Mülheim. 242 Wohnungen auf 22 Etagen, darunter das Forum als Shopping-Mall, in der man die Dinge des täglichen Bedarfs bekommt. Wie praktisch ist das?
Sie haben hier (fast) alles: Neben einem sensationellen Blick über die Stadt und einer guten Nachbarschaft auch Supermärkte und andere Geschäfte quasi im Keller. Wer im Forum Tower am Mülheimer Hans-Böckler-Platz wohnt, kann mit dem Einkaufswagen bis zu seiner Wohnung fahren. Ein Besuch im Mega-Hochhaus über dem Einkaufszentrum, das gerade 50 Jahre alt geworden ist.
In all den Jahren haben sie schon einige kommen und gehen sehen - an Nachbarn, was kein Wunder ist bei einem Hochhaus mit 242 Wohnungen, aber auch an Geschäften, die das frühere City-Center, das heutige Forum, belebt haben. Michael Focke lebt bereits seit 25 Jahren hier. Die Hälfte des Bestehens des Einkaufszentrums, das im März 1974 eröffnet wurde, hat der 72-Jährige also hautnah miterlebt. „Früher waren hier auf beiden Ebenen noch richtige Restaurants, es gab einen Chinesen, ein Fischrestaurant und die Futterkrippe.“ Auch die Imbiss-Ecke sei früher voller gewesen. Diese Zeiten sind längst vorbei und kommen wohl auch vorerst nicht zurück, denn das Forum wird bekanntermaßen zu einem Medizin-Zentrum umgewandelt.
Bewohner des Mülheimer Mega-Hochhauses vermissen das Kino und eine Eisdiele, gerade sonntags
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„Heute ist noch nicht mal mehr eine Eisdiele oder ein nettes Café da, wo man sonntags hingehen kann, wenn das Wetter schlecht ist und man nicht vor die Tür möchte“, klagt Birgit Raphael, eine 75 Jahre alte Bewohnerin des Forum Towers, der vor 52 Jahren als Iduna Hochhaus in Betrieb genommen wurde und damals als „Pioniertat des modernen Städtebaus“ galt. Vieles hat sich über die Jahrzehnte verändert, Geschäfte siedelten an und verschwanden wieder, genauso wie Bewohner des Mega-Hochhauses. Schmerzlich vermissen heutige Nachbarn auch die Filmpassage. „Das war unser Pantoffel-Kino“, blickt Birgit Raphael zurück auf das vor zwei Jahren geschlossene Kino, das sie bequem zu Fuß und jederzeit im Trockenen erreichen konnte.
Vor die Tür, zumindest so richtig, müssen die Bewohner des Forum-Towers auch nicht unbedingt zum Einkaufen. Mit Edeka Paschmann und Aldi Süd haben sie Supermärkte im Keller, mit Bäckereien, Bio-Laden und Drogeriemarkt weitere Nahversorgung zu ihren Füßen. „Das ist schon praktisch, ich kaufe fast immer hier ein“, erzählt Christoph Boll. Der 54-Jährige wohnt in der zwölften von insgesamt 22 Etagen, blickt von seiner Wohnung aus auf die Ausläufer der Innenstadt über den Dickswall hinweg. „Ich hab mein Auto schnell abgeschafft, nachdem ich hier eingezogen bin, denn hier braucht man es nicht mehr.“ Hin und wieder, sagt der stellvertretende Hausmeister, der zuvor weit draußen in Velbert wohnte und 20 Minuten bis zum ersten Supermarkt fahren musste, nehme ihn eine Bekannte zu Lidl mit. „Da gibt es doch ein anderes Sortiment.“
Mancher verschmäht das Einkaufsangebot zu Füßen seiner Wohnung und fährt lieber das Auto aus
Nicht vor - oder besser unterhalb - der eigenen Haustür erledigt Michael Focke zumeist seine Einkäufe. „Ich fahre für den Großeinkauf immer zu Kaufland“, sagt der 72-Jährige, der im 16. Stock des markanten Mülheimer Hochhauses wohnt. Für Kleinigkeiten steure aber auch er über den Aufzug die Einkaufsetagen des Forums an.
Oft - nahezu täglich - ist hingegen Birgit Raphael im Forum. Die 75-Jährige erledigt mit ihrer betagten Schwiegermutter, die ebenfalls im Tower lebt, regelmäßig im Forum Besorgungen. Ihre Frau Gabi Rosinski hält es da genau anders: „Ich fahre immer mit dem Auto zum Einkaufen, denn das Auto muss ja bewegt werden.“ Die 76-Jährige steuert dann nicht nur andere Supermärkte an, sondern auch ausgewählte Metzgereien und ihren Lieblingsbäcker.
Alltag im Mülheimer Hochhaus: „Man kann hier anonym leben, muss es aber nicht“
Noch sind die beiden Damen so mobil, dass sie auch außerhalb des Forums unterwegs sein können, bereuen aber dennoch nicht ihre Entscheidung, vor zwölf Jahren ihr Haus im Rumbachtal gegen eine Drei-Raum-Wohnung im zwölften Stock des schwindelerregenden Turms getauscht zu haben. „Man kann hier anonym leben, muss es aber nicht“, schildert Birgit Raphael die für sie gut funktionierende Nachbarschaft, in der etwa auch gemeinsam Sommerfeste gefeiert werden. „Man lebt hier relativ geschützt, muss auch die Zugangstür auf der Etage entriegeln, bevor jemand auf den Flur kommt“, schildert die ehemalige Lehrerin und meint: „Das ist ein Faktor für Ältere, gerade wenn sie alleine sind.“
Denn der Altersdurchschnitt sei durchaus hoch im Haus, auch wenn einige der Appartements mittlerweile von Studierenden bewohnt würden. Die gute Erreichbarkeit durch die Nähe zum Bahnhof und die einfache Nahversorgung seien für Jung und Alt wichtig, weiß Raphael.
Bewohner des Forum Tower registrieren viel Leerstand in den Geschäftsetagen
Worin sich die Nachbarn einig sind: „Kleidung kaufen wir nicht hier, dafür fahren wir ins Rhein-Ruhr-Zentrum oder nach Essen.“ Denn inzwischen sei das Angebot sehr überschaubar, gerade für ihre Altersgruppe, sagen die Bewohner mit Blick auf verbliebene Modeketten wie H&M oder TK Maxx. „Es steht ja auch viel leer“, beobachtet Christoph Boll. Welchen Effekt das neue Ärztezentrum haben wird, bleibe abzuwarten.
Bei allen sonstigen Annehmlichkeiten der Nahversorgung: Unübertroffen bleibe die Aussicht aus dem 81 Meter hohen Gebäude, die den Blick bei gutem Wetter bis nach Düsseldorf, Duisburg und Oberhausen schweifen lässt. Gabi Rosinski sagt auch nach zwölf Jahren im Forum Tower: „Das genießen wir jeden Tag.“
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