Kleve. Der Tiergarten Kleve setzt sich für den Erhalt bedrohter Nutztiere ein. Welche Rassen dort gehalten werden und wie Zoos die Zucht organisieren.
Wer einen etwas anderen Zoobesuch erleben möchte, der ist im Tiergarten Kleve genau richtig. Statt Giraffe, Elefant oder Tiger gibt es dort für Besucherinnen und Besucher nämlich ganz andere Tiere zu sehen – denen man teilweise in den Gehegen auch hautnah kommen kann und die sich füttern lassen. Neben kleinen Affen und den roten Pandas werden dort nämlich auch verschiedene Ziegen-, Esel- oder Schafrassen gehalten, aber auch Schweine und Rinder.
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„Bei vielen der Tiere, die wir hier halten, handelt es sich um bedrohte Nutztierrassen“, erklärt Martin Polotzek, Tierarzt und Tiergartenleiter. Eine bedrohte Rasse ist beispielsweise die Bulgarische schraubenhörnige Langhaarziege. „Im 20. Jahrhundert stand die Rasse kurz vor der Ausrottung“, betont Polotzek. „Um das Aussterben der Tiere zu verhindern, hatte sich besonders der Erfurter Zoo für den Erhalt eingesetzt.“
Der Tiergarten Kleve hatte auch selbst damals ein Männchen aus dem Erfurter Zoo für die Zucht der Bulgarenziege vermittelt bekommen. Vor zwei Monaten sind zudem zwei neue Weibchen aus München in den Tiergarten gezogen, um künftig für weiteren Nachwuchs zu sorgen. Anders als bei den Wildtieren, wie Koalas, Nashörner und Co., gibt es für die Erhaltungszucht bei Nutztieren keine Europäischen Erhaltungszuchtprogramme (EEP). „Da kümmern wir Tiergärten uns selbst um die Zucht und sprechen uns untereinander ab. Auch organisieren wir selbstständig, an welche zoologischen Gärten wir unsere Jungtiere abgeben können.“
Bei den Nutztieren gibt es zahlreiche gefährdete Rassen
Bei den bedrohten Nutztieren gebe es zudem einige Zoos, die viel Erfahrung in der Haltung einer bestimmten Rasse haben, die dann auch oftmals die Zucht koordinieren bzw. organisieren. „All unsere Tiere sind in einem internationalen Tierbestandsportal gelistet“, so Polotzek. Ähnlich wie bei einem Zuchtbuch sind dort Informationen zum Verwandtschaftsgrad, zum Alter und zum Geschlecht enthalten. „So können wir auch bei den Nutztieren Inzucht vermeiden. Wir zoologischen Gärten schicken uns aber auch regelmäßig Tauschlisten herum.“
So klare und strenge Vorgaben zur Zucht wie bei den EEPs gibt es bei den bedrohten Nutztierrassen nicht. „Jeder Zoo oder Tiergarten macht sich selbst einen eigenen Bestandsplan. In regelmäßigen Abständen bespricht man diese Pläne auch mit anderen zoologischen Gärten“, erklärt Polotzek. „Wir wollen die Rassen nämlich nicht im Übermaß züchten.“
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Doch nicht nur die Bulgarische schraubenhörnige Langhaarziege ist bedroht. „Bei den Nutztieren gibt es leider zahlreiche gefährdete Rassen“, so Polotzek. Darunter auch das Coburger Fuchsschaf, das einen rötlichen Schimmer im Fell aufweist. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg war die Rasse dem Aussterben nah.
„Sie wurden früher vor allem wegen der Wollproduktion gehalten. Doch mit der Zeit wurde vom Konsumenten andere Wolle gewünscht. Die Struktur der Wolle ist nämlich nicht so weich, wie von der Merinowolle, die heutzutage am meisten gefragt ist.“ Da das Tier für die Halter dann keinen Nutzen mehr hatte, wurde die Haltung eingestellt, wodurch der Tierbestand zurückging. Nur durch ein Erhaltungszuchtprogramm konnte die Rasse gerettet werden.
„Vor zwei Jahren wurde zudem ein Projekt gestartet, um bedrohte Nutztierarten in den Fokus zu rücken. Dabei gab es mehrere Fokusrassen, darunter auch das Coburger Fuchsschaf“, sagt Polotzek. Anfangs gab es dabei ein Projektkoordinator, der geschaut hat, welche Zoos man für die Haltung von bedrohten Nutztierrassen begeistern kann. Dieser hätte anfangs zudem die Zucht organisiert. „Heute wird die Zucht aber wieder von uns zoologischen Gärten koordiniert.“
Ein wichtiger Faktor zum Erhalt bedrohter Nutztierarten ist der Artenschutz durch Nutzen
Ein weiterer Faktor ist der Artenschutz durch Nutzen. „Bei den Nutztieren ist es so: Ihr Hintergrund ist immer, einen Nutzen für uns zu haben.“ Ohne diese Domestikation, also der Umwandlung von einem Wildtier zu einem Haus- bzw. Nutztier, gebe es laut dem Tiergartenleiter viele Rassen nicht mehr. „Um sie aber zu erhalten und Menschen zur Haltung zu bewegen, müssen die Tiere auch weiterhin einen Nutzen haben.“
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Dazu gehöre auch der Artenschutz durch Aufessen. „Das klingt zunächst sehr suspekt, je mehr man sich aber damit beschäftigt, umso mehr Sinn macht es“, betont Polotzek. „Wenn wir beispielsweise ein Jungtier von unseren Bulgarischen schraubenhörnigen Langhaarziegen ein Jahr lang nicht vermittelt bekommen, dann wird es tierschutzgerecht getötet und an unsere Raubtiere verfüttert.“ Dadurch hätte man dem Tier wieder einen Nutzen gegeben. „Andere Zoos, wie der Tierpark Nordhorn, produzieren auch ihr eigenes Fleisch für ihre Gastronomie.“ Erst mit einem Nutzen würde die Rasse wieder attraktiver für eine Haltung werden und nur dann könne sie wieder im großen Stil gezüchtet und damit auch erhalten werden.