Kamp-Lintfort. In einer Krise müssen Kinder schnell in Sicherheit gebracht werden. Doch es gibt zu wenig Anlaufstellen. Was das Kamp-Lintforter Jugendamt sagt.
Das Schicksal der beiden kleinen Kamp-Lintforter Mädchen, die von ihren Eltern massiv vernachlässigt wurden, hat viele Menschen bewegt. Vor Schlimmerem bewahrt hat die Kinder womöglich der Entschluss der Mitarbeiterinnen des Allgemeinen Sozialen Dienstes, die beiden aus der Familie zu nehmen. Ein Fall, der selten vorkommt, aber die Zahlen steigen.
Das bestätigt Jugendamtsleiterin Lydia Kiriakidou. „In 2023 gab es 19 durchgeführte Inobhutnahmen, in diesem Jahr sind wir jetzt schon bei 14.“ Den 19 Inobhutnahmen im vergangenen Jahr stehen 349 Hinweise auf Kindeswohlgefährdung gegenüber. Über die aktuellen Zahlen hat die Amtsleiterin noch keinen Überblick, aber, ja, „gefühlt werden es mehr“. Das führt sie auf eine größere Sensibilisierung der Menschen zurück, die öfter mal genauer hinschauen würden. Hinweise gebe es unter anderem von Schulen, Kitas, Ärzten, Nachbarn, manche kämen auch anonym beim Sozialen Dienst an. Nicht alle Hinweise bräuchten eine umgehende Bearbeitung, aber bei manchen müssten die Mitarbeiterinnen sofort, auch nachts raus.
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Oberstes Ziel sei es immer, die Kinder in der Familie lassen zu können, wenn es mit ausreichenden Hilfen vertretbar ist. Dies aber, so betont Kiriakidou, sei nicht im Zusammenhang zu sehen, dass es Probleme geben könnte, ein Kind in einer Einrichtung unterzubringen. Zumindest für eine kurzfristige Sicherung der Kinder habe die Stadt Kamp-Lintfort eine Schutzstelle als Vertragspartner, die direkt angesteuert werden kann. Den Namen des Partners nennt sie nicht, weil manche Eltern nicht einverstanden seien mit einer Inobhutnahme und vor Ort versuchen könnten, ihr Kind wiederzuholen.
Aber ab da werde es - wie auch von anderen Kommunen berichtet - aktuell wirklich schwierig. „In einem Fall haben wir wirklich 200 Einrichtungen abtelefoniert, bevor wir etwas gefunden haben“, berichtet die Amtsleiterin. Besonders problematisch werde es bei Kindern mit sogenanntem „herausfordernden Verhalten“. Dazu gehört unter anderem auch aggressives Verhalten.
Hier gibt es Hilfe
Zu den Aufgaben des Sozialen Dienstes gehören Hilfen zur Erziehung, Trennungs- und Scheidungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe und Allgemeine Förderung der Erziehung.
Sollte man sich als Mutter, Vater, Kind oder Jugendlicher in einer familiären Notfallsituation befinden, so erreicht man innerhalb der Dienstzeiten (montags bis donnerstags 8 bis 16 Uhr und freitags 8 bis 13 Uhr) unter den Notrufnummern immer einen Mitarbeiter des Jugendamtes der Stadt Kamp-Lintfort. Unter dieser Nummer können auch mögliche Kindeswohlgefährdungen mitgeteilt werden. Notrufnummern: 0173 / 5 20 49 37 (Altes Rathaus) und 0162 / 2 50 50 59 (Eichendorffstraße). Außerhalb der Dienstzeiten wendet man sich an die örtliche Polizeidienststelle. Von dort wird Kontakt zum Bereitschaftsdienst des Amtes für Schule, Jugend und Sport aufgenommen. Quelle: Stadt Kamp-Lintfort
Ob ein Kind aus einer Familie genommen wird, sei immer eine Entscheidung nach dem Mehraugenprinzip. Auch das Kind selbst werde angehört, sofern es schon groß genug ist, die Situation zu erfassen. Ebenso würden Einschätzungen von Schule und Kita eingeholt. Manchmal könne eine sozialpädagogische Familienhilfe Probleme besser lösen, als die Herausnahme aus der Familie, oder wenn die Oma das Kind vorübergehend zu sich nimmt.
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Dass sie keine steigende Anzahl von Überlastungsanzeigen in ihrem Bereich feststellen muss, führt Lydia Kiriakidou darauf zurück, dass in Kamp-Lintfort vor allem „sehr versierte Kräfte“ unterwegs seien. „Bei Neueinsteigern kommt die Überforderung schneller“, ist die Amtsleiterin sicher. Denn dass dieser Arbeitsbereich „herausfordernd“ sei, da ist sie sicher: „Da braucht man schon ein dickes Fell.“ Dem versuche man entgegenzuwirken, mit Supervision, Fortbildung und auch mit psychologischer Unterstützung. Der Allgemeine Soziale Dienst besteht aus zwei Teams und hat 14 Mitarbeitende, von denen nicht alle in Vollzeit arbeiten.