Oberhausen. Best of Popschlager! Zur großen Sause haben 3000 Fans in der Turbinenhalle Oberhausen abgefeiert. Ein Schlagerstar stand gar nicht im Programm.
Wer Liebe lebt, singt die Frau mit den blonden, zusammengebundenen Haaren. Die silbernen Pailletten auf ihrem Oberteil glitzern im Scheinwerferlicht. Und als sie wie Lara Croft einen großen Party-Luftballon zurück zu den 3000 dauerklatschenden Fans kicken möchte, zerplatzt dieser an ihren hochhackigen Schuhen.
Der Schlager-Adeligen Michelle gehört am späten Samstagabend beim Indoor-Festival „Best of Popschlager“ die volle Aufmerksamkeit. Die Uhrzeiger haben schon 23 Uhr überschritten. Und in der Turbinenhalle Oberhausen denkt noch keiner an den Heimweg. Die 52-Jährige ist der große Name im Line-up aus neun Interpreten schunkeliger Stimmungsmusik. Fans haben sich kleine blinkende Krönchen in die Haare gesteckt. Auf den T-Shirts steht „Party-Kommando“.
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Ein zartes „Michellllle....“, irgendwo aus dem Pulk hinten rechts, durchbricht einen der wenigen stillen Momente. Die 1,56-Meter-Frau plant längst die Reiseroute für die Nacht. „In 80 Küssen um die Welt!“ Nein, ihre Songtexte muss man den Schlager-Liebhabern vorne am Wellenbrecher nicht erklären. Auch den mehr als 30 Jahren alten Anfangshit „Und heut‘ Nacht will ich tanzen“ kennen hier nahezu alle.
Schlagerfestival Oberhausen: Michelle holt Freund Eric Philippi zum Duett auf die Bühne
Im vergangenen Jahr hatte die Sängerin ihren Bühnenabschied angekündigt - eine letzte Tour soll es aber noch geben. Den Auftritt in Oberhausen buchten die Veranstalter schon weit im Vorfeld. Nach einer Absage wegen einer Termindoppelung im vergangenen Jahr, sprang die Sängerin dafür diesmal ins Programm.
Wenn man sie beobachtet, meint man, sie wolle noch einmal zeigen, was sie der Schlager-Szene an Hits gebracht hat: Sie lobt die Fans, redet aber wenig. Die Songs sind klar verständlich, die Zwischenmoderationen in den hinteren Reihen nicht immer.
Hit an Hit geht weiter. Als „Du Idiot“ erklingt, reißt die Fans plötzlich ein großer Mann im schnieken Anzug aus der Routine: Ihr 27 Jahre junger Freund Eric Philippi taucht plötzlich auf, obwohl der Schlagersänger gar nicht auf den Festivalplakaten stand. Es wird Händchen gehalten, geturtelt - und gesungen. Mit „Nicht verdient“, eigentlich eine Koproduktion von Michelle und Ex-Ehemann Matthias Reim, folgt ein weiteres Duett. Moderator Frank Neuenfels: „Wir haben es geheim gehalten!“ Schmacht-Alarm!
Schlagerfestival Oberhausen: Erste Fans warten stundenlang vor der Turbinenhalle
Schon zuvor konnten Schunkelfreunde in der Schlager-Schatulle stöbern: Von eher in der Szene bekannten Sängern wie Marc Koch und Frank Lukas reicht das Line-up bis zu Norman Langen, Tim Peters, Jörg Bausch und Sonia Liebing. „Die ersten Fans standen schon um 10 Uhr morgens vor der Halle, um sich die Stehplätze direkt vor der Bühne zu sichern“, sagt Veranstalter Andre Kusch. „Dabei haben wir mit dem Einlass erst sechs Stunden später begonnen.“
Nicht nur aus dem Revier seien Schlagerfans angereist. „Wir hatten Buchungen aus Berlin, München und Aschaffenburg. Einige Fans haben sich in Hotels einquartiert.“ Die Ticketpreise seien mit 30 Euro für sechs Stunden Programm knapp kalkuliert. Gegenüber vorherigen Festivals musste Kusch die Preise aber einige Euro anheben. „Dafür schauen sich die Besucher nicht nur einen oder zwei Lieblingskünstler an, sondern fast das gesamte Programm.“ Als die Turbinenhalle am frühen Abend aufgeschlossen wurde, hätten schon mehr als 1500 Fans vor der Tür gewartet.
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Einer, der ebenfalls viele Schlagerfans auf seiner Seite weiß, ist Mike Leon Grosch. Der 47-Jährige mit der kräftigen Reibeisenstimme breitet zu Beginn seines halbstündigen Sets die Arme weit auseinander und spielt den Überraschten: „Was macht ihr alle in meinem Wohnzimmer?“ Liederfibeln muss der gebürtige Wuppertaler nicht verteilen. „Nicht mal eine Stunde“, „Wunderschön“ und „Tausend Melodien“ bilden den Rahmen für kreischende Frauen - und angedeutete Handküsse.
Da gerät der Schlagersänger schnell ins Plaudern - und offenbart Geheimnisse. „Ich weiß, wo meine Fans herkommen, die meine Songs auf Spotify streamen!“ Gespanntes Warten allerseits: Platz drei, Köln. Platz zwei, Berlin. Platz eins - Oberhausen. Die kalkulierte Reaktion: ein Jubelsturm! Was der Sänger wohl bei Konzerten in Köln und Berlin erzählt?
Schlagerfestival Oberhausen: „Olaf der Flipper“ singt Song der „Toten Hosen“
Einer, der eher unverhofft durch Streams und Social Media wie TikTok zurück im Schlager-Olymp landete, heißt Olaf Malolepski. Der Magdeburger zog einst mit den Schlager-Legenden „Die Flippers“ durch die Lande. Nach der Auflösung der Band vor 13 Jahren geht es nun als „Olaf der Flipper“ mit den alten Flippers-Hits solo weiter. In Oberhausen wird beim Kult-Song „Wir sagen danke schön“ die Turbinenhalle zum 3000-Kehlen-Chor. Auch gut: „Lotusblume“, „Die rote Sonne von Barbados“ und „Bye Bye Belinda“.
Mit 78 Jahren zeigt sich der Flipper im roten Show-Jackett unglaublich fit und motiviert. Es wirkt so, als würde der alte Showhase, der schon alle großen Konzerthallen gesehen hat, gerade erst seine erste Show spielen. Mit Tochter Pia Malo singt er zum Finale noch: „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen. Und zum Abschied zischt das Effekt-Feuerwerk.
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