Kamp-Lintfort. Heike Schönfeld kümmert sich um verletzte Igel. Sie sieht, was Garten-Maschinen anrichten. Welche Wege sie vorschlägt, um die Tiere zu schützen.
H93 hat noch keinen Namen. „Das ist ein ganz lieber Kerl“, sagt Heike Schönfeld. Obwohl im Tagschlaf gestört, ist der Igel nicht ungehalten und lässt sich zappelfrei fotografieren. Als Model taugt er allerdings derzeit nicht unbedingt. Ein Mähroboter hat ihm das Gesicht zerfetzt. Langsam heilen die Wunden. Einen Namen bekommt das Stacheltier, wenn ein Pate gefunden wird, der 30 Euro dafür zahlt. Ein günstiger Einstiegspreis, denn so ein geschundener Igel verschlingt schnell 250 bis 300 Euro an Tierarztkosten.
Und es werden immer mehr Opfer der Gartenhelfer, die bei Heike Schönfeld und ihren Mitstreiterinnen landen. Allein im letzten Jahr, als die Tierschützerin alles für eine Forschungsarbeit aufgeschrieben und dokumentiert hat, waren es bei ihr 65 von 240 Igeln. Mit den typischen Verletzungen. Der Mähroboter greift frontal an. Wenn sich der Igel dann einrollt, erwischt der Apparat oft auch noch das Hinterteil. Leeloos Gesicht ist eigentlich schon wieder ganz schön. Seit Anfang Juni sitzt das Igelmädchen bei Heike Schönfeld im Keller. Aber die Wunde am Rücken will und will nicht heilen. Vorher kann sie aber nicht wieder ausgewildert werden. Die Forschungsarbeit habe übrigens ergeben, so erzählt die Igelfreundin, dass die Zahl der verletzt aufgefundenen Tiere in genau dem gleichen Maße ansteigt wie die Zahl der verkauften Roboter.
Motorsensen sind oft noch schlimmer als Mähroboter
Motorsensen fräsen sich meist von der Seite ins Fleisch der Igel. Jüngst musste eines der Tierchen sofort erlöst werden. Der Freischneider hatte das halbe Gesicht abgetrennt. Furchtbare Anblicke, die Heike Schönfeld ertragen muss. Vor allem in den Sommermonaten. Und wenn die verletzten Igel nicht sofort gefunden werden, dann sitzen sie binnen Stunden voller Maden.
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Motorsensen findet Heike Schönfelder eigentlich noch schlimmer als Mähroboter. „Die machen einen Höllenlärm. Und es kommt immer drauf an, wer am anderen Ende des Gerätes ist“, sagt die Kamp-Lintforterin. „Vom Pappelsee bekomme ich nie Igel“, erzählt die Tierfreundin, „da funktioniert das.“ Dort ist das städtische Grünflächenamt unterwegs. Aber es gebe eben auch Gartenbetriebe, bei denen ohne Rücksicht auf Verluste alles niedergesenst werde, was zuvor wochenlang Tiere angelockt hat. „Warum muss das völlig platt gemacht und direkt bis zum Boden abgeschnitten werden? Warum kann nicht eine Schonhöhe eingehalten werden?“ Eine Frage, die ihr bisher niemand überzeugend beantworten konnte.
Das Igelnest Pappelsee
Das Igelnest Pappelsee ist kein eingetragener Verein. Dafür fehle einfach die Zeit, sagt Heike Schönfeld. Vier Pflegestellen gibt es. Darüber hinaus gibt es Päppelstellen, wo sich Ehrenamtliche um Igel kümmern, die nicht mehr akut krank sind, sondern bald ausgewildert werden können. Finanziert wird das Projekt über Spenden. Ein Teil des Geldes wird über einmalige Namens- oder Pflegepatenschaften generiert. Wer einen verletzten Igel findet: 0160 20 20 870. Dass Igelnest Pappelsee ist auch auf Facebook unterwegs.
Dabei hegt die Igelschützerin durchaus einen Hauch von Verständnis für den Einsatz von Mährobotern. „Wir wollen es doch alle bequem haben“, sagt sie. Aber: „Wenn ich keine Lust auf Gartenarbeit habe oder keine Zeit dafür – warum ziehe ich dann nicht in eine Eigentumswohnung mit Terrasse?“, fragt sie sich immer wieder. Und dann hat sie ausgemacht, dass selbst in Handtuchgärten Roboter ihre Kurz-Arbeit verrichten. „Ich weiß nicht, ob das jetzt der Trecker des kleinen Mannes ist“, schimpft sie. Scheint jedenfalls sehr in Mode zu sein, so ein Ding zu besitzen. Oft sind es die günstigen aus dem Discounter, weiß Heike Schönfeld. Die kosten zwischen 200 und 400 Euro und seien ohne Tierschutz. Die mit Tierschutz kosten nach ihrer Aussage schnell das Fünffache. Dann sind sie mit Kamera, Infrarot und GPS ausgestattet, erkennen Hindernisse und halten an, sagt Schönfeld.
„Viele Leute gehen da blauäugig ran“, ist die Igel-Päpplerin sicher. „Die finden im Garten kein Blut, keinen Kadaver. Die sehen ja nicht, was für ein Massaker der Roboter in der Nacht angerichtet hat.“ Dabei wäre schon mal viel geholfen aus ihrer Sicht, wenn die Maschinen nur tagsüber liefen. Da schlafen die meisten Igel friedlich in ihrem Nest. Obwohl: Jetzt im Sommer seien auch schon mal neugierige Igel-Babys tagsüber unterwegs. Vielleicht für manchen zuviel verlangt: Aber bevor der Mäher angeschmissen wird, einmal den Garten abchecken. Das fänd‘ Heike Schönfeld schön. Und wenn dann der Roboter nicht bis unter Hecken und Büsche fährt, ist viel gewonnen. Das Argument vieler Roboter-Besitzer, mit denen Heike Schönfeld gern und beherzt diskutiert, für die „Nachtarbeit“ des elektrischen Helferleins: Tags spielen die Kinder im Garten. Auch gern genommen: Mähroboter seien gar nicht so gefährlich. Komisch nur, dass diese Menschen Schönfelds Vorschlag nicht annehmen: „Dann ziehen Sie doch die Schuhe aus und stellen sich davor.“
Erstmal genau darüber nachdenken
Wer sich unbedingt einen Mähroboter anschaffen wolle, der solle sich im Vorfeld viele Gedanken machen, rät die Expertin für Igelschutz. Ob nicht vielleicht der Schüler von nebenan die günstigere Alternative fürs Rasenmähen sei, zum Beispiel. Auch, ob das Wunschmodell richtig motorisiert ist, gilt es zu bedenken. „Sonst muss der Tag und Nacht laufen, um die Fläche überhaupt zu schaffen.“
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Der beste Mähroboter aber ist aus Heike Schönfelds Sicht der, der nicht verkauft wird. Denn der aktive Roboter häcksle nicht nur Igelgesichter, sondern auch Käfer oder Blindschleichen oder auch einen Amsel-Nestling, den die Mutter am Boden füttert. „Für die Tierwelt ist so ein Ding ein Fluch.“ Und H94 wird nicht lang auf sich warten lassen.