Mülheim. Solingen, Moers, Recklinghausen: Binnen weniger Tage gab es mehrere Messerangriffe in NRW. Wie ein Sicherheitsexperte die Lage beurteilt.
Der Messerangriff von Solingen, der für drei Menschen tödlich endete, löste nicht nur Angst und Sorge, sondern auch eine öffentliche Debatte aus. Aktueller denn je war also der von der SPD veranstaltete Gesprächsabend unter dem Titel „Terror, Extremismus, Gewalt oder Organisierte Kriminalität“. Am Mittwoch ließ der Mülheimer Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler seine Arbeit in seinem Berliner Büro ruhen und kam in die Alte Dreherei in Broich, um mit Bürgern über das Thema Kriminalität zu sprechen.
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Fiedler, der seit 2021 für Essen und Mülheim im Bundestag arbeitet, weiß, wovon er spricht, wenn es um Verbrechen geht. Er ist seit 30 Jahren Polizist, war beim Landeskriminalamt mit Schwerstkriminalität befasst und war Bundesvorsitzender der Gewerkschaft „Bund der Kriminalbeamten“.
Verschiedene Kriminalitätsbereiche wachsen unterschiedlich stark
Zu Beginn der Veranstaltung gab der 51-Jährige dem Publikum einen Einblick in seine Abgeordnetentätigkeit, in der er seine Expertise unter anderem in einer Arbeitsgruppe „Kriminalpolitik“ einbringt, die sich mit den Schwerpunktthemen Kinderschutz, Geldwäsche und Umweltkriminalität befasst. Aber auch um Terrorismus, der explosiv steigenden Rauschgiftkriminalität, Cybercrime und Markenpiraterie dreht sich die Arbeit im Bundestag.
Sebastian Fiedler tauchte in die verschiedenen Themenbereiche ein - machte etwa in Sachen Geldwäsche darauf aufmerksam, dass alleine dadurch kriminelle Gewinne in Höhe von etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaftet werden. Umweltkriminalität bezeichnete er als den zweitgrößten Klimatreiber. Und zur Markenpiraterie stellt er fest: „Diese Kriminalität ist nicht nur mit immensen wirtschaftlichen Schäden für die betroffenen Firmen verbunden.“ Sie ist sei hochgefährlich, da es dabei etwa auch um gefälschte, wirkungslose oder sogar gefährliche Medikamente gehe, die unter Markennamen im Ausland zusammengepanscht werden. Sexuelle Gewalt gegen Kinder – ein weiteres Thema – habe mittlerweile ein „pandemisches Ausmaß“ angenommen.
Nach Fiedlers Rundflug über sein breites Themenspektrum startete eine angeregte Diskussion. Dabei wurde deutlich, dass die tödliche Messerattacke auf dem Solinger Stadtfest und etliche ähnlichen Vorfälle der jüngeren Vergangenheit die Mülheimer bewegen. „Seit 2022 gibt es eine Vervierfachung terroristischer Anschläge in Europa. Wir leben in einer dauerhaften Bedrohungssituation.“
Mülheimer Kriminalexperte: viele tragen ein Messer für mehr Sicherheit
Extremisten, die Anschläge planen, ließen sich laut Fiedler sicher nicht von gesetzlichen Messerverboten abhalten. Die Masse der Messerträger seien aber eben keine Terroristen, sondern insbesondere sehr junge Menschen, die sich mit einer Stichwaffe in der Tasche sicherer und auch stark fühlen. Aber nicht nur Angst, sondern „auch eine gewisse Coolness“ sei bei jungen Männern das Motiv, ein Messer mitzuführen. „Messer sind und bleiben tödliche Waffen. Wer eins bei sich hat, läuft auch Gefahr, es zu benutzen“, erklärt Sebastian Fiedler. Er halte generelle Messerverbote im öffentlichen Raum für sinnvoll.
Bei diesem Thema sollte es nicht bleiben. So ging es etwa auch um Rauschgifthandel, der – wie diese Redaktion erst kürzlich berichtete – in Stadtteilen wie Eppinghofen, Styrum oder der Innenstadt mühelos im Straßenbild beobachtbar ist. Fiedler: „Wir arbeiten im Bundestag stark daran, Sicherheits- und Informationsabkommen mit Produzentenländern wie etwa Kolumbien zu schließen.“ Auf diesem Gebiet sei in der Regierungszeit der „Ampel“ schon ganz viel passiert. Sicherstellungen von Rauschgift, das in Containern mit Schiffen auch nach Deutschland komme, seien häufiger geworden, die Sicherstellungsmengen oft sehr groß. „Das macht den Kartellen das Geschäft teurer und unlukrativer.“
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In diesem Zusammenhang werde auch die Korruptionsbekämpfung verstärkt, denn das unauffällige Einführen von Rauschgift sei oft nur möglich, weil Hafenmitarbeiter bestochen werden, die dann einfach nichts Verdächtiges gesehen haben wollen. Aus dem Publikum hieß es, dass die Polizei viel mehr Kontrollen machen müsse, um die Kriminalität auf der Straße einzudämmen. Aber, schränkt ein Dozent der Duisburger Polizeihochschule ein, dafür bleibt bei der Masse an Einsätzen oft keine Zeit. Auch sei ein Problem, dass an der Hochschule aus jedem Jahrgang in NRW schon 500 bis 600 junge Männer und Frauen gar nicht erst in den Wachen und Hundertschaften ankommen, weil sie während des Studiums durchfallen. Zum Teil liege es an den jungen Leuten selbst, zum Teil müsse aber auch die Hochschule noch mehr tun, um mehr Jungpolizisten einen Abschluss zu ermöglichen.
Nach zwei Stunden ist die angeregte Diskussion in der Alten Dreherei schließlich beendet. Manches ist klarer geworden, aber - so viel steht fest - für Sebastian Fiedler und seine Abgeordnetenkollegen gibt es noch sehr viel zu tun.
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