Berlin. Der CDU-Chef kündigt Anträge zur Migrationspolitik im Bundestag an – und nimmt dabei eine Unterstützung der Rechtsaußen-Partei in Kauf.

Der tödliche Messerangriff in einem Park in Aschaffenburg hat nun auch dramatische politische Folgen: Die Union will kommende Woche im Bundestag Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik stellen und dabei ausdrücklich auch eine Unterstützung der AfD in Kauf nehmen.

„Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus“, sagte Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz am Freitag in Berlin. Die Union werde Anträge einbringen, die ausschließlich ihrer Überzeugung entsprechen. „Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt.“ In Aschaffenburg hatte ein Afghane am Mittwoch in einem Park zwei Menschen erstochen, drei weitere wurden bei dem Angriff verletzt.

Statement Merz zu Aschaffenburg
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) plant im Falle eines Wahlsieges ein „faktisches Einreiseverbot“ für Ausländer, die keine Erlaubnis für einen Grenzübertritt haben. Kommende Woche will die Union Anträge zur Verschärfung des Migrationsrecht in den Bundestag einbringen. © DPA Images | Hannes P Albert

Merz‘ Vorgehen wirft die Frage auf, wie ernst es die Union noch mit der selbst errichteten Brandmauer zur in weiten Teilen rechtsextremen AfD meint. AfD-Chefin Alice Weidel hatte Merz am Donnerstag nach dem Anschlag von Aschaffenburg eine Zusammenarbeit „zur Einleitung der überfälligen Migrationswende“ angeboten.

Weidel schrieb in einem offenen Brief: „Lassen Sie uns ohne weiteres Zögern die erforderlichen Beschlüsse fassen, um in die Tat umzusetzen, was die Bürger jetzt mit Recht von der Politik erwarten.“ Die kommende Sitzungswoche des Bundestages biete dafür eine Gelegenheit, die nicht ungenutzt verstreichen dürfe.

Merz selbst sagte am Freitag, seine Haltung zur AfD sei klar: „Wir arbeiten mit dieser Partei nicht zusammen.“ Das bedeute, dass man mit ihr keine Koalition eingehe und im Bundestag nicht über Anträge verhandele. Die Union werde auch keinem AfD-Antrag zustimmen.

Merz legt sich fest: Keine Kompromisse in Regierung unter meiner Führung

Noch ist unklar, was genau in den Anträgen stehen soll, die die Union unter Merz‘ Führung im Bundestag stellen will. Der Kanzlerkandidat hatte allerdings nach dem Messerangriff von Aschaffenburg einen „Fünf-Punkte-Plan“ zur Migrationspolitik präsentiert, der sich im Kern mit Festlegungen im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU deckt. Er will nach der Wahl auch keine Koalition eingehen, die diese Pläne nicht umsetzt. So hat sich die Union vorgenommen, illegale Einreisen nach Deutschland komplett zu stoppen: Alle Personen, die kein Recht auf Einreise haben, sollen an den Grenzen zurückgewiesen werden und gar nicht erst die Möglichkeit bekommen, hierzulande einen Asylantrag zu stellen.

Die Union könnte nun in Entschließungsanträgen die noch amtierende Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auffordern, entsprechende Schritte einzuleiten. Unklar ist, ob über derartige Anträge noch abgestimmt würde. Die vorgezogenen Bundestagswahlen finden in vier Wochen statt. CDU/CSU und AfD verfügen im bisherigen Parlament zusammen über keine Mehrheit. Allerdings fordern auch die FDP und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine deutlich härtere Gangart in der Migrationspolitik.

FDP-Chef Christian Lindner sagte dieser Redaktion mit Blick auf die Merz-Ankündigung: „Wir kennen noch nichts im Einzelnen. Sinnvollen Vorschlägen stimmt die FDP jedoch in der Regel zu. Wenn es hier eine Möglichkeit gibt, Gutes zu bewirken, dann machen wir das.“ Lindner ergänzte: „Rot-Grün täten gut daran, sich ebenso an sinnvollen Vorhaben zu beteiligen – in der Ampel-Koalition waren sie allerdings immer der Bremser.“ Auch BSW-Chefin Wagenknecht zeigte sich offen, noch vor der Wahl Anträgen der Union zur Migrationspolitik zuzustimmen.

Nach tödlichem Angriff in einem Park in Aschaffenburg
Zahlreiche Kerzen stehen an dem Park in Aschaffenburg, in dem am Mittwoch zwei Menschen bei einem Messerangriff starben und drei schwer verletzt wurden. Der Täter stammt aus Afghanistan. © DPA Images | Daniel Vogl

Grünen-Kanzlerkandidat und Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte dieser Redaktion: „Nach dem Bruch der Ampel hat Friedrich Merz im Bundestag selber den Vorschlag unterbreitet, auch in dieser Phase des Übergangs nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten.“ Auch für die Zeit nach der Wahl habe Merz immer wieder betont, dass es keine Zusammenarbeit der CDU unter seiner Führung geben werde und er sein Schicksal als Parteivorsitzender daran knüpfe. Habeck betonte: „Ich nehme Friedrich Merz beim Wort, dieses Wort darf nicht gebrochen werden – ich fürchte nur, Friedrich Merz steht kurz davor, das zu tun.“

Unabhängig von der Debatte über den Umgang mit der AfD hatten Fachleute bereits in der Vergangenheit erhebliche Zweifel daran geäußert, ob sich die migrationspolitischen Vorstellungen der Union rechtlich überhaupt umsetzen lassen und Ausländer ohne gültige Papiere an den Landesgrenzen ohne Prüfung ihres Anliegens systematisch zurückgewiesen werden können. Denn in Deutschland gilt das Grundrecht auf Asyl. Außerdem ist die Bundesrepublik in das europäische Asylsystem eingebunden, das sich nicht einseitig aufkündigen lässt – beides erfordert, dass ein Antrag zumindest geprüft wird.

SPD: Die Union schadet dem geeinten Europa

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese warf Merz am Freitag vor, „die Axt an ein geeintes Europa“ zu legen. Nationale Alleingänge ließen sich nur schwer begründen und könnten genau das Gegenteil erreichen – „nämlich, dass andere Mitgliedstaaten sich durch geltendes Recht auch nicht mehr gebunden fühlen und zum Beispiel Schutzsuchende einfach unregistriert durchleiten“. Der Bundespolizei fehle es für dichte Grenzkontrollen auch an Personal. Die bereits bestehenden Kontrollen seien überdies bereits sehr wirkungsvoll.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wiederum machte deutlich, dass sie flächendeckende Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen für nicht durchsetzbar hält. „Wir haben eine Länge von 3.800 Kilometern Binnengrenzen. Wir sind mit der Art und Weise der Grenzkontrollen, die wir jetzt schon betreiben, am Rande des Machbaren“, sagt der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, dem MDR. Für Merz‘ Pläne seien „nicht nur Hunderte, sondern Tausende Kollegen mehr“ nötig.