Mülheim. Der schillernde Friseur Günter K. wurde 1991 tot in Mülheim aufgefunden. Ohne sechs hartnäckige Ermittler wäre der Fall wohl ungelöst geblieben.
34 Jahre nach dem gewaltsamen Tod des schillernden Mülheimer Frisörs Günter K. hat das Landgericht Duisburg am Freitag einen heute 63-jährigen Mülheimer für den Rest seines Lebens hinter Gitter geschickt. Dass er Günter K. damals getötet hatte, stand nach der Beweisaufnahme selbst für die Verteidigung außer Frage. Dass diese Tat ein Mord gewesen sein sollte, und zwar geschehen aus Habgier, zweifelten die beiden Anwälte allerdings an. Sie gingen von Totschlag aus. Wäre ihnen die Kammer in diesem Punkt gefolgt, wäre die Tat verjährt und der 63-Jährige freizusprechen gewesen. Die Richter aber waren ganz klar: „Es war Raubmord.“
Ohne die akribische Aufklärungsarbeit der im November 2023 beim Präsidium Essen/Mülheim eingerichteten Ermittlungsgruppe Cold Cases hätte es dieses Urteil nicht gegeben, wäre der Täter wohl für immer auf freiem Fuß geblieben. Drei aktive Mordermittler und drei eigens für diesen Zweck zurückgeholte Pensionäre fanden auf ihrem Schreibtisch diesen und etliche andere ungelöste Altfälle vor; im April 2024 dann vermeldeten sie ihren ersten Erfolg. Das Team war sicher, dass K. durch die Hand des nun verurteilten Mülheimers gestorben ist. Und dass dieser den Frisör vor allem deswegen ermordet hatte, weil er erkannt hatte, dass bei ihm etwas zu holen war. Er habe zwei teure Uhren, ein hochwertiges Feuerzeug und Goldmünzen eingesteckt, so die Polizisten.
Der klamme Mülheimer hat getötet, um an Wertgegenstände zu gelangen
Ob letztgenannter Punkt wirklich so war, blieb im Prozess unklar. „Es kommt aber auch nicht darauf an“, so der Vorsitzende Richter Mario Plein. Denn zweifelsohne habe der Angeklagte getötet, weil er in den Besitz von Wertgegenständen gelangen wollte. Bei Betrachtung aller Umstände könne man zu keinem anderen Ergebnis gelangen, so Plein. Strafverteidiger Nikias Roth und seine Kollegin Marie Lingnau hätten zwar „auf qualifizierte Art und Weise versucht, Zweifel zu säen“, doch sie seien damit „nicht durchgedrungen“.
Da der Angeklagte vor Gericht schwieg - selbst in seinem letzten Wort - und es zudem keine Tatzeugen gab, waren vor allem seine Auskünfte beim psychiatrischen Sachverständigen wertvoll für die Urteilsfindung. Dort hatte er unter anderem angegeben, dass der homosexuelle Günter K., der offenbar regelmäßig jüngere Männer in Kneipen kennenlernte und in seine Wohnung mitnahm, auch ihn eingeladen habe, um noch gemeinsam etwas zu trinken. Einige Zeit später sei er dort eingeschlafen, so die Einlassung des Angeklagten, und erst wieder aufgewacht, als K. ihn - den bekennenden Heterosexuellen - massiv sexuell belästigt habe. Daraufhin habe er den Frisör angegriffen. Als er kurz darauf dessen Wohnung verlassen habe, sei er davon ausgegangen, dass dieser noch lebe.
Richter glaubten dem Mülheimer Angeklagten nicht
Das Gericht glaubte dieser Schilderung nicht. Es war davon überzeugt, dass K. dem damals 29-Jährigen schon vorab in einer Kneipe als jemand aufgefallen war, „der es zu etwas gebracht hat“. Spätestens in dessen Wohnung habe der damals finanziell angeschlagene Angeklagte erkannt, „dass bei ihm wirklich etwas zu holen ist“. Habgier sei daher der Grund der Tötung gewesen - und bei einem solchen Mord sehe das Gesetz keine andere Freiheitsstrafe vor als eine lebenslange.
Ohne jede Regung nahm der Mülheimer seine Strafe entgegen, starrte während der Urteilsbegründung auf den Fußboden. Erst als Richter Plein ihn noch einmal beim Namen nannte und auf die Möglichkeit der Revision hinwies, schaute er auf. Kurz darauf wurde der Mann, der nach dem Mord noch gut 33 Jahre unbehelligt in Mülheim leben durfte, in Handschellen abgeführt.
„Schwuler Mülheimer Frisör hatte Salon zu einer Goldgrube gemacht“
Auch Staatsanwalt Martin Mende war in seinem Plädoyer von Mord ausgegangen. Der als „schwuler Frisör“ stadtbekannte K. sei „ein attraktiver, gut situierter, gepflegter Mann“ gewesen, „der aus seinem Salon eine Goldgrube gemacht hatte und dem man den Reichtum ansehen konnte“. Der Angeklagte, der auch früher schon durch Eigentumsdelikte aufgefallen war, sei knapp bei Kasse gewesen und Günter K. „leichte Beute“. Was den Angeklagten auch verdächtig machte: Noch kurz vor seiner Festnahme habe er nach Möglichkeiten gegoogelt, wie sich Uhren gewinnbringend verkaufen lassen.
Mende kritisierte übrigens, dass es beim Thema Verjährung im deutschen Recht einen Unterschied macht, ob jemand einen Totschlag begangen hat oder einen Mord, für den ja besondere Merkmale wie Habgier oder Heimtücke vorliegen müssen. Anders als Mord, ist Totschlag nach 20 Jahren nicht mehr verfolgbar. „Bei Schwarzfahren, Diebstahl oder sogar Raub ist eine Verjährung in Ordnung“, findet Mende, in puncto Tötung aber könne man das hinterfragen. Er halte es für „rechtsdogmatisch hochproblematisch“. Der Mörder von Günter K. wird bis zuletzt gehofft haben, dass er als Totschläger davon kommt und weiter in Freiheit leben darf.
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