielsweise zwischen den rosafarbenen Flamingos auch kleine graue Jungtiere entdecken. Und auch bei den Impalas können Besucher einen Blick auf den Nachwuchs erhaschen. Im Duisburger Zoo zeigt sich zudem ein kleines Zwergflusspferd, das erst Anfang Juli auf die Welt gekommen ist.
Mit der Erhaltungszucht leisten die Zoos und Tiergärten einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz
Die Jungtiere sind jedoch nicht nur für die Besucher schön anzusehen. Mit der Nachzucht von Tieren leisten die Zoos auch einen Beitrag zum Artenschutz. Dabei handelt es sich aber nicht einfach „nur“ um eine Nachzucht, sondern um eine Erhaltungszucht. „Die Erhaltungszucht gehört zu den sogenannten ex-situ-Maßnahmen, also Artenschutz-Maßnahmen außerhalb der natürlichen Lebensräume der Tiere, um diese vor dem Aussterben zu bewahren“, erklärt Petra Schwinn, Pressesprecherin des Krefelder Zoos.
Dafür arbeiten zoologische Gärten auf der ganzen Welt zusammen. „Das Ziel ist, dass in Zoos eine gesunde, sich selbst erhaltene Population besteht, um die Tiere zukünftig wieder auswildern zu können. Sie sollen dann die noch bestehende wild lebende Population unterstützen oder eine neue wilde Population aufbauen“, so Schwinn.
Allein der Krefelder Zoo beteiligt sich an 49 Erhaltungszuchtprogrammen
Um eine gesunde Population in den zoologischen Gärten aufzubauen, gibt es sogenannte Europäische Erhaltungszuchtprogramme (EEP). Im EEP werden alle Informationen zum Tierbestand, dem Geschlecht sowie dem Verwandtschaftsgrad der jeweiligen Tierart aufgeführt.
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Allein der Krefelder Zoo beteiligt sich an 49 Erhaltungszuchtprogrammen. Besonders erfolgreich ist der zoologische Garten bei der Haltung von Spitzmaulnashörnern. Die Tiere werden in der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als vom Aussterben bedroht gelistet. Allein zwischen 1970 und 1992 wurde die Spitzmaulnashorn-Population zu 96 Prozent durch Wilderei ausgelöscht.
Um das Spitzmaulnashorn über die Teilnahme an der Erhaltungszucht vor dem Aussterben zu bewahren, zog 1994 das erste Spitzmaulnashorn-Paar in den Krefelder Zoo. Jakob und Nane waren damals beide drei Jahre alt. Da sie aber eher ein geschwisterliches Verhältnis zueinander hatten, kam es bei den beiden zu keiner Paarung. In Zusammenarbeit mit dem EEP-Koordinator für Spitzmaulnashörner wurde daher entschieden, dass Jakob in einen anderen Zoo umzieht. Dafür kam 2003 Usoni als neues Männchen in den Krefelder Zoo.
NRZ-Serie „Die Letzten ihrer Art“
Welche Bedeutung hat die Geburt von Jungtieren für Zoos und Tiergärten bei uns in der Region? Warum ist eine Nachzucht so wichtig? Wie oft werden Tiere nachgezüchtet? Und wie engagieren sich die zoologischen Gärten für den Arten- und Umweltschutz? Diese und weitere Fragen wollen wir im Zuge unserer Serie „Die Letzten ihrer Art“ klären.
Neben der Erhaltungszucht wird es im weiteren Verlauf der Serie auch um Maßnahmen wie dem „Artenschutzeuro“, der im Eintrittspreis einiger zoologischen Gärten enthalten ist, oder der Nachzucht von Nutztierarten gehen. Eine Einordnung der Thematik seitens verschiedener Natur- und Tierschutzorganisationen erfolgt ebenfalls im weiteren Verlauf der Serie.
Schon drei Jahre später kam das erste Jungtier zur Welt. Wann jedoch ein Nachwuchs gezeugt wird, kann der Zoo nicht einfach selbst entscheiden. Es gibt nämlich klare Vorgaben, an die sich alle zoologischen Gärten halten müssen. „Der jeweilige EEP-Koordinator gibt regelmäßig Empfehlungen zur Verpaarung einzelner Tiere, um einen optimalen Genpool aufrechtzuerhalten und Inzucht zu vermeiden“, so Schwinn. „Erst wenn eine Zuchtfreigabe erfolgt ist, dürfen wir als Zoo die Tiere verpaaren.“
Nach der Geburt bleiben die Jungtiere in den Zoos oder werden an andere zoologischen Gärten abgegeben
Doch was passiert mit den Jungtieren? „Entweder bleiben sie bei uns im Zoo oder sie werden im Zuge des Zuchtprogramms an andere Zoos abgegeben“, so Schwinn. „Der jeweilige EEP-Koordinator macht sich schon vor einer Zucht einen konkreten Plan, was mit den Jungtieren nach ihrer Geburt passiert bzw. wo sie unterkommen, nachdem sie sich von der Mutter abgekapselt haben.“
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Davu, der 2003 in Krefeld zur Welt gekommen ist, lebt heute in einem tschechischen Zoo. Nach ihm bekamen die Spitzmaulnashörner Usoni und Nane noch vier weitere Jungtiere. Thabo (2008 geboren) lebt heute in einem Zoo in Dänemark, Kibibi (2010 geboren und leider bereits verstorben) zog von Krefeld in einen Zoo in Estland. Nabila (2013 geboren) lebt heute in einem französischen Zoo und Najuma (2016 geboren) lebt in einem Zoo in Großbritannien.
