Mülheim. Sie sind Leistungssportler auf vier Hufen: Pferde, die bei den Olympischen Spielen in Paris antreten. Eine Mülheimer Firma transportiert sie.
Wenn Ende kommender Woche die Olympischen Sommerspiele in Paris beginnen, schaut Martin Atock sich die Wettkämpfe gemütlich im Fernsehen an - wie wohl Millionen andere Sportfans auch. Doch für den Mülheimer Unternehmer wird es das erste Mal seit über 30 Jahren sein, dass er die Spiele am TV verfolgen kann und nicht selbst am Austragungsort sein muss. Atock transportiert mit seiner Firma seit Jahrzehnten die wertvollen Olympia-Pferde rund um die Welt. Dass die besonderen Wettkämpfe in diesem Jahr in Europa stattfinden, erspart dem Pferde-Fachmann eine Menge Arbeit. Gänzlich unbeteiligt ist Martin Atock dennoch nicht.
Mit den Olympischen Spielen in Seoul 1988 fing es für Martin Atock damals an, als er als junger Mann aus Irland nach Deutschland kam. Viele weitere Spiele sollten folgen, wie die in Barcelona 1992, Atlanta 1996, Athen 2004, Hongkong 2008, und zuletzt Rio 2016 und Tokio 2021, in denen sein Unternehmen Peden Bloodstock verantwortlich zeichnete für den Transport der vierbeinigen Topsportler. „Vor Paris habe ich bereits neun Olympische Spiele mitgemacht“, erzählt der Mülheimer Unternehmer.
Spezial-Spedition aus Mülheim transportiert tierische Topsportler nach Paris
Zwei Büros in Deutschland betreibt die spezialisierte Spedition Peden Bloodstock, eines davon im Mülheimer Rumbachtal, zwei weitere in England, erklärt der Managing Director. Eine kleine Kernmannschaft sei es, die das laufende Geschäft abwickele. „Wenn Olympische Spiele stattfinden, haben wir etwa 35 Leute im Einsatz“, sagt Atock und schiebt hinterher: „Das meiste mache ich selbst.“ Dazu gehört etwa auch, Reisezeiten möglichst genau zu planen, um den Pferden und der Crew Stress zu ersparen: „Am liebsten komme ich nachts an, dann ist es am Flughafen ruhiger und die Straßen bis zum Standort der Pferde sind leerer.“ Erfahrungswerte aus fast vier Jahrzehnten Pferdetransport.
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Der Fachmann weiß auch, dass er in bestimmten Ländern lieber auf die eigenen Lkw zum Weitertransport der Tiere setzt: „Nach Rio haben wir unsere Lastwagen von Hamburg aus per Schiff gebracht und Fahrer aus Deutschland mitgenommen - das war ein Aufwand“, blickt Atock zurück. Auch nach Athen, wo die Spiele vor genau 20 Jahren stattfanden, brachte Peden Bloodstock eigene Fahrzeuge mit. „Die Lastwagen vor Ort waren nicht angemessen für die Aufgabe.“ Schließlich ist die Fracht kostbares, lebendiges Gut, das wohlbehalten ankommen muss.
Wie überstehen Hochleistungspferde lange Flüge zu olympischen Austragungsorten?
