Kreis Wesel. Die Krankenkasse AOK hat ihren aktuellen Report vorgestellt. Im Kreis Wesel gibt es mehrere Auffälligkeiten bei der Gesundheitsversorgung.

Wie steht es um die Gesundheitsversorgung im Kreis Wesel? Dieser Frage will die Krankenkasse AOK mit ihrem jährlichen Gesundheitsreport auf den Grund gehen. Sie hat dafür die relevanten Daten ihrer rund 90.000 Versicherten zwischen Moers, Xanten, Dinslaken und Wesel ausgewertet und will damit einen Beitrag zur Diskussion um die Versorgung in der Region leisten und Lücken und strukturelle Probleme im Gesundheitswesen aufzeigen.

Ein Fokusthema des Reports, den die Verantwortlichen der Regionaldirektion Wesel nun vorgestellt haben, ist die kinderärztliche Versorgung im Kreisgebiet – diese unterscheidet sich je nach Wohnort deutlich. Im Jahr 2022 (auf dieses Jahr beziehen sich die meisten Daten) hatten der Auswertung zufolge mehr als ein Drittel der Kinder- und Jugendlichen in Rheinberg, Xanten, Sonsbeck und Alpen eine Anfahrtszeit von mehr als 20 Minuten zur Kinderarztpraxis.

In Neukirchen-Vluyn und Kamp-Lintfort musste beinahe jeder zehnte und in Schermbeck, Hünxe, Hamminkeln und Voerde sogar beinahe jeder zwölfte junge Patient mehr als 20 Minuten Fahrtzeit zum Kinderarzt auf sich nehmen. Anders sieht es in den drei größten Städten aus: In Wesel war das bei 6,8 Prozent und in Moers bei 7,4 Prozent der jungen Patientinnen und Patienten der Fall. Dinslaken kann hier die besten Zahlen aufweisen. Hier war nur für 4,7 Prozent der Mädchen und Jungen der Weg zum Arzt oder zur Ärztin besonders weit.

Im Kreis Wesel sind 36,5 Hausarzt-Stellen unbesetzt 

Allerdings: „Viele Kinder werden mittlerweile beim Hausarzt mitversorgt“, sagt AOK-Regionaldirektor Manrico Preissel. Im Kreis Wesel sind es 18,6 Prozent der AOK-Versicherten. Zum Vergleich: In Düren werden 30,7 Prozent der Kinder in Hausarztpraxen versorgt und in Mettmann lediglich 9,9 Prozent. Grund für die Besuche in hausärztlichen Praxen kann die mangelnde Versorgung durch Kinderarztpraxen sein. Allerdings ist der Kreis Wesel, wenn es darum geht, laut den offiziellen Zahlen der Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein zu 107,9 Prozent versorgt – bei lediglich einem verbleibenden freien Sitz für Kinder- und Jugendärzte.

Im Kreisgebiet gilt nach den aktuellen Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) entweder der Versorgungsgrad 100 bis 110 Prozent, sprich weder Unter- noch Überversorgung oder 75 bis 100 Prozent, was eine drohende Unterversorgung bedeutet. Am besten aufgestellt sind hierbei Wesel und Hamminkeln mit einem Versorgungsgrad von 104,3 Prozent und das Schlusslicht bilden Neukirchen-Vluyn mit 86,3 Prozent und Xanten mit 81,9 Prozent. Im Kreis Wesel sind laut Bedarfsplan 36,5 Arztsitze frei.

Menschen im Kreis Wesel sind laut AOK eher Vorsorgemuffel

Als problematisch erachtet Manrico Preissel die Zahlen rund um die Vorsorge, die hier immer wieder auffallen und sich, wie er sagt „nicht verbessern“. Nur 44,6 Prozent der Frauen über 35 im Kreis Wesel nehmen den regelmäßigen Gesundheits-Check-up wahr. Bei den Männern ist der Anteil mit 39,7 Prozent noch alarmierender.

Noch extremer sind aber die Ergebnisse rund um die Krebsvorsorge. Von den Frauen ab 20 Jahren gehen 33,1 Prozent regelmäßig zur Früherkennungsuntersuchung, was sogar noch knapp über dem Rheinland-Mittel von 32,1 Prozent liegt. Bei den Männern ab 45 Jahren sind es jedoch lediglich 14,4 Prozent. „Das ist katastrophal“, meint Manrico Preissel. „Damit liegt der Kreis Wesel auf dem letzten Platz im Rheinland.“

AOK-Referent Volquart Stoy und der Regionalleiter der Regionaldirektion Kleve-Wesel, Manrico Preissel, präsentieren die Ergebnisse der Auswertungen.
AOK-Referent Volquart Stoy und der Regionalleiter der Regionaldirektion Kleve-Wesel, Manrico Preissel, präsentieren die Ergebnisse der Auswertungen. © NRZ Wesel | Hannah Klimek

Der Gesundheitsbericht 2024 der AOK Rheinland/Hamburg konzentriert sich unter anderem auch auf die Versorgungssituation von Versicherten mit chronischen Erkrankungen im Kreis Wesel. 9,7 Prozent der Kreisbevölkerung unter 30 leiden an koronaren Herzerkrankungen und wie der Bericht zeigt, nimmt nur rund die Hälfte dieser Patienten an einem strukturierten Behandlungsprogramm teil.

9,1 Prozent der AOK-Patienten über 50 Jahre leiden im Kreis Wesel an Vorhofflimmern. Diese Herzrhythmusstörung lässt Blutgerinnsel entstehen, die die Gefahr für einen Schlaganfall deutlich erhöhen. Mit der Anzahl von an Vorhofflimmern erkrankten Versicherten und mit der Häufigkeit von daraus resultierenden Schlaganfällen (7,5 Prozent) liegt der Kreis Wesel über dem Rheinland-Mittel.

Bessere Organisation für ambulante Versorgung

Ein weiteres Thema des Reports ist die ambulante Notfallversorgung. Außerhalb der Öffnungszeiten der Arztpraxen steht den Patienten der Bereitschaftsdienst der KVNO, der in sogenannten Portalpraxen direkt in Krankenhäusern in Wesel, Dinslaken und Moers eingerichtet ist, zur Verfügung. Während der Öffnungszeiten der Portalpraxen gab es im Kreis Wesel durchschnittlich 21 Notfälle je 100 Versicherte. Mehr als die Hälfte (56,6 Prozent) davon wurden in der Notfallambulanz der Krankenhäuser versorgt.

„Der Gesundheitsreport zeigt auch in diesem Jahr wieder deutlich, wie sehr sich die Versorgungssituation in den Städten und Kreisgebieten unterscheidet“

Manrico Preissel
AOK-Regionaldirektor

Die Auswertungen des Gesundheitsreports zeigen, dass es für medizinische Laien schwierig ist, akute Beschwerden richtig einschätzen zu können. Das sorge für volle Wartezimmer in den Notaufnahmen. Auch deshalb spricht sich die AOK für die anstehende Reform zur Notfallversorgung aus. Die Bundesregierung will Rettungsdienste und Krankenhaus-Notaufnahmen entlasten. Künftig sollen „Integrierte Notfallzentren“ darüber entscheiden, ob Patienten, die in die Notaufnahme kommen, ambulant oder stationär behandelt werden.

„Der Gesundheitsreport zeigt auch in diesem Jahr wieder deutlich, wie sehr sich die Versorgungssituation in den Städten und Kreisgebieten unterscheidet“, so Manrico Preissel. „Die Ergebnisse sind eine fundierte und wertvolle Grundlage für Diskussionen rund um die Versorgung in den Regionen.“