Mülheim. An der Aktienstraße im Mülheimer Nordosten finden sich viele Geschäfte für den täglichen Bedarf. Was hier trotzdem nicht nur Kunden vermissen.
„Es dünnt sich aus“ – dies ist der erste Kommentar, der Falk Oesterwind einfällt, wenn man ihn auf die Nahversorgungssituation in Winkhausen anspricht. Sein Fleischerfachgeschäft sei inzwischen der letzte alteingesessene Betrieb. Tatsächlich haben im Mülheimer Stadtteil erst kürzlich zwei langjährige Händler ihre Türen für immer geschlossen: Im Sommer 2023 musste Mülheims einzige Bio-Metzgerei nach 30 Jahren endgültig aufgeben, Anfang dieses Jahres kam das Aus für die Rossmann-Filiale an der Ecke Nordstraße.
Dieser Verlust schmerzt auch nach mehr als vier Monaten noch viele im Stadtteil, denn der nächste Drogeriemarkt ist kilometerweit entfernt. Für Werner Hülsmann war es sogar der einzige Anlaufpunkt, den er in seinem Stadtteil regelmäßig zu Fuß aufgesucht hat. Obwohl es auch in der Nähe Supermärkte und inhabergeführte Lebensmittelläden gibt, fahren der 86-Jährige und seine Frau lieber mit dem Auto zum Einkaufen. „Aber der Rossmann, da konnte man immer gut hingehen“, erinnert er sich.
„Ein großer Nachteil“: Rossmann-Schließung belastet Mülheimer Stadtteil
Doch nicht nur die Winkhausener Kundinnen und Kunden blicken der Filiale wehmütig hinterher: „Die Schließung ist für uns schon ein großer Nachteil“, erzählt auch Dorothee Rube, die Filialleiterin der Barbara-Apotheke nebenan. Der Drogeriemarkt habe immer zusätzliche Kunden angezogen, die dann auf einen Sprung auch in die umliegenden Geschäfte gekommen seien.
Genauso sieht es auch Fleischermeister Oesterwind von gegenüber. Die Mischung mache es eben aus, meint er und sorgt sich gerade deswegen um die Konkurrenz durch große Einkaufskomplexe auf der grünen Wiese: „‚Einmal hin, alles drin‘, das zieht die Kaufkraft aus den Stadtteilen.“ Mit diesem Eindruck scheint er nicht ganz verkehrt zu liegen: Eine junge Mutter aus Winkhausen berichtet, dass sie ihren Familieneinkauf wegen der großen Auswahl meist am Heifeskamp erledige: „Was man bei Edeka nicht bekommt, gibt‘s bei Kaufland und was es da auch nicht gibt, gibt‘s bei Aldi.“
Parkplatz-Not an Mülheims Aktienstraße
Profitieren vielleicht die beiden Winkhausener Supermärkte, Netto und Rewe, von der Rossmann-Schließung und verkaufen nun mehr Drogerieprodukte? Rewe stand für eine Auskunft nicht zur Verfügung, bei Netto sieht Filialleiter Yüksel Zinar „ein wenig mehr Nachfrage“, aber nicht so viel, dass man deswegen das Sortiment anpassen müsse. Zinar bewertet die Lage an der Aktienstraße insgesamt positiv, durch die lang gezogene Straße gebe es wenig Konkurrenz, gerade nicht so wie auf der grünen Wiese. Lediglich das Lager würde er gerne vergrößern und dafür sogar einige Parkplätze opfern.
