Kamp-Lintfort. Wegen sexueller Nötigung stand ein Mann aus Kamp-Lintfort vor Gericht. Nun ist der tränenreiche Prozess zu Ende gegangen – mit diesem Ergebnis.

Wie schon beim Prozessauftakt kämpfte Thomas H. auch während der Verlesung der Plädoyers immer wieder mit den Tränen. Der Angeklagte aus Kamp-Lintfort bereue es „unendlich“, dass er in der Nacht zum 12. September vergangenen Jahres laut Aktenlage betrunken in die Wohnung seiner schlafenden Ex-Freundin eintrat, sich dort entblößte und sie gegen ihren Willen zum Oralverkehr zwingen wollte. Als sich die Frau wehrte, schlug er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Nur weil die 53-Jährige in die Küche flüchten und sich dort mit einem Messer bewaffnen konnte, entging sie einer Vergewaltigung. Die mit tränenerstickter Stimme vorgetragenen Entschuldigungsversuche schützten den 54-Jährigen nicht vor einer Verurteilung: Drei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung, so lautet das Urteil, welches die auswärtige große Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers am Mittwochnachmittag gefällt hat.

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Mit seinem Urteil liegt das Schöffengericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Anklage kam nach der Beweisaufnahme zu dem Schluss, eine Haftstrafe von vier Jahren wäre Tat und Schuld angemessen. Der Staatsanwalt gab der Kammer zu Bedenken, man solle eine anschließende Sicherungsverwahrung prüfen. Im Jahr 1999 war der 54-Jährige schon einmal wegen Vergewaltigung verurteilt worden. Und 2018 erhielt er eine vierjährige Gefängnisstrafe, weil er seiner damaligen Lebensgefährtin mit einem Baseballschläger auf den Kopf schlug. Die strafrechtliche Biografie des Kamp-Lintforters würde genauso wie die Tat im September 2023 „gute Gründe“ für eine längerfristige Sicherungsverwahrung über die Freiheitsstrafe hinaus liefern.

Sexuelle Nötigung in Kamp-Lintfort: Geschädigte leidet bis heute unter der Tat

Diesem Wunsch kamen die drei Richter und zwei Schöffen nicht nach. Ihnen liege es fern, bei Thomas H. von einem „Gewohnheitstäter“ zu sprechen. Stattdessen ordnet die Kammer die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. „Wenn Sie den Alkohol nicht in den Griff bekommen, besteht Anlass zur Annahme, dass es zu weiteren solcher Taten kommt“, mahnt der Vorsitzende Richter Barb. „Wir sehen aber Anhaltspunkte dafür, dass Sie das mit dem Maßregelvollzug hinbekommen können.“ Auf diesem Wege habe sich H. vor einigen Jahren bereits von einer Heroinsucht loslösen können.

Die Rechtsanwältin, welche die Geschädigte als Nebenklägerin vertrat, teilte das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß. Sie erinnerte daran, dass ihre Mandantin bis heute unter den Folgen der Nötigung leiden würde. Die 53-Jährige habe Todesängste erfahren, die in einer posttraumatischen Belastungsstörung mündeten. „Sie fühlt sich nirgendwo mehr sicher, nicht mal im häuslichen Umfeld. Und sie hat weder die Kraft, noch die finanzellen Mittel, um umzuziehen.“ Die Äußerung ihrer Phantasien, die auch sexuelle Rollenspiele mit Vergewaltigungsszenarien umfassten, sei nicht gleichbedeutend mit einer Einwilligung, so die Anwältin. Und ihre Suche nach einer Mitschuld sei ein typisches Verhalten für Opfer sexueller Übergriffe.

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Die Verteidigung des Angeklagten hatte keine Zweifel an der Tat selbst, sah den 54-Jährigen jedoch als schuldunfähig an. Mit einem Blutalkoholwert, der laut Gutachten zum Tatzeitpunkt bei bis zu 3,2 Promille gelegen haben muss, sei die Steuerungsfähigkeit aufgehoben. „Wir wissen nicht, was Herr H. sich dabei gedacht hat“, sagt der Anwalt mit Verweis auf den Filmriss seines Mandanten. Die Kammer urteilte, die Steuerungsfähigkeit sei zwar eingeschränkt, aber nicht aufgehoben gewesen. Schließlich gab Thomas H. während des Verfahrens an, sich an Schreie und Weinen seiner Ex-Freundin erinnern zu können. „Selbst 3,2 Promille sind für einen Alkoholiker, der den Konsum seit über 30 Jahren gewöhnt ist, kein sonderlich hoher Wert“, entgegnet Richter Barb.

Neben Haftstrafe und Entzugstherapie beschloss die Kammer ebenso, dass Thomas H. Schmerzensgeld in Höhe von 5000 Euro an seine Ex-Freundin zahlen muss. Bevor der Verurteilte in Handschellen aus dem Saal 106 des Moerser Amtsgerichts geführt wurde, hatten er und sein Verteidiger bereits angekündigt, sie würden das Urteil annehmen und auf eine Revision verzichten.