Oberhausen. 3500 Fans feiern „Die Ärzte“ beim ersten von drei Konzerten in der ausverkauften Turbinenhalle. Im Publikum: einige bekannte Musiker-Kompagnons.

Der Herbst ist gekommen, die Blätter rieseln - und ein lila-gefärbter BH weht aus einem Pulk von Fans auf die Konzert-Bühne. Das laut beklatschte Konzert-Ritual ist beim ersten von drei Auftritten der Kult-Band „Die Ärzte“ in der Turbinenhalle Oberhausen allerdings kein Anlass, sich wie im Jungbrunnen zu fühlen.

Mit dem Luftpost-Geschenk dekoriert Farin Urlaub (59) am Donnerstagabend nahezu bedächtig den Mikrofonhalter des Kollegen Rodrigo „Rod“ Gonzalez (55): „Das halbe Konzert ist um und du hast genau einen BH.“ Dazu analysiert Bela B. (60): „Du merkst, dass du alt wirst, wenn…“ Ach ja! Wer verliert, hat schon verloren.

Lauter alte Eisen bei der ausverkauften Sause der „Herbst des Lebens“-Tour in der 1909 erbauten ehemaligen Industriehalle? Qualitätsquatsch mit Soße! „Die Ärzte“ scherzen sich unkaputtbar und pausenlos durch fast drei Konzertstunden. Auch wenn manche Fans bei „Unrockbar“ schon mal schneller aus der Hocke aufgesprungen und eskaliert sein könnten. Das Publikum feiert von jung bis alt. Der Herbst kann gut 40 Jahre nach der Bandgründung wirklich einpacken. Bei aller Bescheidenheit.

„Die Ärzte“ in Oberhausen: Der Herbst kann einpacken

Die Punk-Spaßvögel beklauen sich genüsslich selbst. „Wir machen euer Hausen zu unserem Hausen“, sagt „Oberhausen-Fan“ Bela B. sinngemäß zum Start. Ein Erinnerungsstück aus vergangenen Konzert-Jahren. „Den wollten wir endlich mal wieder bringen.“

Zuletzt rockte das Trio allerdings in der mehr als drei Mal so großen Oberhausener Arena - direkt nebenan. Die bewusst verdichtete Tour mit eher kleineren bis mittelgroßen Hallen ist nun die halbe Strecke zurück zum Wohnzimmer-Konzert. Nimmermüde Crowd-Surfer schwappen über die Kurzdistanz. Drumstick-Geschenke landen schneller in ausgestreckten Fanhänden. Und etwas Schweiß tropft von der Decke.

Selbst prominenten Besuch haben „Die Ärzte“ eingeladen. Drummer Vom Ritchie von den „Toten Hosen“ klatscht auf einer Empore, kommt kurz vor Ende sogar zum schnellen Handschlag auf die Bühne. Vor einem Jahr hatten „Die Ärzte“ die „Toten Hosen“ noch bei deren Jubiläumskonzert im Düsseldorfer Stadion überrascht.

Auch Tim Kleinrensing alias Costa Cannabis von den Ska-Punker „Sondaschule“ lauscht aufmerksam. Am 9. Dezember spielt er in der Turbinenhalle selbst vor ausverkauftem Haus.

„Die Ärzte“ in Oberhausen: Musikalisch wunderbar unvollständig

Musikalisch bleiben „Die Ärzte“ wunderbar unvollständig. „Der Misanthrop“ und „Die Banane“ aus dem 1995er Geniestreich „Planet Punk“ lässt die Fans geradezu „Hip, Hip, Hurra“ jubeln. Hinzu gesellen sich „1/2 Lovesong“ und „Ein Lied für dich“ aus dem drei Jahre älteren Album „13“. Und das „Radio brennt“ sogar seit erstaunlichen 36 Jahren vor sich hin.

Aufflammender Applaus sorgt kaum für Längen. Dazu garnieren Songs wie „Junge“, „Mein Baby war beim Frisör“ und „Schrei nach Liebe“ die wilde Mischung. Ein Ritt durch die Jahrzehnte.

Bei allem Jux und Tollerei behalten „Die Ärzte“ ihren politischen Biss, auch wenn dieser differenzierter geworden ist. Nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern mit den hohen Prozentzahlen für die AfD regt das Band-Trio an, bei den Wählern der Rechtsaußenpartei nach den Beweggründen für ihre Wahlentscheidung zu fragen.

Farin Urlaub: „Nicht nur anspucken, sondern mal nachfragen!“ Viele AfD-Wähler würden statt Zeitung zu lesen, Verschwörungsmythen folgen. „Falls es noch nicht aufgefallen ist, wir mögen die Partei nicht sonderlich.“ Zwischen Punk und Politik zieht Bela B. den Schlussstrich: „Wer die wählt, ist noch dümmer.“

„Die Ärzte“ in Oberhausen: Handys bleiben in der Hosentasche

Zwischendurch geht der Schabernack mit ihnen durch. Deutsche Schlager-, Rock- und Pop-Hymnen parodieren Farin Urlaub, Bela B. und Rodrigo Gonzalez genüsslich, lassen „Deine Spuren im Sand“ von Howard Carpendale genauso aufleben wie „1000 und eine Nacht“ von Klaus Lage. Ein kleines bisschen Playback-Horrorshow.

Wer das auf seinem Smartphone festhalten möchte, fängt sich einen Rüffel ein. Einen Handy-Daddler aus der ersten Reihe fragt Bela B. plötzlich: „Du hast erst zwei Mal nach vorne geschaut - und sonst nur auf dein Handy. Warum machst du das? Du hast Eintritt bezahlt. Du verpasst die wichtigen Momente.“ Applaus.

Tatsächlich bleiben Handys meist in der Hosentasche. Ein krasser Kontrast zu sonst üblichen Konzerten mit dauerblinkenden Displays. Da sind „Die Ärzte“ völlig Old School. Und das fühlt sich in Oberhausen vorzüglich an.

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Die Spaß-Punker „Die Ärzte“ spielen in der Turbinenhalle insgesamt drei Konzerte ihrer „Herbst des Lebens“-Tour. Nach Donnerstag, 12. Oktober, folgen am Freitag, 13. Oktober, und Samstag, 14. Oktober, weitere Termine.

Die Band verkaufte im Vorfeld sämtliche Tickets ausschließlich über die eigene Internet-Seite. Binnen weniger Minuten waren alle Karten vergriffen. Auf dem Internet-Schwarzmarkt tauchten kurz nach dem Vorverkauf einige Oberhausen-Tickets zu absurden Preisen von bis zu 1000 Euro auf.