Mülheim. Wie eine Wohngemeinschaft vier jungen Männern in Mülheim hilft, in Deutschland Fuß zu fassen. Und welche Hürden es im Vorfeld zu überwinden gab.

Sie heißen Elyas (17), Raad (18), Laid (17) und Mohamed (16). Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, Algerien und Somalia. „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“, lautet ihr Status in Amtsdeutsch. Sie alle eint ein Ziel: Sie wollen Sicherheit, eine Zukunft, Zugang zu Bildung und Arbeit.

Seit 2024 sind die vier jungen Männer in Deutschland. Seit Oktober vergangenen Jahres wohnen sie zusammen in einer Wohnung in Eppinghofen, in der die Caritas ein Überbrückungsprojekt realisiert. Das Vorhaben wurde jetzt offiziell eingeweiht. Der Weg dahin war ein durchaus steiniger – nicht nur für die Geflüchteten.

Erste Station der Geflüchteten: ein Mülheimer Hotel

Deren erste Station in Mülheim, sagt Cristina dos Santos, Erzieherin bei den Caritas Sozialdiensten, war ein Hotel – „alles andere als ideal; ohne Küche war es schwierig, über Tag für die Verpflegung zu sorgen“. Die Lösung: Fast Food, über Wochen. „Jetzt“, berichtet Laid, „kochen wir zusammen. Jetzt können wir abends zusammensitzen und Karten spielen, im Hotel war das schwierig.“

Mehr Gemeinschaft, ein Stück weit wieder so etwas wie Familie, auch das, sagt Georg Jöres, Vorstand der Caritas Mülheim, sei entscheidend, wenn man junge Geflüchtete bei der Verselbstständigung unterstützen wolle. Etwa 100 Minderjährige unterschiedlicher Nationalität sind derzeit in Mülheim „auf unterschiedliche Art und Weise“ untergebracht. „Eine Wohngemeinschaft aber ist sinnvoll, weil die jungen Leute ihr Leben hier selbst gestalten und in die Hand nehmen können.“

Caritas wurde auf Initiative der Stadt Mülheim aktiv

Caritas: Eröffnung Brückenlösung einer Wohnunterbringung für unbegleitete minderjährige Ausländer.
Elyas (17) trainiert in seiner Freizeit als Kickboxer und hat sich in der Mülheimer Sportszene bereits etabliert. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Gestartet ist das Vorhaben auf Initiative der Stadt mit dem Ein-Frau-Team Cristina dos Santos. Mittlerweile engagieren sich zehn Personen im Projekt, darunter auch Ehrenamtliche. Die Tages- und Bildungsbegleitung der jungen Männer kann so regelmäßig durchgetaktet werden.

Am Kühlschrank hängen Pläne mit den nächsten Workshops – Mülltrennung, Pfandsystem, Fahrkartenautomaten. Selbstverständlichkeiten, wenn man hier aufgewachsen ist, sagt dos Santos. Ein riesiges Fragezeichen für die vier Jungs. Finanziert wird die 100-Quadratmeter-Wohnung, eine frühere Zahnarztpraxis, durch das Jugendamt. Die Caritas hat Eigenmittel für die Ausstattung eingebracht. Platz ist insgesamt für fünf Menschen.

Zukunftsträume: ein Job als Konditor und eine Karriere in der Politik

Caritas: Eröffnung Brückenlösung einer Wohnunterbringung für unbegleitete minderjährige Ausländer.
Laid in seinem Zimmer in der WG in Mülheim-Eppinghofen. Er möchte Konditor werden. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Die Jungs wissen, dass das ihre Chance ist, hier in Deutschland ein neues Leben zu gestalten“, sagt dos Santos. Und die Träume der vier sind gar nicht so groß: Laid möchte als Konditor arbeiten, „ein Ausbildungsplatz wäre toll“. Elyah hat sich bereits im Sport sehr erfolgreich in Mülheim etabliert. Raad denkt über den Beruf des Friseurs nach. Und Mohamed will in die Politik – Abitur, Uni und dann „etwas verändern in der Welt“. Etwas zurückgeben für die Unterstützung wollen sie allerdings schon jetzt. Müllzangen sind besorgt, um künftig im Stadtteil aufzuräumen. Im Frühjahr ist ein kleines Nachbarschaftsfest geplant.

Der Weg hinein in diese Nachbarschaft allerdings war problematisch. Cristina dos Santos: „Es war unglaublich schwierig, eine Wohnung zu finden. Die meisten Vermieter haben sofort abgewunken, wenn ich ihnen das Projekt erläutert habe. Unbegleitete Minderjährige? Die wollte niemand.“

Mülheimer Geflüchtete: Sorgen über Ausgang der Wahl

Bernd Stangier aber war schließlich bereit, die vier Geflüchteten kennenzulernen und ins Projekt einzusteigen. „Das sind letztlich Kinder, die um ihr Leben gekämpft haben, die nur Katastrophen kennen. Wenn man die an die Hand nimmt, dann kriegen die ihr Leben schon auf die Reihe. So etwas muss man unterstützen, und ich schätze es sehr, dass man im Team auch den offenen Umgang mit den anderen Nachbarn im Haus sucht.“

Die genaue Straße allerdings möchten die Verantwortlichen nicht in der Zeitung lesen. Zu groß sind die Sorgen angesichts der jüngsten gesellschaftlichen Entwicklungen. „Wir werden“, sagt Cristina dos Santos, „mit den Jungs auch über den möglichen Ausgang der Bundestagswahl sprechen. Sie machen sich da schon ernsthafte Sorgen. Eines habe ich ihnen von Anfang an gesagt: Wenn ihr glaubt, der Weg nach Deutschland war das Schwierigste, dann irrt ihr euch. Das Schwierigste kommt erst jetzt.“

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