Am Niederrhein. Täglich sterben etwa 150 Tierarten aus. Zoos am Niederrhein beteiligen sich daher an einigen Artenschutz-Maßnahmen. Was Tierschützer dazu sagen.

Noch wissen Kinder, was Tiger, Otter oder Gorillas sind. Auch weil sie die Tiere selbst schon in Zoos gesehen haben. Doch das gilt nicht für alle Tiere, denn: Täglich sterben laut Schätzungen bis zu 150 Tierarten aus. Deswegen legen zoologische Gärten auch den Fokus auf den Natur- und Artenschutz.

Sie beteiligen sich an Erhaltungszuchtprogrammen, um Reservepopulationen in den Zoos aufzubauen, die im besten Fall zukünftig wieder ausgewildert werden, und fördern über den Artenschutz-Euro, der direkt beim Ticketkauf gezahlt wird, verschiedene Artenschutzprojekte für den Erhalt der natürlichen Lebensräume. Die Meinungen von Tierschützern, wie sinnvoll die Artenschutzbemühungen der Zoos sind, gehen jedoch auseinander.

Krefelder Tierschützerin kritisiert Erhaltungszucht

Tieraktivistin Adrienne Kneis aus Krefeld vom „Great Ape Project“, einem Projekt, das sich für Grundrechte für Menschenaffen einsetzt, betont: „Dadurch dass Tierarten in Zoogefangenschaften erhalten bleiben, wird das Artensterben draußen nicht gestoppt.“ Wirklicher Artenschutz sei für sie, wenn man die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum schützt. Der Artenschutz-Euro würde da nicht ausreichen. „Statt eines Artenschutz-Euros, den der Krefelder Zoo eingeführt hat, wäre es sinnvoller gewesen, die 33 Millionen Euro für das neue Artenschutzzentrum Affenpark in Projekte zu investieren, die die natürlichen Lebensräume der Tiere schützen“, sagt die Aktivistin, die nach dem Brand im Krefelder Zoo auch gegen die Haltung von Menschenaffen demonstrierte.

Nach- bzw. Erhaltungszucht im Krefelder Zoo
Die erste Bauphase für das neue Artenschutzzentrum Affenpark im Krefelder Zoo hat bereits begonnen. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Zudem kritisiert Kneis, dass viele „Tierarten, die in Zoogefangenschaft geboren werden, wie Gorillas, Schimpansen oder Orang-Utans, nicht ausgewildert werden können, da sie in der freien Natur nicht überleben würden.“ Die Instinkte der Tiere würden verkümmern, Verhaltensweisen für ein Überleben in freier Natur könnten sie sich nicht aneignen.

Andere Tierarten seien laut dem Deutschem Tierschutzbund zudem gar nicht für die Auswilderung vorgesehen. „Vor einer Wiederansiedlung müssten grundsätzlich jene Ursachen, die zum Verschwinden der Art geführt haben, behoben werden. Fehlen die Lebensräume, so ist eine Wiederansiedlung entweder von vornherein ausgeschlossen oder der Ausgang solcher Projekte unsicher“, so Sprecherin Lea Schmitz.

50 Tierarten konnten durch Erhaltungszuchtprogramme ausgewildert werden

Bisher seien 50 Tierarten durch die gezielte Erhaltungszucht wieder ausgewildert worden, so der Tierschutzbund. „Und auch wenn jeder Bartgeier, Feldhamster oder Wisent, der wieder in freier Wildbahn zu beobachten ist, einen Erfolg darstellt, sollte man dies in Relation sehen: Angesichts von jeweils zig Tausenden Arten, die als gefährdet gelten und etwa einer Million Arten, die gemäß dem letzten Bericht des Weltbiodiversitätsrats dem Aussterben entgegengehen, kann Erhaltungszucht kaum mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein sein.“

Die Umweltorganisation WWF arbeitet hingegen mit einigen deutschen zoologischen Gärten zusammen, darunter auch mit dem Krefelder Zoo. „Wir halten die Artenschutzarbeit, die in deutschen Zoos betrieben wird, für enorm wichtig“, betont Dr. Arnulf Köhncke, Fachbereichsleiter für Artenschutz beim WWF. Besonders wichtig sei dabei die Umweltbildung. „Die Wissensvermittlung in den zoologischen Gärten funktioniert sehr gut. Dort werden Besucher für bedrohte Tierarten und den Artenschutz sensibilisiert.“

Nabu NRW arbeitet mit zwölf Partnerzoos zusammen

Aber auch die Erhaltungszucht sei durchaus wichtig, so Köhncke. „Manche Arten wären sonst ausgestorben.“ Natürlich stehe an erster Stelle, die Lebensräume der Tiere zu schützen. „Als Rettungsoption ist die Erhaltungszucht aber durchaus sinnvoll.“ Gleichzeitig würden die Zoos zudem wichtige Forschungen betreiben, „die dazu beitragen, das Verhalten, die Biologie oder Krankheiten bedrohter Arten besser zu verstehen“, so der Artenschutz-Experte.

Und auch der Landesnaturschutzbund (Nabu) arbeitet mit zwölf Partnerzoos in NRW zusammen. „Moderne, wissenschaftlich ausgerichtete Zoos können einen großen und wichtigen Beitrag zum Natur- und Artenschutz liefern“, sagt Dr. Jonas Virgo, Teamleiter für Natur und Umwelt. Im Fokus der Zusammenarbeit stehe die Öffentlichkeitsarbeit zu Natur- und Artenschutzthemen.

Zahlreiche Artenschutz-Projekte konnten im Krefelder Zoo umgesetzt werden

Neben NRW-weiten Projekten konnten die jeweiligen Ortsgruppen lokale Artenschutz-Projekte mit den Partnerzoos umsetzen. Dr. Christian Mittag, der in den 90er-Jahren Vorsitzender der Ortsgruppe Krefeld/Viersen und gleichzeitig im Bundespräsidium des Nabu tätig war, lobt vor allem, dass unter dem ehemaligen Direktor des Krefelder Zoos, Dr. Wolfgang Dreßen, die Tierhaltung und -präsentation im Zoo deutlich verbessert wurde.

„Über die Jahrzehnte hat es viele gemeinsame Aktivitäten gegeben“, so Mittag. „Nistkästen wurden aufgehängt, Vogelkartierungen durchgeführt oder Naturschutz-Vorträge gehalten.“ Auch wurde eine Videostele vor der Schneeleoparden-Anlage angebracht, die den Lebensraum des Schneeleoparden erklärt und auf die dortigen Nabu-Projekte hinweist. 

Mittag betont: „Aus meiner Sicht ist der Zoo als Art-Erhaltungsinstitution sehr kompetent.“ Auch Maßnahmen außerhalb der natürlichen Lebensräume wie die Erhaltungszucht seien ein hilfreicher Beitrag für den Artenschutz. „Am allerwichtigsten aber finde ich die Bildungsfunktion. Wo sonst können im Laufe eines Jahres knapp eine halbe Million potenziell tierinteressierter Menschen mit ökologischen Informationen versorgt werden?“