Moers. Zahlreiche Moerser demonstrierten für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Auch Aussagen von Friedrich Merz zur Migrationspolitik waren Thema.

„Es ist fünf vor zwölf für unsere Demokratie“ – Mit diesen Worten betritt Hajo Schneider vom Bündnis „Moers ist Bunt, nicht Braun“ am Samstag pünktlich um 11.55 Uhr die Stufen vor dem Alten Landratsamt am Moerser Kastellplatz. Vor einem Jahr hatte das Bündnis, das sich für Vielfalt, Demokratie und Freiheit einsetzt, anlässlich der Correctiv-Enthüllungen über die Remigrationspläne der AfD zum jährlich am 27. Januar stattfindenden Holocaust-Gedenktag eine Demonstration gegen rechts anberaumt, an der rund 8000 Moerserinnen und Moerser teilnahmen. Ein Jahr später ruft das Bündnis erneut zu einer Kundgebung zur Stärkung der Demokratie und gegen den Rechtsextremismus auf. 

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Der kürzlich im Wahlkampf von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz vorgestellte Kurswechsel in der Migrationspolitik sowie öffentlich im Wahlprogramm der AfD verankerte Remigrationsvorhaben bereiten nicht nur den lokalen Vertreterinnen und Vertretern demokratischer Parteien 80 Jahre nach dem Holocaust Sorge. Laut polizeilicher Schätzung liegt die Zahl der am Kastellplatz Versammelten bei 400 Personen. Der Organisator spricht von 600 bis 650 Teilnehmenden.

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„Die Brandmauer muss weiter stehen – es darf keine Zusammenarbeit mit der AfD geben“, positioniert sich Hajo Schneider deutlich, wofür er Zuspruch und Applaus aus dem Publikum erntet. Auch Edith Batelmus-Scholich, Direktkandidatin für Die Linke in Moers, sieht die in Medien und politischen Debatten vielfach diskutierte „Brandmauer“ zur AfD unter Druck. „Auf jedes Einknicken demokratischer Parteien in der Migrationspolitik folgt eine Stärkung der Rechtsextremen“, so die Vertreterin der Partei Die Linke. 

Moerser SPD-Bundestagsabgeordneter fordert soziale Gerechtigkeit statt Migrationsdebatten

„Das Schlimmste, was man machen kann, ist es, die Brandmauer zur AfD einzureißen“, schlägt Jan Dieren, Bundestagsabgeordneter der SPD, in dieselbe Kerbe. Die Position der CDU infolge des Messerangriffs in Aschaffenburg am vergangenen Mittwoch, bei dem ein in psychiatrischer Behandlung befindlicher Mann aus Afghanistan eine Kindergartengruppe attackierte und dabei zwei Menschen tötete, schockiere ihn. Man hätte zum Beispiel darüber sprechen können, warum es nicht genügend psychologische Betreuungsangebote für Geflüchtete gebe, meint Dieren. „Stattdessen hat der CDU-Kanzlerkandidat sich dazu entschieden, eine Migrationsdebatte zu führen.“ Wie Merz eine Verschärfung der Migrationspolitik beantragen zu wollen, ohne bezüglich der Zustimmung nach rechts oder links zu schauen, gleiche einem „Ackergaul mit Scheuklappen“, so Dieren. Er habe Verständnis für die Wut der Menschen nach der Tat der Menschen, die politische Antwort darauf müsse aus seiner Sicht hingegen eine andere sein. 

Viele Demonstranten in Moers hatten Schilder dabei.
Viele Demonstranten in Moers hatten Schilder dabei. © FUNKE Foto Services | Karl Banski

Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus gerät angesichts der Dichte aktueller politsicher Ereignisse dennoch nicht in den Hintergrund. Angelika von Speicher vom Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ betont die Wichtigkeit, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Die Herrschaft der Nationalsozialisten als „Vogelschiss der deutschen Geschichte“ zu bezeichnen, wie es der ehemalige AfD-Vorsitzende Alexander Gauland einst tat, komme einer Diffamierung der Gedenkkultur gleich, führt von Speicher aus.

Demo in Moers: „Alle zusammen gegen den Faschismus“

„Wer der AfD die Tür öffnet, der gefährdet nicht nur die Demokratie, sondern auch unsere Erinnerungskultur, für die wir heute hier einstehen“, hebt die Bündnis-Sprecherin hervor, bevor sie zum gemeinsamen Skandieren aufruft. „Alle zusammen gegen den Faschismus“, schallt es über den Kastellplatz. Ulle Schauws, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, gibt den Demonstrierenden ihrerseits die Leitsätze „Sei ein Mensch“ und „Du sollst nicht gleichgültig sein“ als elftes Gebot mit auf den Weg.

Laut Polizeiangaben kamen rund 400 Teilnehmende zur Demo nach Moers.
Laut Polizeiangaben kamen rund 400 Teilnehmende zur Demo nach Moers. © FUNKE Foto Services | Karl Banski

Der Bundestagsabgeordneten der CDU kommt angesichts der Äußerungen ihres Parteivorsitzenden keine einfache Aufgabe zu. In ihrem Redebeitrag unterstreicht Kerstin Radomski die Wichtigkeit des Erinnerns an vergangene Verbrechen und die Opfer des Holocausts sowie des täglichen Engagements für die Aufrechterhaltung von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. „Es eint uns der Wille, die Demokratie und Freiheit zu stärken“, so Radomski.

AfD-Veranstaltung in Moers: Bündnis ruft erneut zur Demonstration auf

Auf die Forderungen der Bundesspitze ihrer Partei geht die Bundestagsabgeordnete hingegen nicht ein. „Das ist ein ganz fatales Zeichen“, findet Yvonne Heinz, Teilnehmerin der Kundgebung. Sie habe die CDU per E-Mail gestern bereits kontaktiert, um anzufragen, ob Herr Merz nicht direkt in die AfD eintreten wolle. Für ihre Freundin Sabine Arican-Kellerhoff war die Teilnahme an der Kundgebung ebenfalls unerlässlich. „Viele, von denen ich dachte, sie wären eher links oder demokratisch, die zeigen jetzt auch eine rechte Seite“, äußert sie. 

Für Demokratie, gegen Rechtsextremismus: In Moers gab es am 25. Januar erneut eine Kundgebung.
Für Demokratie, gegen Rechtsextremismus: In Moers gab es am 25. Januar erneut eine Kundgebung. © FUNKE Foto Services | Karl Banski

„Es ist noch Luft nach oben, aber ich bin immer wieder froh, dass so viele Moerserinnen und Moerser kommen“, bilanziert Hajo Schneider. Über die Beteiligung der drei Bundestagsabgerodneten Ulle Schauws (Die Grünen), Kerstin Radomski (CDU) und Jan Dieren (SPD) zeigt sich der Organisator ebenfalls glücklich. Für Samstag, 8. Februar, um 11 Uhr ruft „Moers ist Bunt, nicht Braun“ zu einer erneuten Demonstration auf: Der Kreisvorsitz der AfD hat eine Wahlkampfveranstaltung am Königlichen Hof angemeldet. Für Schneider ist klar: „Das können wir nicht unkommentiert so stehen lassen.“

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