Wie aber ist es dann erst recht, wenn millionenschwere Pferde Tausende Kilometer durch die Luft geflogen werden, um am Austragungsort anzukommen? Wie überstehen die Tiere die Strapazen solch einer Reise? „Wie Vielflieger, so wie ich einer bin, sind sie es gewohnt, in der Luft zu sein und zu fliegen - es ist für sie wie für uns in der Businessclass, sie haben viel Platz und beste Betreuung.“ Stets seien erfahrene Leute, sogenannte Grooms, dabei, die Tieren könnten Wasser trinken, hätten Heu zur Verfügung und würden vor allem in aller Ruhe verladen. „Je nachdem, wo auf der Welt wir landen, müssen sie sich aber auch erstmal akklimatisieren - wie wir Menschen.“
Zu den letzten Olympischen Sommerspielen in Tokio hat Atocks Unternehmen insgesamt 328 Pferde geflogen, erzählt der Firmenchef und sagt voller Stolz: „Kein einziges brauchte ein Beruhigungsmittel, alles lief reibungslos.“ Hinzu kamen übrigens 180.000 Kilo Gepäck und Futter. „Das war schon eine logistische Herausforderung.“ Zudem seien die Gegebenheiten bei den Spielen in Japan, die noch während der Corona-Pandemie stattfanden, immens gewesen. „Es gab lange Quarantänezeiten“, erinnert sich Atock: „Ich habe 57 Tage in Tokio verbracht, habe niemanden gesehen, musste in einem Einzelzimmer schlafen und durfte nur auf bestimmten Strecken alleine in meinem Wage fahren - da habe ich mich gefühlt wie ein Gefangener.“
Mülheimer Firma organisiert Transport von über 700 Pferden in die USA
Finden gerade keine Olympischen Spiele statt, kümmert sich das Unternehmen etwa um den Transport von vierbeinigen Spitzensportlern, die zu Weltreiterspielen reisen, wie 2018 nach Tryon in North Carolina. „Damals haben wir knapp 730 Pferde in die USA geflogen.“ Weltweite Reiterspiele gibt es laut Atock seit 1990, der sagt: „Ich habe sie alle gemacht.“
Und warum kann Martin Atock die diesjährigen Olympischen Sommerspiele entspannt vom Sofa aus verfolgen? „Paris und London 2012 sind die einzigen Austragungsorte, zu denen die allermeisten Pferde nicht geflogen werden müssen.“ Denn selbst vierbeinige Olympioniken aus Übersee seien längst in Europa stationiert: 85 Prozent der Pferde, die an den Olympischen Spielen teilnehmen, seien wohnhaft in Deutschland, den Beneluxländern und Frankreich, erklärt der Fachmann. „Hier finden die meisten Veranstaltungen statt, bei denen sich die Reiter für die Teilnahme an Olympia qualifizieren.“ Die Spitzensportler auf vier Hufen aus Australien und Neuseeland kämen in der Regel im Januar oder Februar nach Europa, auch diejenigen aus Chile und Mexiko landeten bereits Anfang des Jahres auf europäischem Boden. Ohnehin sei Europa eine Hochburg des Pferdesports, was Wettbewerbe und Zucht anbelange.
Olympische Sommerspiele 2024: „Die Sicherheitsfrage in Paris ist eine große“
„Wenn die deutsche Reiter-Mannschaft also nach Paris möchte, laden sie ihre Pferde auf ihre eigenen Lastwagen, fahren nach Frankreich zum Trainingslager und reisen schließlich zum Austragungsort. Der ganze Logistik- und Quarantäne-Aufwand ist nicht gegeben“, weiß Atock. Doch die Sicherheitsfrage sei eine große in Paris: „Jeder muss eine Sicherheitsprüfung haben. Olympische Spiele haben immer wesentlich mehr Sicherheitsvorkehrungen als andere Wettbewerbe.“
Während europäische Mannschaften also mit ihren eigenen Pferdetransportern nach Paris anreisen werden, kutschiert Atocks Firma jene Pferde nach Paris, deren Equipen sie zwar längst in Europa untergebracht haben, die aber hier nicht über eigene Fahrzeuge verfügen. Und auch aus einigen Drittländern holt Peden Bloodstock Pferde zu den Olympischen Spielen - etwa aus England und Irland. „Das ist ja nicht mehr EU und daher mit mehr Bürokratie verbunden.“
Zu viel Stress aber wird Martin Atock mit den Olympischen Spielen in diesem Jahr wohl nicht haben: „Zum ersten Mal in meinem Leben - nach neun Olympischen Spielen, bei denen ich für fast alles rund um die Pferde verantwortlich war - werde ich mir Sportarten im Fernsehen anschauen können. Wenn man vor Ort ist, bekommt man nämlich von den Wettkämpfen gar nichts mit, sondern hat nur jede Menge Arbeit.“
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