Mülheim. Zwei Paare teilen ihre Wohnungen auf der Heimaterde über Airbnb mit Gästen aus aller Welt. Warum sie gerne so und nicht anders Gastgeber sind.

Fast fühlt man sich in eine Ferienhaussiedlung in einem Urlaubsort versetzt: Hübsche gelbe Häuschen entlang schmaler Straßen, Bushaltestelle und Supermarkt nur wenige Schritte entfernt. Kein Wunder, dass Mülheims Heimaterde eine beliebte Wohngegend bei Mölmschen und Zugezogenen ist.

Doch Ferienunterkünfte gibt es hier tatsächlich auch: Wer genau hinschaut, entdeckt an einem Doppelhaus auf der Kolumbusstraße eine kleine Plakette, die darauf hinweist, dass sich im Innern ein Airbnb versteckt. Eine kurze Online-Suche auf der Vermittlungsplattform bestätigt: Die Vermieter sind sogenannte Superhosts, also hervorragende und erfahrene Gastgeber, die Unterkunft ist modern und von den Gästen sehr positiv bewertet. Schwappt also der Trend aus Großstädten wie Berlin und Hamburg, dass Eigentümer ihre Immobilien als Ferienwohnung inserieren anstatt dauerzuvermieten, schon auf Mülheim über?

Zwei Airbnbs unter einem Dach an der Kolumbusstraße in Mülheim

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Diesen Schuh müssen sich Barbara und Marcus Thiele, die Besitzer des Airbnbs auf der Kolumbusstraße, nicht anziehen: Ihre Ferienwohnung ist nämlich gar keine richtige Wohnung. Wer bei ihnen übernachtet, hat zwar ein eigenes Zimmer mit Bad und Küchenzeile im Dachgeschoss, läuft auf dem Weg dorthin aber einmal von unten nach oben durch die Privaträume der Thieles. „Zu Gast bei Fremden“, nennt Barbara Thiele das.

Auf die Idee, den nach dem Auszug der Kinder ungenutzten Wohnraum in der obersten Etage ihrer Doppelhaushälfte zur Ferienunterkunft zu machen, kamen die gelernte Reiseverkehrskauffrau und ihr Mann Marcus vor etwa fünf Jahren durch eigene Reisen – und durch ihre Nachbarn. Deborah und Christoph Halbach bieten direkt nebenan dasselbe Konzept schon seit über sieben Jahren an, mit einem einzigen Unterschied: Bei ihnen gibt es keine Küchenzeile unterm Dach, dafür können Gäste die private Küche im Erdgeschoss mit nutzen. Bis zu acht Personen, jeweils vier pro Haushälfte, können bei den beiden Paaren daher buchstäblich unter einem Dach übernachten.

Vom Gästezimmer zur Ferienunterkunft mit historischem Flair

Im Appartement „Design meets History“ von Barbara und Marcus Thiele gibt es neben Doppelbett und Schlafcouch auch eine kleine Küchenzeile. Für das historische Flair wurden die Dachbalken freigelegt und der Giebel geöfffnet.
Im Appartement „Design meets History“ von Barbara und Marcus Thiele gibt es neben Doppelbett und Schlafcouch auch eine kleine Küchenzeile. Für das historische Flair wurden die Dachbalken freigelegt und der Giebel geöfffnet. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Wir wollten Gästezimmer für unsere Verwandten aus Wuppertal einrichten“, erzählt Christoph Halbach, „und weil wir selber gerne mit Airbnb verreisen, kam schnell die Idee, dass wir sie auch anderen als Unterkunft zur Verfügung stellen könnten.“ Eine Idee, die gerne angenommen wird: Keine 24 Stunden, nachdem sie die Unterkunft damals im Internet eingestellt hatten, bekamen Halbachs schon die erste Buchungsanfrage, inzwischen haben sie Stammgäste, die jedes Jahr wieder auf die Heimaterde kommen.

Egal ob Familienfeier, Klassentreffen, Klinikaufenthalt, Montage oder Ruhrgebietstourismus: Die Gäste schätzen die stilechte Unterbringung in der alten Arbeitersiedlung. Die Wohnung der Halbachs nennt sich „Altes Krupphaus“ und hat noch die originalen Zimmertüren aus den 1920er Jahren verbaut, die der Thieles heißt „Design meets History“ und wartet mit einigen Ruhrpott-Details auf, wie alten Kauenkörben aus der Zeche, die als Dekoration im Flur hängen.

„Wir könnten tausend Geschichten erzählen.“

Den beiden Ehepaaren ist es wichtig, ihre Gäste persönlich zu begrüßen und während des Aufenthalts zu betreuen. Barbara und Marcus Thiele schreiben für jeden Gast einen individuellen Begrüßungstext auf eine Kreidetafel im Flur.
Den beiden Ehepaaren ist es wichtig, ihre Gäste persönlich zu begrüßen und während des Aufenthalts zu betreuen. Barbara und Marcus Thiele schreiben für jeden Gast einen individuellen Begrüßungstext auf eine Kreidetafel im Flur. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Nicht nur jede Menge Renovierungsarbeit haben die Ehepaare in ihre Appartements gesteckt, auch deren Reinigung übernehmen sie immer selbst. Eine Stunde der eigenen Freizeit geht dafür schonmal drauf, und Buchungen erfolgen oft spontan. Doch der Aufwand ist es den Vieren wert, für sie ist es das Wichtigste, nette und spannende Leute kennenzulernen.

