Mülheim. Zu wenig Fördergeld und Bürokratie-Burnout: Die Awo fühlt sich vom Land nicht ausreichend unterstützt. In welchen Bereichen der Verband kürzt.

„Es ist eigentlich absurd, so etwas einzustellen.“ Michaela Rosenbaum, Geschäftsführerin der Awo Mülheim, schüttelt den Kopf. Der Wohlfahrtsverband beendet ein gut gehendes Ferienprogramm für Kinder und kürzt eine halbe Stelle in einem anderen Projekt, um Tariferhöhungen stemmen zu können.

Die sozialen Träger seien am Limit, sagt Michaela Rosenbaum beim Gespräch mit der Redaktion und rechnet vor: Die letzte Tariferhöhung im öffentlichen Dienst, der sich die freie Wohlfahrt traditionell anschließt, hat Mehrkosten in Höhe von etwa 100.000 Euro gebracht. Die jetzt in Kraft getretene Tariferhöhung beschert der Awo noch einmal Mehrkosten in Höhe von etwa 150.000 Euro. „Und das in einem System, das seit Jahren an allen Ecken und Enden spart. Da sind keine Spielräume und auch keine Rücklagen mehr.“

Gehälter steigen immer weiter, Landesförderung aber nicht

Rosenbaum sieht das Hauptproblem in einer Förderpolitik des Landes, die immer komplizierter werde und mit mehr Vorschriften daherkomme, ohne sich aber dem veränderten Lohnniveau anzupassen. So würden etwa 57.000 Euro für eine Vollzeitstelle im Integrationsmanagement gezahlt, die inzwischen mit mindestens 62.000 Euro Jahresgehalt zu Buche schlägt. „Und da sind noch nicht mal die Sachkosten für den Arbeitsplatz drin“, sagt Michaela Rosenbaum. Bei 130, zum Teil hoch qualifizierten Mitarbeitern der Awo Mülheim würden diese Förderlücken gewaltige Löcher reißen.

Zumal das Land durchweg hoch qualifizierte Fachkräfte verlange, etwa Psychologen in der Beratung. „Das ist sinnvoll, aber die wollen natürlich auch bezahlt werden. Ganz abgesehen davon, dass Tarifbezahlung alleine noch nicht reicht, um als Arbeitgeber für eine heiß umkämpfte Fachkraft attraktiv zu sein“, so Rosenbaum.

Hier wird bei der Mülheimer Awo gestrichen

Als Reaktion darauf wird zum 1. Juli eine halbe von eineinhalb Stellen beim Kommunalen Integrationsmanagement gestrichen. Das „KIM“ ist zum einen dafür da, um Familien mit Migrationshintergrund im Bürokratiedschungel, etwa bei Behördengängen, Anerkennung von beruflichen Abschlüssen, Kinderbetreuung etc. zu helfen. Zum anderen wird das Integrationsmanagement genutzt, um Fehler im System zu erkennen, etwa wo Behörden und Ämter nicht optimal zusammenarbeiten.

Michaela Rosenbaum, Geschäftsführerin der Awo in Mülheim, und Marcus Kuck, Bereichsleiter Bildung, Beratung und Soziales, mit einem Poster der Black Week gegen den Ausverkauf der sozialen Landschaft in NRW, einer Aktion der freien Wohlfahrtspflege im Land.
Michaela Rosenbaum, Geschäftsführerin der Awo in Mülheim, und Marcus Kuck, Bereichsleiter Bildung, Beratung und Soziales, mit einem Poster der Black Week gegen den Ausverkauf der sozialen Landschaft in NRW, einer Aktion der freien Wohlfahrtspflege im Land. © FUNKE Foto Services | Vera Moselage

Komplett gekappt wird das Ferienintensivtraining Deutsch, das die Awo seit 2019 in den Schulferien in Styrum und Stadtmitte anbot. Eigentlich ein sehr erfolgreiches Projekt. „Die Kinder haben enorme Fortschritte gemacht. Bei manchen hat sich danach herausgestellt, dass der Weg auf die Realschule führt, statt wie angenommen auf die Förderschule. Außerdem haben wir auch die Eltern erreicht“, schildert Marcus Kuck, Bereichsleiter für Bildung, Beratung und Soziales. Unter anderem seien 30 Mütter in Deutschkurse vermittelt worden.

Awo Mülheim schließt sich der „Black Week“ gegen das Sterben der sozialen Landschaft an

Warum dann das Aus? Die Fördergelder seien seit Beginn nicht erhöht worden, die Personal- und Verpflegungskosten dagegen enorm gestiegen, erklären Rosenbaum und Kuck. Von den 74.000 Euro Kosten für die zwölf Ferienkurse pro Jahr musste die Awo zuletzt 15.000 aus eigener Tasche zahlen. „Dann wurden auch noch die Förderrichtlinien verändert. Es sollte nur noch die Hälfte der Fördersumme sofort ausgeschüttet werden, die andere Hälfte erst ein Jahr später, wenn der Verwendungsnachweis geprüft wird“, erklärt Michaela Rosenbaum. Die Kosten für Verpflegung, Ausflüge, Materialien würden aber nun mal sofort fällig.

„Diese Schritte sind schon schmerzhaft, aber wir werden auch noch weitere Schritte gehen müssen“, sagt die Geschäftsführerin und warnt: „Soziale Infrastruktur, die einmal verloren ist, baut man nicht so schnell wieder auf.“ Als Hilferuf schloss sich die Awo einer landesweiten „Black Week gegen den Ausverkauf der sozialen Landschaft in NRW“ der freien Wohlfahrtspflege an. Sie ist nach der großen Demo mit 25.000 Leuten vor dem Landtag in Düsseldorf ein zweiter Versuch, auch die Bevölkerung auf das „leise Sterben der sozialen Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen“ aufmerksam zu machen.

Die Arbeit der sozialen Träger in Mülheim:

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