Mülheim. Fotografin Hiroko Inoue gibt Geflüchteten in Mülheim ein Gesicht. Hier lassen wir drei Frauen von ihnen ihre bewegenden Geschichten erzählen.
Aktuell leben in Mülheim Menschen aus 140 Nationen. Jeder von ihnen gibt Migration, Flucht, Neuanfang ein eigenes Gesicht. „Wir haben eine Geschichte“ lautet der Name einer denkwürdigen Fotoausstellung, die am 8. Mai Vernissage im Gasthaus der Feldmannstiftung feierte und noch bis 8. Juni an der Augustastraße 114 zu sehen ist.
„Wir sind alle nur Menschen, die eine eigene Geschichte haben, egal woher wir kommen. Und wir haben nur als Menschen gemeinsam eine Zukunft auf dieser Erde“, sagt die aus Japan stammende Fotografin Hiroko Inoue, die in Mülheim und Berlin lebt. „Ihre Kraft und Energie haben uns sehr beeindruckt“, sagt ihr Mülheimer Kollege Rainer Komers, der ihr geholfen hat, ihr Ausstellungsprojekt zu realisieren, das schon im Centrum für Bürgerschaftliches Engagement an der Wallstraße zu sehen war und nach dem 8. Juni im Rathaus zu sehen sein wird.
Mülheim ist... Sicherheit!
„Ich möchte anderen Flüchtlingen Mut machen!“, sagt die 21-jährige Fatma Ibrahim, die sich für die Ausstellung im Großformat fotografieren ließ. „Wir haben als Familie glücklich gelebt. Doch dann schlossen sie Schulen und alles war schief“, berichtet die junge Kurdin über ihr Leben im Nordwesten Syriens.
Türkische Luftangriffe und Scharfschützen des Islamischen Staates gehörten dort zu ihrem Alltag. Ihre Flucht führte von Syrien über die Türkei nach Deutschland. Seit 2019 lebt Fatma mit ihren Eltern und drei Geschwistern in Mülheim. Mülheim. Das ist für sie vor allem „Sicherheit“! Dass „hier alle arbeiten und zur Schule gehen“ und dass man ohne Angst über die Straße gehen könne, ist für sie wie ein Wunder.
Mülheim ist... neue Sprache, neue Kultur, neue Menschen
Inzwischen hat Fatma an der Willy-Brandt-Schule ihre letze Abiturklausur geschrieben und möchte nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr Chemie und Biologie studieren, um, wie sie sagt, „später hier in Deutschland als erfolgreiche Wissenschaftlerin zu arbeiten“. Schon jetzt arbeitet sie neben der Schule ehrenamtlich beim Centrum für bürgerschaftliches Engagement. Immer wieder freitags spielt und bastelt sie mit Flüchtlingskindern oder zeigt ihnen bei Ausflügen die Stadt, zuletzt das Haus Ruhrnatur auf der Schleuseninsel. „Ich bin mehrsprachig aufgewachsen. Mir fällt es leicht, Sprachen zu lernen“, sagt Fatma Ibrahim. Neben ihrer Muttersprache Kurdisch spricht sie Arabisch Türkisch und Deutsch.
„Ich will Dankeschön sagen“, sagt Diana Zaza mit Blick auf ihr Portrait. Bis 2015 waren sie, ihr Mann und ihr heute 21-jähriger Sohn in der syrischen Hauptstadt Damaskus zu Hause. Doch der syrische Bürgerkrieg trieb die Englischlehrerin und ihre Familie in die Flucht. 2015 kamen sie nach Mülheim. „Neue Sprache, neue Kultur, neue Menschen. Der Anfang war sehr schwer. Aber es gab viele Organisationen, die uns geholfen haben“, erinnert sich Diana Zaza.
Mülheim ist... Freiheit und Ruhe
Heute fühlt sie sich in Mülheim angekommen. Ihr Mann, der in Damaskus in einem Werk des deutschen Textilherstellers Adidas gearbeitet hat, stellt heute bei Rühl Ledersitze für die Autoindustrie her, während sie als Integrationshelferin in der Förderschule an der Rembergstraße mit geistig behinderten Kindern und Jugendlichen arbeitet.
Auch ihren Sohn, der an der Gesamtschule Saarn sein Abitur macht, sieht sie dankbar auf einem guten Weg. „Das ist unser neues Leben und ich möchte mein neues Leben mit der Gesellschaft teilen“, sagt Diana Zaza. Und weil sie auch etwas von der Hilfe zurückgeben möchte, die sie selbst erfahren hat, engagiert sie sich zusammen mit ihrem Tandempartner Ulrich Tietz bei den Familienfreunden des Centrums für bürgerschaftliches Engagement, um anderen Flüchtlingen und Einwanderern beim Ankommen in der neuen Heimat zu helfen. Mülheim. Das ist für sie vor allem „Sicherheit, Freiheit und Ruhe.“
Mülheim ist... anders als Zuhause
Wenn Wafaa Lizzo von ihrem früheren Leben in der nordlibanesischen Stadt Tripoli und von ihrem neuen Leben in Mülheim erzählt, tut sie das auf Deutsch. Das erstaunt, weil die gelernte Erzieherin bisher noch keinen Deutschkurs, dafür aber regelmäßig einen Frühstückstreff für Mütter und Kinder besucht hat. „Ich habe da viele Kontakte geknüpft und viel gelernt“, sagt die dreifache Mutter.
Als sie 2015 mit ansehen musste, wie eine Nachbarin auf offener Straße von einem Scharfschützen erschossen wurde, wussten ihr Mann und sie, dass sie ihre vom syrischen Bürgerkrieg gezeichnete Heimat verlassen mussten. „Wir haben sehr viel im Stress gelebt. Und auch als ich 2015 nach Deutschland kam, hatte ich viel Angst, weil hier alles anders war als bei uns zuhause“, erinnert sich Wafaa Lizzo. Doch die Angst wurde kleiner und der Mut wurde größer, weil sie und ihre Familie beim Sozialamt und beim Centrum für bürgerschaftliches Engagement Menschen fanden, die ihnen zeigten, wie man sich hier zurechtfinden kann.
Mülheim ist... ein Neuanfang
Ihr Ehemann besucht zurzeit einen Deutschkurs an der Heinrich-Thöne-Volkshochschule und arbeitet in einer Autowaschanlage. In Tripoli hat er als Dekorateur gearbeitet und an der Universität Ingenieurswissenschaften studiert. Doch Krieg und Flucht haben bei ihm zu einem Tinnitus geführt und sein Sohn ist sprachbehindert und hat deshalb zurzeit einen besonders großen Förderbedarf. „Doch wenn meine Kinder größer sind, möchte ich wieder als Erzieherin arbeiten“, sagt Wafaa Lizzo. Und sie fügt hinzu: „Ich habe hier viel Hilfe bekommen und danke allen dafür. Aber ich kann und will auch selbst anderen Menschen hier helfen.“
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