Nachkommen von einem Spitzmaulnashorn-Jungtier aus dem Krefelder Zoo hat ersten Nachwuchs in freier Wildbahn bekommen
Die Jungtiere von Usoni und Nane haben im Rahmen des Spitzmaulnashorn-EEP selbst schon einige Jungtiere bekommen. Mandela, der Sohn von Thabo und somit Enkel von Usoni, wurde 2021 sogar mit vier weiteren Nashörnern in Ruanda ausgewildert. Dort waren Spitzmaulnashörner 2007 ausgestorben. Mandela wurde 2023 schließlich selbst Vater von einem Sohn, der in der Wildnis zur Welt kam.
Die Tiere wieder auszuwildern gehe jedoch nur, „wenn es ein geschütztes Refugium gibt, wo die Tiere wieder sicher leben und vor allem auch überleben können“, so Christian Schreiner, Pressesprecher des Duisburger Zoos. Dutzende Beispiele haben bereits gezeigt, dass sowas durchaus möglich ist. So konnten neben dem Spitzmaulnashorn auch schon Wisenten, Waldrappe oder Riesenotter ausgewildert werden. Übrigens: Der erste weibliche jemals für ein Ansiedlungsprojekt bereitgestellte Riesenotter ist in Duisburg geboren worden.
Bei vielen bedrohten Arten gehe das jedoch noch nicht, denn: Einige Tierarten seien immer noch zu bedroht, sei es durch Wilderei, Konflikte mit Menschen oder aber der Zerstörung ihrer Lebensräume. „Deswegen beteiligt sich die weltweite Zoogemeinschaft auch an in-situ-Maßnahmen, also Artenschutz-Maßnahmen, die dazu dienen, die natürlichen Lebensräume der Tiere zu bewahren oder neu aufzubauen. Auch der Betrieb von Schutzstationen, das Anschaffen von Materialien und die Finanzierung von Rangern gehören dazu“, betont Schreiner. Aber das, brauche eben Zeit.
„Es geht darum, die Tiere unter geschützten und guten Bedingungen zu halten, um die Tiere langfristig für Ansiedlungsprojekte bereitzustellen. Das ist aber ein langer Prozess. Artenschutz ist eben ein Marathon und kein Sprint.“
Übrigens: Schon bald könnte es im Krefelder Zoo neuen Nachwuchs bei den Spitzmaulnashörnern geben. Nachdem Nane 2022 verstorben war, kam Mara als neues Weibchen nach Krefeld. Nun erwarten Mara und Usoni ihren ersten gemeinsamen Nachwuchs. Da Nashörner jedoch 16 Monate lang trächtig sind, wird das Jungtier erst im Sommer 2025 zur Welt kommen.
Doch die Zoos bei uns in der Region sind nicht nur bei der Erhaltungszucht der Spitzmaulnashörner erfolgreich. 2022 hat es im Krefelder Zoo im Zuge des EEPs für Tiger einen Nachwuchs gegeben. Und am Schneeleoparden-EEP beteiligt sich der Zoo. Das 16-jährige Männchen musste jedoch laut Schwinn mittlerweile kastriert werden, da es sonst zu überrepräsentiert im Genpool gewesen wäre.
Der Duisburger Zoo ist zudem besonders erfolgreich bei der Erhaltungszucht der Koalas. Die Kletterbeutler gelten ebenfalls laut IUCN als bedroht. „In den vergangenen 30 Jahren wurden hier über 40 Jungtiere geboren“, erinnert sich Christian Schreiner. Und auch bei den Zwergflusspferden gibt es aktuell Nachwuchs. Laut Schätzungen gibt es von ihnen weltweit nur noch 2000 Tiere. „Bei so einer knappen Anzahl an Tieren, kann schon ein Ereignis dazu führen, dass die ganze Art ausstirbt. Und Aussterben heißt hier für immer.“
Deshalb sei die Erhaltungszucht auch so wichtig, betont Schreiner. „Es geht darum, die Tiere unter geschützten und guten Bedingungen zu halten, um die Tiere langfristig für Ansiedlungsprojekte bereitzustellen. Das ist aber ein langer Prozess, da erst der natürliche Lebensraum gesichert werden muss. Artenschutz ist eben ein Marathon und kein Sprint.“