Kreis Wesel. Die Tafel rettet Lebensmittel vor der Tonne und hilft damit einkommensschwachen Familien. Doch wer hilft ihr? Das beklagen die Tafeln im Kreis.
Die Zahl der Menschen, die auf die gemeinnützige Arbeit der Tafel angewiesen sind, ist vor allem durch den Ukraine-Krieg und die vielen Geflüchteten von 350.000 auf 600.000 gestiegen, heißt es von Tafel NRW. Im Gespräch mit vier Tafeln im Kreis Wesel haben wir versucht herauszufinden, mit welchen Problemen sie im Einzelnen zu kämpfen haben.
Tafeln klagen: „Der Andrang wird immer größer.“
Der gemeinnützigen Organisation fehle es vor allem an Geld und Helfern. „Der Andrang wird immer größer“, heißt es von allen Tafeln im Kreis, die vor allem auf Spenden angewiesen sind. Die Spendenbereitschaft sei längst nicht mehr so hoch, wie sie es mal gewesen ist, so die Dinslakener Tafel. Auch die Aufgaben, der ehrenamtlichen Helfer, die dort anfallen, werden von vielen unterschätzt. Das sei auch mitunter der Grund für den Helfermangel.
Finanzielle Unterstützung gibt es glücklicherweise noch vom Land. Am 19. Dezember überreichten Sozialminister Karl-Josef Laumann und Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Silke Gorißen der Tafel NRW einen Scheck über 1,1 Millionen Euro, um damit den Logistikausbau der Tafeln zu unterstützen.
Der Landesverband fördert den Ausbau der Digitalisierung der Tafeln
Die Förderung des Landesverbandes diene dem Ausbau und der Digitalisierung der sieben regionalen Tafel-Logistikzentren, von denen Lebensmittelgroßspenden an die lokalen Tafeln verteilt werden, sowie der Akquise und Schulung von Ehrenamtlichen, heißt es auf der Seite des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (MAGS). Mit anderen Worten, diese Fördermittel erreichen die lokalen Tafeln nicht direkt.
Denn dafür gab es 2022 „ein Stärkungspakt gegen Armut“ in Höhe von 150 Millionen Euro. Was zunächst positiv klingt, wird im Detail beanstandet. Die Förderung ist, wie jegliche Förderungen vom Land, mit einer Bedingung verbunden, die von der Dinslakener Tafel kritisiert wird. Es geht um folgende Aussage aus einem MAGS-Bericht: „Die Kommunen können die dafür zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von rund 150 Millionen Euro bis Ende des Jahres in eigener Zuständigkeit verwenden.“
Die Tafel äußert Kritik an Fördermittel-Bedingungen
Kritisiert wird hier die zeitliche Einschränkung und der Druck, das Geld zurückgeben zu müssen, sollte die Frist nicht eingehalten werden. In der Regel ergibt sich für die Tafeln nicht das Problem, dass sie das Geld nicht ausgegeben bekommen, jedoch gehe es dem Dinslakener Standort ums Prinzip. Denn „die Situation ist ab dem 31.12. nicht plötzlich besser“, heißt es. Dieses zeitliche Limit zwingt die Tafel anders zu wirtschaften, als sie das gerne würden. Zumal es eine solche Förderung nicht jährlich gibt.
„Der ‚Stärkungspakt NRW – gemeinsam gegen Armut‘ stellte eine kurz- und mittelfristige Unterstützung dar, da Ende 2022/Anfang 2023 viele Menschen und soziale Einrichtungen aufgrund der massiv gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise befürchteten, in existenzielle Notlagen zu geraten. Der Haushaltsgesetzgeber hat das Geld zur Verwendung im Jahr 2023 zur Verfügung gestellt; nicht abgerufene Mittel verfallen“, heißt es von der Pressestelle der MAGS.
Über Probleme klagt auch die Weseler Tafel: der hohe Andrang durch die Flüchtlinge und die hohen Ausgaben für Miete, Energiekosten und die Fahrzeuge. „Jeden Monat haben wir 600 Euro Stromkosten“, verrät Manfred Lauth, stellvertretender Vorsitzender der Weseler Tafel. Er wünsche sich von der Politik vor allem, dass den Tafeln die Mieten der Räumlichkeiten erlassen werden. Die Nebenkosten könnten sie weiterhin zahlen, so Lauth. Damit habe er kein Problem.
„Wir haben das Stärkungspaket genutzt“, sagt Rafaele Corda, erster Vorsitzender der Moerser Tafel. Zurzeit gehe es dem gemeinnützigen Verein gut, doch für wie lange? 400 Kunden hat die Tafel in Moers. Das seien etwa 1000 bedürftige Menschen, die auf die Lebensmittel angewiesen sind, so der Vorsitzende. Die Supermarkt-Spenden werden weniger. Der Grund: Der Einzelhandel wirtschaftet immer besser und bietet nicht verkaufte Lebensmittel für einen geringeren Preis selbst an. Daher appelliert Corda an jeden, der gerne helfen möchte: „Einkaufen gehen und vorbeibringen!“ Helfende Hände hat die Tafel in Moers genug.
Lebensmittelspenden gehen an das Foodsharing
„Es ist traurig, dass es die Tafel geben muss“, sagt Tanja Braun, Zuständige für die Rheinberger Tafel. Ihre Kunden seien nicht nur Geflüchtete, sondern auch betagte Menschen, die unter Altersarmut leiden und sogar Pflegepersonal beispielsweise, was so wenig verdiene, dass das Einkommen nicht mehr für Lebensmittel ausreiche. „Viele sehen nur den klassischen Hartz-IV-Empfänger“, so Braun. Doch die Armut sei in allen Gesellschaftsschichten angekommen.
Trotz dieser traurigen Lage sieht die Tafel-Zuständige mit einem optimistischen Blick auf das Ganze: „Unsere Kunden sind Lebensmittelretter.“ Sie findet, dass die Kunden der Tafeln dem Wegwerfverhalten entgegenwirken und damit auch zum Umweltschutz beitragen. Eine Win-win-Situation, die eventuell nicht lange aufrechtzuerhalten sein wird. „Wir sind auf haltbare Lebensmittel angewiesen“, sagt Braun. Diese bekomme sie in der Regel von den Lebensmittelgeschäften. Doch leider würden alle Lebensmittelspenden der Geschäfte in Rheinberg nur dem Foodsharing überreicht, was ebenso eine gute Sache sei, findet Braun. Jedoch bleibe dadurch nichts für die Tafel übrig und die Kunden könnten nicht versorgt werden.