Rheinberg/Xanten/Neukirchen-Vluyn. Lebensmittelspenden werden weniger. Tafeln in Rheinberg und Xanten machen den Verein Foodsharing mitverantwortlich. Was er entgegnet.

Kurz vor der Ausgabe hat Tanja Braun noch einiges zu tun: So müssen noch die restlichen Waren ausgeladen und die Kisten und Tüten für ihre Kunden gepackt werden. Doch beim Blick auf die angelieferten Lebensmittel kommt auch ein wenig Frust auf bei der ehrenamtlichen Koordinatorin der Rheinberger Tafel, denn: Die Tafel beklagt deutlich weniger Lebensmittelspenden. „Heute haben wir von einigen Supermärkten auch nichts mehr bekommen“, so Braun.

„Ein Grund dafür ist, dass die Supermärkte besser kalkulieren als noch vor ein paar Jahren. Da bleiben am Ende des Tages sowieso schon weniger Waren übrig“, erklärt die Koordinatorin. Doch das sei nicht der einzige Grund für den Rückgang der Lebensmittelspenden. Die Tafel macht nämlich auch den Verein Foodsharing mitverantwortlich. „Die Foodsaver (Lebensmittelretter, Anm. d. Red.) haben das Problem deutlich verschärft. Sie suchen jeden Abend nach Ladenschluss die Supermärkte und Lebensmittelhändler auf und nehmen übrig gebliebene Waren mit. Wenn wir dann die Filialen aufsuchen, ist kaum noch etwas übrig.“

Da es weniger Lebensmittelspenden gibt, musste die Rheinberger Tafel die Portionsgrößen verkleinern

Was Tanja Braun am meisten ärgert: „Darunter leiden letztendlich die Menschen, die von Armut betroffen sind.“ Rund 500 Bürgerinnen und Bürger versorgt die Tafel in Rheinberg. Und die Zahl nimmt zu. „Wir haben pro Woche drei bis fünf neue Anmeldungen.“ Noch können Braun und ihr Team alle versorgen. Doch mussten sie schon die Portionsgrößen reduziert. „Früher konnten wir beispielsweise jeder Person Blumenkohl mitgeben. Heute geht das erst bei einer Haushaltsgröße von drei Personen“, so Braun.

Tanja Braun (Koordinatorin der Tafel in Rheinberg) und ihr Team packen ihren Kunden eine auf den jeweiligen Bedarf angepasste Kiste mit Lebensmitteln. Da die Lebensmittelspenden aber weniger geworden sind, wurden die Portionen schon kleiner.
Tanja Braun (Koordinatorin der Tafel in Rheinberg) und ihr Team packen ihren Kunden eine auf den jeweiligen Bedarf angepasste Kiste mit Lebensmitteln. Da die Lebensmittelspenden aber weniger geworden sind, wurden die Portionen schon kleiner. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Jeden Dienstag findet die Tafelausgabe statt. Sollte die Zahl der Bedürftigen jedoch weiter so zunehmen, müsse die Tafel ihre Ausgabezeit auf einen 14-Tages-Rhythmus umstellen. Die Alternative wäre ein Aufnahmestopp, doch das wolle Tanja Braun nicht. „Wir haben auch schon Gespräche mit dem Verein geführt. Aber ohne Erfolg. Die Foodsaver lassen sich nicht darauf ein, bei ihren Abholzeiten auf uns Rücksicht zu nehmen“, so die Tafel-Koordinatorin. „Wir versuchen auch schon, Gespräche mit unseren Partnern zu führen, um sie zu bitten, uns zu unterstützen. Wir können aber niemanden zwingen, Waren für uns zurückzuhalten.“

Zusammenarbeit zwischen den Tafeln und dem Verein Foodsharing ist in kleineren Städten oft schwierig

Anderen Tafeln gehe es ähnlich. „Das ist ein bundesweites Problem, mit dem wir zu kämpfen haben“, betont Tanja Braun. „In größeren Städten funktioniert die Arbeit mit dem Verein gut. Dort wird sich abgesprochen und man arbeitet zusammen.“ Doch bei kleineren Kommunen sei es deutlich schwieriger. „Da sorgt der Verein eher für eine harte Konkurrenz, denn: In kleineren Städten oder Gemeinden gibt es keinen Großhandel.“ Zudem gebe es dort auch weniger Lebensmittelhändler und Supermärkte.