„Wir könnten tausend Geschichten erzählen“, lacht Barbara Thiele. Zum Beispiel die von einem Paar, das gleich mehrere Wochen bei ihnen wohnte und bei dem sich irgendwann herausstellte, dass sie ausprobierten, ob sie sich ein Zusammenleben vorstellen können, nachdem sie für die Affäre ihre bisherigen Partner verlassen hatten. Schließlich zogen sie in eine gemeinsame Wohnung in Essen.

Schloss-Retter und Weihnachtsbaumverkäufer wohnten schon in den Mülheimer Airbnbs

Als bei den jüngsten Renovierungsarbeiten der Putz am Treppenaufgang zu den Airbnb-Zimmern abbröckelte, entschieden sich Deborah und Christoph Halbach, die Wand nicht neu zu verputzen, sondern im Retro-Stil zu belassen. Den Kauenkorb als passende Deko erhielten sie von ihren Nachbarn, wo ebenfalls einige Exemplare im Flur hängen.
Als bei den jüngsten Renovierungsarbeiten der Putz am Treppenaufgang zu den Airbnb-Zimmern abbröckelte, entschieden sich Deborah und Christoph Halbach, die Wand nicht neu zu verputzen, sondern im Retro-Stil zu belassen. Den Kauenkorb als passende Deko erhielten sie von ihren Nachbarn, wo ebenfalls einige Exemplare im Flur hängen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auch echte Schloss-Retter konnten die „Airbnb‘ler mit Leib und Seele“ schon beherbergen: Eine Gruppe Handwerker aus Sachsen, die mit ihrem Spezialwissen angereist waren, um die maroden Mauern am Schloß Broich neu zu fugen. In sehr guter Erinnerung geblieben ist auf der Kolumbusstraße nicht zuletzt ein Weihnachtsbaumverkäufer, der mehrere Jahre in Folge im Advent einzog und seinen Gastgebern zum Abschied stets einen Gratis-Weihnachtsbaum bescherte.

Schlechte Erfahrungen haben die beiden Ehepaare noch nie damit gemacht, dass immer wieder andere Leute ihr Zuhause mit bewohnen. Sorgen, dass etwas wegkommt oder kaputtgeht, haben sie keine, denn Airbnb haftet für mögliche Schäden und die Gäste müssen sich bei der Anreise mit offiziellen Dokumenten ausweisen. „Wir schließen nix ab“, sagt Christoph Halbach.

Gastgeber verdienen etwa 25 Euro pro Person und Nacht

Für den Wohn- und Schlafbereich ihres Airbnbs „Altes Krupphaus auf der Heimaterde“ haben Deborah und Christoph Halbach zwei Zimmer unterm Dach zusammengelegt. Außerdem gibt es noch einen weiteren Schlafraum. Das Bild im Hintergrund zeigt einen historischen Grundriss des Doppelhauses, in dem sich nebenan auch das Airbnb von Barbara und Marcus Thiele befindet.
Für den Wohn- und Schlafbereich ihres Airbnbs „Altes Krupphaus auf der Heimaterde“ haben Deborah und Christoph Halbach zwei Zimmer unterm Dach zusammengelegt. Außerdem gibt es noch einen weiteren Schlafraum. Das Bild im Hintergrund zeigt einen historischen Grundriss des Doppelhauses, in dem sich nebenan auch das Airbnb von Barbara und Marcus Thiele befindet. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Thieles setzen ebenfalls auf gegenseitiges Vertrauen: „Unsere Gäste kriegen keine Zimmerschlüssel, damit wir im Zweifelsfall noch reinkommen, zum Beispiel, wenn es anfängt zu regnen und sie ihre Fenster offengelassen haben“, sagt Marcus Thiele. Ab 55 Euro pro Nacht zuzüglich 20 Euro Reinigungsgebühr und anteiliger Provision für Airbnb kann man das „Design meets History“-Appartement buchen.

Ganz ähnlich kalkuliert Familie Halbach. Da jedoch aktuell noch letzte Renovierungsarbeiten im „Alten Krupphaus“ anstehen, sind dort zurzeit keine Buchungen möglich. Normalerweise freuen sich aber beide Parteien über eine gute Auslastung ihrer Ferienunterkünfte: An bis zu 250 Tagen im Jahr sind die Zimmer belegt. Das lohnt sich durchaus auch finanziell: Etwa 25 Euro pro Gast und Nacht bleiben für die Vermieter übrig.

Gäste in der eigenen Wohnung aufzunehmen, ist der Ursprungsgedanke von Airbnb

Nur wenn die Gastgeber einmal selbst verreist sind, bleibt definitiv auch das jeweilige Dachgeschoss leer, weil es den Besitzern wichtig ist, als persönliche Ansprechpartner vor Ort zu sein und mit Hilfe oder Tipps zur Verfügung zu stehen. Für das Quartett von der Kolumbusstraße liegt darin der Ursprungsgedanke von Airbnb, dafür schätzen sie die Plattform nicht nur auf eigenen Reisen als Gäste, sondern auch als Gastgeber.

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