Von diesem Luxus können andere nur träumen, denn Parkplätze sind an der viel befahrenen Aktienstraße Mangelware. Wer als Händler ein paar Stellplätze auf dem eigenen Grundstück hat, darf sich glücklich schätzen. So geht es Peter Broichhausen, der in Winkhausen schon seit 1989 seine Kundschaft vor Ort mit frischem Brot, Brötchen und Kuchen aus der eigenen Backstube versorgt. Er ist sehr zufrieden. „Aber wenn ich den Parkplatz nicht hätte, sähe es anders aus.“
Supermärkte, Fachgeschäfte und zwei Besonderheiten in Mülheim-Winkhausen
Der dichte Verkehr auf der Aktienstraße ist Fluch und Segen zugleich. Ein Anwohner, der schon seit zehn Jahren in einer Seitenstraße lebt, betont, wie froh er ist, dass alles Wichtige direkt vor der Tür liegt und er seine täglichen Einkäufe zu Fuß erledigen kann. Doch als Fußgänger fühlt er sich zwischen den vielen Autos und Lkw oft unsicher: „Manchmal ist es eine Katastrophe.“ Bei Oesterwind weiß man hingegen, dass der Handel auf den Autoverkehr angewiesen ist: „Klar ist es oft trubelig. Dafür bringt der Verkehrsfluss aber auch die Kunden her. Wenn nichts mehr fahren würde, könnten wir gleich dicht machen.“
Doch so schlimm steht es nicht, noch ist das Nahversorgungsangebot entlang der Aktienstraße vielfältig. Neben Supermärkten und inhabergeführten Geschäften können Kunden hier auch zwei Besonderheiten finden: Ungefähr auf halber Strecke zwischen dem Geschäftszentrum nahe der A40-Auffahrt und dem Netto-Markt befindet sich „Komm, Kauf und Spar“, wo Lebensmittel zu Sonderpreisen noch weit unter Discounter-Niveau angeboten werden. Und falls man beim Einkauf einmal etwas Wichtiges vergessen hat, könnte der Shop der Tankstelle Kraft an der Grenze zu Eppinghofen einen Besuch lohnen: Er ist auch sonn- und feiertags rund um die Uhr geöffnet und hat einige „Notfall-Lebensmittel“ wie Toastbrot oder Zucker im Sortiment.
Neuzugang im Winkhausener Nahversorgungsangebot
Viele Händler und Kunden in Winkhausen fragen sich, ob bald auch die verwaiste Rossmann-Filiale wieder ein Geschäft für den täglichen Bedarf beherbergen wird, und verfolgen ihre Entwicklung mit Spannung. Derzeit finden augenscheinlich Umbauarbeiten statt, doch die Schaufenster sind noch sorgfältig abgeklebt. In der Barbara-Apotheke freuen sie sich über jeden neuen Nachbarn. „Alles ist besser als ein Leerstand“, sagt Leiterin Rube. Sie habe gerüchteweise gehört, dass etwas mit Lebensmitteln entstehen solle, Genaueres wisse sie aber nicht.
In den Räumlichkeiten der Bio-Metzgerei Schacht ist schon wieder etwas Neues entstanden: Nachdem zunächst die Firma Hennes den Betrieb der Bio-Metzgerei von Familie Schacht übernommen hatte, aber im vergangenen Jahr selbst schließen musste, eröffnete Luai Al Jukhaitam am 15. März hier einen Mini-Supermarkt für arabische Lebensmittel. Das Ladenlokal hatte der gebürtige Syrer im Internet entdeckt und die nötigen Umbauarbeiten selbst durchgeführt. Nun drängen sich auf der begrenzten Fläche im ehemaligen Verkaufsraum der Metzgerei Fladenbrote, Basmati-Reis in Fünf-Kilo-Säcken, eingelegte Bohnen in den verschiedensten Varianten, orientalische Gewürze und anderes mehr.
90 Prozent der Ware komme aus Syrien, die Marken seien dort sehr beliebt, erklärt der Inhaber. So etwas gab es im Stadtteil bislang nicht, daher fürchtet Al Jukhaitam keine Konkurrenz durch die beiden großen Supermärkte in der Nachbarschaft. Der Familienvater hat sich bewusst für Winkhausen entschieden und hofft, dass sein Geschäft hier schnell bekannt wird.
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