Moers/Kamp-Lintfort/Neukirchen-Vluyn. Verdi hat am Freitag zum Streik in Moers, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn aufgerufen. 350 Teilnehmende versammelten sich vor dem Rathaus.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) im Bezirk Linker Niederrhein hatte im Rahmen der Tarifauseinandersetzung mit den Arbeitgebern von Bund und Kommunen für Freitag, 7. Februar, erste betriebsnahe Streikmaßnahmen in Moers, Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn und Krefeld angekündigt. Einrichtungen und Behörden des öffentlichen Dienstes werden dann nur eingeschränkt arbeiten, hieß es im Vorfeld in einer Mitteilung. Beteiligt waren unter anderem die Stadtverwaltungen, kommunale Kindertageseinrichtungen, die Lineg, die Enni und die Niag.

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In Moers blieb der Bürgerservice komplett geschlossen, hatte die Stadt mitgeteilt. „Alle Sprechzeiten fallen aus, bereits vereinbarte Termine werden verschoben“, hieß es. Zu Einschränkungen kam es auch bei Kindertageseinrichtungen. Die Kita Lockertstraße in Asberg öffnete an diesem Freitag nicht. Auch in anderen Kindergärten oder im Offenen Ganztag kam es zu Ausfällen. Eltern wurden direkt von den Einrichtungen darüber informiert. Das Briefwahlbüro ist nicht betroffen.

Beschäftige im öffentlichen Dienst streiken am Freitag, 7. Februar, vor dem Rathaus in Moers.
Beschäftige im öffentlichen Dienst streiken am Freitag, 7. Februar, vor dem Rathaus in Moers. © Funke Foto Services | Patrick Schuh

Beschäftige des öffentlichen Dienstes versammelten sich am Freitagmorgen zur Kundgebung vor dem Moerser Rathaus. Die Teilnehmerzahl lag nach übereinstimmenden Schätzungen der Polizeibeamten vor Ort sowie einer Verdi-Sprecherin bei etwa 350 Personen. Mit Tröten und Trillerpfeifen wollten sich die Beschäftigten Gehör verschaffen. Auch die in die Höhe gereckten Plakate mit Symbolen wie einer Erzieherin, die ihre Hände über dem Kopf zusammenschlägt oder einem leeren Einkaufswagen vermittelten klare Botschaften. „Der öffentliche Dienst hat an Attraktivität eingebüßt und kann mit der freien Wirtschaft nicht mehr mithalten“, betonte Verdi-Sprecherin Sandra Hoeboer gegenüber unserer Redaktion.

Verdi ruft zum Streik auf: Die Auswirkungen in Neukirchen-Vluyn

Die Folge: Ein umfassender Personalmangel, unter dem insbesondere die Beschäftigten leiden müssten. Dies belegte Hoeboer mit dem Ergebnis einer repräsentativen Verdi-Arbeitszeitbefragung mit bundesweit rund 250.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern: „Zwei Drittel der Befragten haben angegeben, sich nach der Arbeit leer und ausgebrannt zu fühlen.“ Viele von ihnen vertreten laut Verdi die Auffassung, dass sie unter den derzeitigen Umständen nicht bis zur Rente weiter arbeiten könnten.

In Neukirchen-Vluyn mussten Bürgerinnen und Bürger mit „starken Einschränkungen“ im Bürgerbüro rechnen, schrieb die Stadt in einer Mitteilung am Donnerstagmorgen. Zudem wurde in den städtischen Kindertageseinrichtungen Diesterwegstraße und Kranichstraße gestreikt. „Die Kindertageseinrichtung Diesterwegstraße ist geschlossen; die Betreuung in der Kindertageseinrichtung Kranichstraße wird durch Notgruppen sichergestellt“, hieß es. Das Familienzentrum Leibnizstraße blieb laut Mitteilung geöffnet.

