Mülheim. Im „Cold Case“ um die Tötung des Mülheimer Friseurs Günter K. tun sich Zeugen vor dem Landgericht Duisburg schwer. Auch die Tochter sagt aus.

Mit einem weiteren Verhandlungstag wurde am Freitag der Prozess um den Mord an einem Mülheimer Friseur aus dem Jahr 1991 fortgesetzt. Der damals 63-Jährige war erwürgt und erdrosselt in seinem Bett gefunden worden.

Die Polizei Essen hatte den seinerzeit ungeklärten Fall nach drei Jahrzehnten als „Cold Case“ wieder aufgenommen und einen Fingerabdruck vom Tatort durch einen internationalen Abgleich einem heute 62-jährigen Mülheimer zuordnen können, der nun als Angeklagter vor dem Landgericht Duisburg sitzt.

Mord an Mülheimer Friseur von 1991: Prozess geht weiter

Sein Strafverteidiger Nikias Roth und dessen Kollegin Marie Lingnau dürften mit dem Verlauf des aktuellen Verhandlungstages zufrieden gewesen sein, denn bei etlichen der aufgebotenen Zeugen war nach den vielen Jahren seit der Tat die Erinnerung stark verblasst oder ganz gelöscht.

Die Beweisaufnahme startete mit dem Rechtsmediziner Dr. Springer, der seinerzeit die Obduktion der Leiche durchgeführt hatte. Der 85 Jahre alte, freundliche Herr muss gleich zweimal vom Vorsitzenden Richter Mario Plein über seine Rechte und Pflichten belehrt werden, weil er beim ersten Mal aufgrund seiner starken Schwerhörigkeit keinen Ton verstanden hat.

Beteiligter Rechtsmediziner ist mittlerweile 85 Jahre alt

In seiner gutachterlichen Stellungnahme ist er allerdings klar, als ihm vom Gericht die Fotos der damaligen Obduktion auf einen großen Monitor gespielt werden. „Das Opfer ist zunächst gewürgt worden, was nicht zum Tod geführt hat. Todesursächlich war die anschließende Drosselung mit einem Elektrokabel, das zu einem Mehrfachstecker gehörte.“

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Auch zu einem Gewebeschnitt, der bei der Obduktion im Gesicht des Toten gemacht wurde, hatte er eine fachliche Erklärung: „Hier hat es Gewebeunterblutungen gegeben, die für einen Faustschlag ins Gesicht sprechen. Daher der Schnitt“

Mülheimer Ex-Polizisten als Zeugen: kaum Erinnerungen

Als nächster Zeuge tritt ein ehemaliger Polizist auf, damals Ende Zwanzig und Dienstgruppenleiter, heute bereits Pensionär. Er war von seinen Einsatzbeamten zum Tatort gerufen worden, weil diese ein Kapitaldelikt angenommen hatten. Der heute 62-Jährige sagt: „Mir ist nur noch die Auffinde-Situation vor Augen, der Rest ist verblasst.“ Weitere Fragen kann er nicht mehr beantworten.

Die WAZ Mülheim berichtete am 21. Januar 1991 erstmals über den spektakulären Mordfall.
Die WAZ Mülheim berichtete am 21. Januar 1991 erstmals über den spektakulären Mordfall. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Ähnlich ein kurz vor seinem Dienstende stehender 60-jähriger Kollege. Aktive Erinnerung: Fehlanzeige. Er kann sich nur noch auf seinen Einsatzbericht beziehen, den er damals geschrieben und kurz vor der Verhandlung noch einmal gelesen hat: „Wir sind gerufen worden, weil ein Zeuge den Friseur nicht in seinem Laden angetroffen hatte. Daraufhin sind wir zur Wohnung gefahren und haben mit einem Schlüsseldienst die Wohnungstür geöffnet.“ An den Rest, gibt er zu, kann er sich nicht erinnern.

Hausnachbarinnen des Friseurs schilderten etliche Herrenbesuche

Nächster Zeuge ist ein ehemaliger Kriminalbeamter (77), der damals Bereitschaftsdienst hatte und wegen des Leichenfundes alarmiert worden war. Ein Lichtblick für die Beweisaufnahme, da er noch viele Einzelheiten zusammenbekommt. Auch er räumt allerdings ein, dass er seine Erinnerung durch das Lesen seines damaligen Berichtes auffrischen musste.

Er hatte 1991 mit einem Kollegen etliche Hausnachbarinnen des Friseurs in der Mülheimer Viktoriastraße befragt. Tenor: Das Opfer, Günther K., war offensichtlich homosexuell veranlagt und permanent auf der Suche nach kurzen Affären mit anderen Männern. Immer wieder soll er Herrenbesuche, oft von deutlich jüngeren Männern, gehabt haben.

Streitigkeiten mit einem jungen Mann auf der Straße

Die Besuche mündeten vereinzelt auch in Streitigkeiten. In einem Fall, so habe eine Zeugin erzählt, sei K. nachts „in Hemd und Höschen“ auf die Straße gerannt und von einem jungen Mann verfolgt worden, der hinter ihm her geschrien habe. Auch zur Situation in der Wohnung hatte der Ex-Kriminalbeamte noch recht gute Erinnerungen.

Die Strafverteidiger Marie Lingnau und Nikias Roth vertreten den Mülheimer im „Cold Case“ am Duisburger Landgericht - das Foto entstand am 3. Dezember 2024, dem ersten Verhandlungstag.
Die Strafverteidiger Marie Lingnau und Nikias Roth vertreten den Mülheimer im „Cold Case“ am Duisburger Landgericht - das Foto entstand am 3. Dezember 2024, dem ersten Verhandlungstag. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Anders ist es mit dem Notarzt, der nach dem Leichenfund den Toten untersuchte. Der heute 71-Jährige hat nicht mehr den Hauch einer Erinnerung, kann daher nach fünf Minuten im Zeugenstand schon wieder gehen.

Tochter (61) des getöteten Mülheimer Friseurs sagt vor Gericht aus

Die 61-jährige Tochter des Getöteten sagt als Zeugin aus, ihre Eltern hätten sich getrennt, als die Homosexualität ihres Vaters immer mehr hervorgetreten sei. Auch sie wusste, dass er später immer wieder Männerbekanntschaften angebahnt und über längere Zeit sogar einen festen Partner gehabt hatte.

Auf die Frage von Richter Plein, ob sie den Mann auf der Anklagebank kenne, schüttelt sie allerdings den Kopf. „Nein, kenn ich nicht.“

Zu später Stunde in einer Mülheimer Kneipe

Der Verhandlungstag endet mit der Vernehmung eines ehemaligen Gastwirts, der das Mordopfer wenige Stunden vor der Tat noch gesehen hat. Nachdem sich der 80-jährige frühere Betreiber des Lokals „Zum Ührchen“ in der Teinerstraße mühsam mit Rollator zum Zeugenstuhl gequält hat, geht es gleich um die Sache.

Er hatte damals nach Feierabend in einem anderen Lokal, im „Pinocchio“ in Mülheim, gegessen. Zu später Stunde hielt sich dort auch der Friseur mit einem Begleiter auf. „Können Sie den Begleiter beschreiben?“, fragt Richter Plein. „Nein, kann ich nicht. Der stand mit dem Rücken zu mir.“ Die Beweisaufnahme endet hier vorläufig. Am 9. Januar geht es weiter.

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