Kreis Wesel. Zufall oder Methode? Zum vierten Mal in Folge schließt der Haushalt mit einem Überschuss ab. FDP und SPD fordern Entlastung für Kommunen.

Die Kreisverwaltung wollte ihren Jahresabschluss eigentlich nur einbringen - ein reiner Verwaltungsakt, der meistens nur wenige Minuten dauert. Doch dann musste sich die Verwaltungsspitze im Weseler Kreistag einer Diskussion stellen, die sie lieber später geführt hätte — oder gar nicht. Der Grund: Wie in den drei Jahren zuvor schließt auch der Haushalt 2023 mit einem Überschuss ab, und das, obwohl der Kreis mit einem deutlichen Minus gerechnet hatte.

Dass statt eines geplanten Defizites von rund 22,4 Millionen jetzt ein Plus von 1,9 Millionen Euro zu Buche steht, erklärte Kreiskämmerer Karl Borkes mit Entwicklungen, die nicht absehbar gewesen seien, unter anderem durch Überschüsse im Sozialetat und hohe Bußgelderträge. Außerdem habe sich der Personaletat um 3,5 Millionen Euro verbessert, zudem hätten Förderungen in Höhe von rund sechs Millionen Euro Entlastungen gebracht.

Haushaltspolitik im Kreis Wesel: konservative Rechnung oder Methode?

Damit hat sich der Kreis zum vierten Mal in Folge zum Vorteil der eigenen Ausgleichsrücklage verplant. 12,2 Millionen, 9,9 Millionen, 18,8 Millionen und 1,9 Millionen Euro, zählte FDP-Kreistagsmitglied Rudolf Kretz-Manteuffel für die vergangenen vier Jahre auf. Allesamt positive Jahresabschlüsse, die mit einer negativen Prognose begannen.

Konservative und verlässliche Haushaltsbewirtschaftung, sagt der Kreis, Methode, vermutet die Opposition.

Die SPD nahm die These der FDP-Fraktion auf, dass es sich dabei um eine Art System handeln könnte. Beide Fraktionen forderten, dass die Kommunen nun endlich mit einem Teil der Ausgleichsrücklage entlastet werden. Diese steuere mittlerweile auf 70 Millionen Euro zu. Darum müsse man jetzt über eine Erleichterung für die Städte und Gemeinden sprechen. Zahlreiche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Kreis Wesel hatten im Frühjahr selbst eine Öffnung der Ausgleichsrücklage ins Spiel gebracht, um die Kommunen zu entlasten.

Im Zuge der Haushaltsberatungen für 2024 und 2025 hatte sich der Kreis gegen eine Ausschüttung eines Teils der Ausgleichsrücklage an die Kommunen ausgesprochen und stattdessen mit Stimmen von CDU und Grünen im Kreistag eine Senkung des Hebesatzes für die Kreisumlage auf vorläufig 35,95 Prozent auf den Weg gebracht. Landrat Ingo Brohl verwahrte sich jetzt im Kreistag gegen etwaige Vermutungen einer Systematik. „Wir haben kein kommunenfeindliches System“, sagte Brohl pikiert. Den Kommunen gehe es nicht schlecht, weil der Kreis eine hohe Ausgleichsrücklage habe, „sondern durch Unzulänglichkeiten auf Bundes- und Landesebene“. Der Landrat verwies auf eine „historisch niedrige Kreisumlage“, die man beibehalte und den Kommunen so Verlässlichkeit biete.

CDU-Fraktionschef Frank Berger warf SPD und FDP sichtlich genervt „Fundamentalopposition“ vor und lieferte sich ein Scharmützel mit seinem SPD-Amtskollegen Peter Paic. „Dass Sie sich jetzt in den Haushalt einbringen, ist putzig“, schließlich habe die SPD keinen konkreten Vorschlag zum Etat gemacht, warf Berger Paic vor. „Dann scheinen unsere Vorschläge zur Konsolidierung an Ihnen vorbeigegangen zu sein“, entgegnete Paic. Natürlich seien Überschüsse schön, „aber wir müssen uns überlegen, was wir damit machen“. Zumal ein Haushalt keine Gewinne machen dürfe, sagte FDP-Mann Kretz-Manteuffel, der eine klare Meinung hatte. Angesichts der auffällig guten Abschlüsse der vergangenen vier Jahre „müssen Sie die Diskussion schon aushalten“.

Der für den in aller Regel recht nüchternen Kreistag ungewöhnlich offensiv geführte Diskurs könnte ein erster Gradmesser für die kommenden Gespräche über die Verwendung des Überschusses gewesen sein. Landrat Ingo Brohl sprach von einer „aufschlussreichen Ouvertüre“.