Erzieherin aus Neukirchen-Vluyn schlägt Alarm: „Irgendwann können auch wir nicht mehr“

Schließungen von Kitas seien auch außerhalb von Streiks inzwischen keine Seltenheit mehr, betonte Verdi-Sprecherin Hoeboer. Eine Erzieherin aus Neukirchen-Vluyn, Susanne Deglmann, unterstrich diese Beschreibung mit einer Rede vor dem Moerser Rathaus. Sie sprach von einem Teufelskreis von Frustration und Überforderung, der oftmals zu langfristigen Erkrankungen des Kita-Personals führe. „Wir sind jeden Tag für die Familien da und unterstützen, wo wir können“, sagte Deglmann. „Aber irgendwann können auch wir nicht mehr.“ Das Betreuen immer größerer Gruppen und immer jüngerer Kinder sei inzwischen unzumutbar. Die Erzieherin kritisierte auch die neue Personalverordnung: „Eine Fachkraft für 60 Kinder – das ist ein Witz!“

Wie die Enni am Freitagmittag mitteilte, ging die Streikwelle weitgehend an der Unternehmensgruppe vorbei. Die Bäder in Moers und Neukirchen-Vluyn konnten nahezu uneingeschränkt öffnen, ebenso die Moerser Eishalle. Einschränkungen gab es bei der Straßenreinigung und der Abfallentsorgung: So konnte Enni in der Innenstadt nur eine Kehrmaschine einsetzen. Gelbe Tonnen und Säcke blieben in den Freitagsbezirken zudem stehen, zum Teil auch Sperrgut und Elektroschrott. Enni möchte die Abfuhren am Samstag nachholen, heißt es.

Mit klaren Botschaften streikten die Beschäftigen vor dem Moerser Rathaus.
Mit klaren Botschaften streikten die Beschäftigen vor dem Moerser Rathaus. © Funke Foto Services | Judith Michaelis

Auch die Niag zog am Freitagnachmittag Bilanz. Rund zehn Prozent der Fahrten fielen aus, der Schwerpunkt lag im Kreis Wesel. „Trotz intensiver Vorbereitungen des Niag-Betriebsteams entfielen am Freitag in Folge des Verdi-Warnstreiks leider auch einzelne Fahrten, die Schülerinnen und Schüler zu und von ihren Schulen befördern“, hieß es in einer Mitteilung.

Mit den Streikmaßnahmen reagiert die Gewerkschaft nach eigenen Angaben auf die erste Verhandlungsrunde, die am Freitag, 24. Januar, in Potsdam ergebnislos vertagt wurde und setzt ein Zeichen für eine bessere Bezahlung und einen attraktiveren öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen.  

Streik in Moers, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn: Verdi fordert mehr Geld

Verdi-Bezirksgeschäftsführer Dominik Kofent erklärt dazu: „Trotz eines fast flächendeckenden Personalmangels im öffentlichen Dienst sehen die Arbeitgeber keine Notwendigkeit, die Arbeitsbedingungen attraktiver und gesünder zu gestalten. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst hier am Niederrhein geben jetzt einen ersten Warnhinweis, dass sie ein vernünftiges Angebot in der zweiten Verhandlungsrunde erwarten.“ Sollte dies am 17. und 18. Februar nicht erfolgen, werde es sicherlich zu weiteren Streiks kommen, lautet am Freitagmorgen die klare Botschaft aus Moers.

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Verdi fordert in der Tarifrunde von Bund und Kommunen ein Volumen von acht Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr im Monat sowie höhere Zuschläge für „besonders belastende Tätigkeiten“. Die Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte sollen zudem um 200 Euro monatlich angehoben werden. Zudem sollen fertig ausgebildete Arbeitskräfte nicht mehr in befristeten Stellen beschäftigt werden müssen. Weiter fordert Verdi drei zusätzliche freie Tage, um der hohen Verdichtung der Arbeit etwas entgegenzusetzen. Für mehr Zeitsouveränität und Flexibilität soll zudem ein „Meine-Zeit-Konto“ sorgen, über das Beschäftigte selbst verfügen können.

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