Schermbeck. Ein Alpaka aus Schermbeck liefert die feinsten Wollfasern Deutschlands. Doch seine Halter wandern nun mit ihm aus – wegen der Gefahr durch Wölfe.
Familie Lorei hat genug – die Betreiber der „Lopaka Ranch“ fühlt sich von der andauernden Gefahr der Wölfe in Schermbeck so bedroht, dass sie einen Ortswechsel planen. Nächstes Jahr wandern sie mit ihren Alpakas nach Ungarn aus.
Dabei läuft es in Schermbeck eigentlich gut für die Familie, die neben den Alpakas auch Pferde und andere Tiere hält. Anfragen zu Alpaka-Wanderungen oder Therapie-Terminen kommen laufend herein, der Terminkalender ist gut gefüllt. Und gerade erst hat der deutsche Alpaka-Zuchtverband ihre Arbeit der vergangenen Jahre auf besonders erfreuliche Weise bestätigt: Zuchthengst „Gatsby“, der 2018 in Schermbeck auf die Welt gekommen ist, liefert die beste Wolle Deutschlands.
Alpaka „Gatsby“ liefert besonders feine Wollfasern
„Aus ganz Deutschland schicken Leute Faserproben ihrer Alpakas ein“, beschreibt Talina Lorei (27) den Hintergrund dieser Auswertung. Normalerweise müssten die Halter dafür Labore in Australien oder Amerika bemühen, doch als wegen der Corona-Pandemie das Verschicken organischen Materials nicht mehr möglich war, hat der Zuchtverband ein eigenes Labor eingerichtet. Und auch gleich die besten Fasern prämiert.
Für die Loreis lief das so gut, dass sie selbst überrascht waren, als jetzt ein Paket mit insgesamt 23 Schleifen, Zertifikaten und einem Pokal ins Haus flatterte. „Wir dachten zuerst, dass einfach alle ein Zertifikat kriegen“, sagt Talina Lorei lachend bei der Erinnerung. Beim Durchsehen fiel dann auf, dass manche Tiere mehrfach prämiert wurden – und dann fiel der Groschen: „Wir sind mit verschiedenen Tieren 23 Mal in der Top 40 vertreten.“
Die Fasern der Alpakas sind eine Wissenschaft für sich. An dieser Stelle nur so viel: Bewertet wird unter anderem wie dick die Haare sind, wie lang, wie gekrümmt und wie einheitlich in der Probe. Und dabei kam eben heraus, dass Hengst Gatsby die feinsten Fasern Deutschlands liefert. Und je feiner das Haar, umso weicher wird hinterher die Wolle.
Auswanderung nach Ungarn – des Wolfes wegen
Gatsby könnten die Loreis mit diesem Ergebnis nun vermehrt als Deckhengst anbieten, „aber er kommt ja eh mit nach Ungarn und steht dem deutschen Markt dann nicht mehr zur Verfügung“, hält Talina Lorei fest. Denn dass es für die Alpaka-Farm in Schermbeck keine Zukunft mehr gibt, steht für sie fest. Eine Farm in Ungarn ist bereits gekauft, die Auswanderung ist für das Frühjahr 2023 geplant.
Der Grund sind die Wolfsaktivitäten, die Weidetierhalter in Schermbeck nun schon seit 2018 in Atem halten und auch auf der Lopaka-Farm für Stress sorgen. Zwar wurde noch keines ihrer Alpakas von Gloria oder ihren Artgenossen gerissen, jedoch setzen die permanenten Gefahr dessen die gesamte Familie und auch die Tiere unter Druck.
Wolfssichere Ställe dürfen sie auf ihre Weiden nicht bauen und die Vorgaben für die Umzäunungen reichen ihrer Ansicht nach nicht. „Wir haben ja als Alpakazüchter schon das Privileg auf 1,60 Meter zu bauen“, beschreibt Simone Lorei, doch das reicht durch verschiedene Bodenhöhen eben nicht überall aus. Eine Weidefläche können sie deswegen mittlerweile gar nicht mehr benutzen, dafür sind die Alpaka-Hengste nun auf die näher am Haus liegende Pferdeweide umgezogen, während die Pferde nun direkt am Haus untergebracht sind.
Alpaka-Stuten haben Fehlgeburten wegen des Stresses
Die Alpaka-Stuten wiederum stehen an anderer Stelle, doch in der Nähe wurde der Wolf bereits gesichtet. Das macht zum einen die Tiere nervös – schon mehrfach hätten sie durch den Stress Fehlgeburten gehabt, sagt Talina Lorei. Zum anderen geht auch an ihrer Mutter Simone (55) die Sorge um die Tiere nicht spurlos vorbei. Sie habe deswegen mittlerweile Herzrhythmus-Störungen. Es sei, sagen die Loreis, wie sein Kind draußen zu wissen, während ein Vergewaltiger frei herumläuft. Zudem nimmt das ständige Zäune-Kontrollieren und durch die Gegend fahren mehr Zeit in Anspruch, als es ein Hobby eigentlich tun sollte. Aus dem nebenberuflichen Spaß ist mittlerweile fast ein Vollzeit-Job geworden.
Somit gehen die Loreis nun einen Schritt, den immer mehr Weidetierhalter in Deutschland tun. Sie gehen. Für Ungarn haben sie sich entschieden, weil es ein EU-Land und die Gefahr durch Wölfe hier deutlich geringer ist, zudem die Lebenshaltungskosten niedriger und die Flächen noch erschwinglich.