Ähnliches berichtet auch die Xantener Tafel. „Wir haben genau die gleichen Probleme wie in Rheinberg“, betont der Vorsitzende Harald Rieberer. „Es ist einfach eine ganz schlimme Sache. Was uns vor allem ärgert: Bei Foodsharing kann sich jeder an den Waren bedienen, selbst Leute, denen es finanziell gut geht. Wir als Tafel bedienen hingegen wirklich die, die von Armut betroffen sind. Und für die bleibt am Ende kaum noch was übrig.“

Auch die Xantener Tafel hat Probleme mit dem Verein Foodsharing

Im Gegensatz zur Rheinberger Tafel werden in Xanten auch Lebensmittel herausgegeben, die schon über dem Mindesthaltbarkeitsdatum liegen – aber noch gut sind. „Würden wir das nicht machen, würden wir auch kaum noch zurechtkommen“, so Rieberer. Dennoch mussten auch sie schon ihre Portionsgrößen verkleinern. „Früher ist eine Familie mit unseren Waren fünf Tage ausgekommen. Heute vielleicht noch drei.“

Die Tafel in Xanten habe eigentlich einen Deal mit den Foodsavern. „Abgemacht war, dass wir sie anrufen, wenn bei uns mal Waren übrig bleiben. Wir bekommen beispielsweise immer ziemlich viel Brot. Da bleibt dann mal was übrig. Doch wenn wir sie anrufen, kommt keiner“, ärgert sich der Tafel-Vorsitzende. „Damit wir es dann nicht wegschmeißen müssen, bringen wir das Brot zu Bauern.“

„Früher konnten wir beispielsweise jeder Person Blumenkohl mitgeben. Heute geht das erst bei einer Haushaltsgröße von drei Personen.“

Tanja Braun

Doch was sagt eigentlich der Verein Foodsharing zu den Vorwürfen? „Ich bin nun seit zwei Jahren Botschafterin für die Rheinberger Ortsgruppe. Seitdem hat es keinerlei Gesprächsversuche gegeben“, betont Jessica W., die ihren Nachnamen nicht öffentlich lesen möchte. „Wir finden es sehr schade, dass man nicht auf uns zugekommen ist.“ Zudem betont die Botschafterin: „Bei uns gilt ganz klar: Die Tafel geht vor. Deswegen sprechen wir auch vorab mit möglichen Kooperationspartnern, ob sie schon mit der Tafel arbeiten und ob eine Kooperation mit uns noch infrage käme.“

Und auch eine Zusammenarbeit mit der Tafel würde man nicht ablehnen. „Wir möchten keine Streitigkeiten haben“, so Jessica W.. Für ein Gespräch mit der Tafel wäre sie offen. Zudem wäre der Verein bereit, die Tafel als Abgabeort eintragen zu lassen. „Dann würden unsere Foodsaver gerettete Lebensmittel zur Tafel bringen.“

Foodsaver aus Rheinberg geben Lebensmittel an Obdachlose, Rentner und Großfamilien ab

Und auch zum Vorwurf, dass sich bei Foodsharing auch diejenigen bedienen, die es nicht unbedingt nötig hätten, äußern sich die Foodsaver. Lisa S., eine der Betriebsverantwortlichen der Rheinberger Ortsgruppe, erklärt: „Wir unterstützen verschiedene soziale Projekte. Wir haben beispielsweise schon große Verteilungen in Flüchtlingsunterkünften gemacht. Zudem versorgen unsere Foodsaver in ihren jeweiligen Stammbezirken auch Obdachlose sowie Großfamilien oder Rentner, die keinen Anspruch auf die Tafel haben, aber trotzdem zu wenig verdienen, um gut über die Runden zu kommen.“

Die Lebensmittelretter hoffen, eine gemeinsame Lösung finden zu können. „Von unserer Seite aus, haben wir nämlich keine Probleme mit der Tafel“, so Jessica W..

Dass eine Zusammenarbeit funktionieren kann, zeigt sich in Neukirchen-Vluyn. Dort arbeiten Tafel und Verein Hand in Hand. „Bei uns kommen die Foodsaver sogar dreimal die Woche und geben gerettete Lebensmittel bei uns ab“, sagt Tafel-Vorsitzende Manuela Lenz. „Die Foodsaver gehen zudem jeden Abend in die Geschäfte. Wenn sie sehen, dass noch gute Ware da ist, lassen sie die auch für uns da.“ Und auch beim Sommerfest der Tafel werden die Foodsaver mit eigenem Stand dabei sein.