Wesel. Ghenwa Kayali und Jamal Imech sind aus Syrien nach Wesel geflohen. Wie viele Landsleute haben sie nach dem Machtwechsel Hoffnung und Zweifel.

Die Szenen aus Damaskus zeigen: Nach Jahrzehnten endet die Herrschaft des Assad-Regimes. Nicht nur in Syrien, sondern auch in deutschen Städten feiern die Syrierinnen und Syrer das Ereignis, zum Teil auf den Straßen. Auch Ghenwa Kayali und Jamal Imech aus Wesel sind hocherfreut. Sie betreiben seit Anfang 2023 die syrische Bäckerei „Rose trifft Nüsse“ an der Baustraße in der Innenstadt. „Wir haben nicht geschlafen Samstagnacht. Wir haben nur geweint“, schildert Ghenwa Kayali am Montagmorgen. Familienmitglieder schilderten ihr die Entwicklungen in Syrien, so auch ihr Bruder, der in Damaskus lebt. „Ein Traum, wir können es nicht glauben“, so Kayali.

Ein Blick zurück: Aufgewachsen sind die heute in Wesel lebenden Eltern von drei Kindern in Aleppo. Kayali schildert, dass das Leben im Assad-Regime oft davon gezeichnet war, dass man befürchten musste, im Gefängnis zu landen: „Wir hatten immer Angst.“ So verschwand ein Bekannter der Familie plötzlich für mehrere Jahre im Gefängnis. Für Angehörige und die Familie gab es keinerlei Informationen. „Immer mit einem Druckgefühl zu leben, das ist anstrengend“, sagt Kayali über den Alltag in ihrem Heimatland.

Gegnerinnen und Gegner der Regierung wurden häufig in Gefängnissen untergebracht und gefoltert. Die Rebellen haben sie im Zuge des Machtwechsels nun befreit. „Vielen geht es sehr schlecht aufgrund der Erlebnisse dort. Wie sollen sie nur wieder normal werden?“, fragt sich die Weseler Geschäftsinhaberin. Aber gleich kontert sie: „Trotzdem freuen sich alle. Syrien ist frei.“

Flucht von Syrien nach Wesel: Wohnung wurde zerstört

2013 beginnt die Fluchtgeschichte der Familie. „Es war kein Leben so, leider“, erzählt Ghenwa Kayali. Ihr Mann führte ein Elektrofachgeschäft, das durch den Krieg vollkommen zertrümmert wurde. „Auch ein Teil unserer Wohnung wurde zerstört“, berichtet die Frau. Mit den Kindern flieht das Paar zunächst nach Ägypten. 2015 versuchte die Familie nach Syrien zurückzukehren, jedoch ohne Erfolg. Der syrische Bürgerkrieg machte das unmöglich. 2016 kam die Familie nach Deutschland. Auch hier lief nicht alles reibungslos, aber die Familie fand ihren Weg. Zwei der Kinder konnten in der Informatik-Branche Fuß fassen, das jüngste Kind hat das Abitur abgeschlossen. Nichts anderes wünscht Ghenwa Kayali den Menschen in ihrem Heimatland: „Sie müssen leben können – und das ohne Angst.“

Die Mutter von drei Kindern weiß nicht, was nun mit ihrem Heimatland passieren wird. Die Situation vor Ort sei unübersichtlich. „Das bringt Unsicherheit mit sich“, sagt sie. Aber alle seien froh, dass der Sturz des Regimes größtenteils friedlich abgelaufen sei. Und genau das soll nach Ansicht der Weselerin auch die Zukunft bestimmen: „Ich bete dafür, dass dieses gute Land bald eine friedliche Regierung hat.“

Nach Assad-Sturz: Syrische Familie will dennoch in Wesel bleiben

Youssef Sabbagh ist ebenso erfreut über den Sturz des ehemaligen Machthabers Baschar al-Assad. Er arbeitet in einem syrischen Supermarkt in der Weseler Innenstadt. 2015 kam er mit seiner Familie nach Deutschland. „Wir lachen mit unseren Herzen“, erklärt er im NRZ-Gespräch. Der Sturz des Diktators hat für ihn noch einen weiteren positiven Aspekt: Da er noch ein Geschäft in Aleppo besitzt, wird er fortan immer wieder nach Syrien reisen können, hofft er. Das war bisher nicht möglich. Seine Familie und er werden aber auch in Zukunft weiter in Deutschland wohnen bleiben, insbesondere wegen der Kinder: „Hier können sie besser zur Schule gehen und lernen.“ Sie sind hier aufgewachsen und waren bisher noch nicht in Syrien.

Wie viele andere Landsleute ist Youssef Sabbagh mit einem großen Teil der Familie am Wochenende nach Essen gefahren, um dort zu feiern. „Haben sie die Bilder gesehen? Syrien ist jetzt frei“, sagt er begeistert. Viele syrische Mitbürgerinnen und Mitbürger dürften nach dem emotionalen Wochenende erst einmal ziemlich müde sein...