Kreis Wesel. Aufgeblähter Personaletat und Sparpolitik auf Kosten der Kommunen: Die SPD kritisiert Landrat, CDU und Grüne. Auch die FDP äußert sich klar.

In ungewohnter Deutlichkeit stellt sich die SPD-Fraktion gegen die Haushaltspläne der Kreisverwaltung und die Anträge von CDU und Grünen. „Ganz entschieden“ lehne man den Doppelhaushaltsentwurf für 2024/2025 sowie den Stellenplan der Kreisverwaltung ab, sagt Fraktionschef Peter Paic. Stattdessen beantragen die Sozialdemokraten einen Konsolidierungsplan bis zum Jahr 2030, an dem Kreis, Kommunen und Kreispolitik gemeinsam und auf Augenhöhe arbeiten sollen.

Die SPD ist davon überzeugt, dass der Haushaltsentwurf die finanzielle Notlage der Städte und Gemeinden immer weiter verschärft. Der Vorwurf: Der Kreis sitzt laut SPD „wie Dagobert Duck“ auf dem Geld und vermehrt es immer weiter, während die Kommunen sich gezwungen sehen, die Steuern zu erhöhen. Den Antrag von CDU und Grünen, die Kreisumlage zu senken und durch Kürzungen im Doppelhaushalt zu kompensieren, ohne die Ausgleichsrücklage zu belasten, wertet die SPD als Schönfärberei.

Der Landrat hat eine klare Teilschuld, wenn die Kommunen die Steuern erhöhen.
Peter Paic - Vorsitzender der SPD-Fraktion

Die Einsparungen von 8,3 Millionen Euro im Doppelhaushalt seien Makulatur, sagt Peter Paic, da die Kommunen nicht nur durch die Kreisumlage massiv belastet würden. Zum Beispiel durch die ÖPNV-Umlage, die eine drastische Mehrbelastung bleibe, auch wenn sie in beiden Jahren 2024 und 2025 in Summe falle. Für insgesamt sieben Kreiskommunen kommt außerdem noch die Jugendamtsumlage hinzu, die von 43,9 Millionen auf 49,3 Millionen Euro in diesem und weiter auf 52,3 Millionen Euro im nächsten Jahr steigen soll.

„Wie Dagobert Duck“: SPD-Fraktionschef Peter Paic wählt deutliche Worte für den Haushaltsentwurf des Kreises (Archivbild).
„Wie Dagobert Duck“: SPD-Fraktionschef Peter Paic wählt deutliche Worte für den Haushaltsentwurf des Kreises (Archivbild). © Wesel | Markus Weißenfels

Dass im Gegensatz dazu die Ausgleichsrücklage unangetastet bleiben soll, sei den Kommunen nicht zu erklären, sagt Peter Paic. Rund 66 Millionen Euro seien im vergangenen Jahr in der Rücklage gewesen. Paic und die SPD-Fraktion kritisieren in dem Zusammenhang die Finanzpolitik der Kreisverwaltung.

Der Grund: In den vergangenen Jahren hatte der Kreis mit Verlusten in Millionenhöhe gerechnet, die man durch die Rücklage hätte kompensieren müssen. Aber: Diese Verluste sind nicht eingetroffen, 2022 stand ein Überschuss von mehr als 18 Millionen Euro zu Buche, der in die Rücklage floss. „Wenn das so weitergeht, ist die Rücklage bald bei 100 Millionen Euro, während die Kommunen darben“, sagt Peter Paic, der Ingo Brohl anspricht: „Der Landrat hat eine klare Teilschuld, wenn die Kommunen die Steuern erhöhen.“

Dabei spielt laut SPD-Fraktion auch der Personaletat eine Rolle. Dieser soll im Doppelhaushalt 2024/2025 um rund 30 Millionen Euro steigen. Die Kritik der SPD: Der Stellenplan werde aufgeblasen, obwohl bereits klar sei, dass man nicht alle Stellen besetzen könne. Die dafür im Haushalt vorgesehene Summe werde nicht komplett abgerufen und fließe erneut in die Ausgleichsrücklage. Bei den Stellen, die besetzt werden können, schöpfe der Kreis außerdem Personal bei den Städten und Gemeinden ab, weil er höhere Gehälter zahle. Das belaste das Klima innerhalb der Kreisfamilie, so die Fraktion.

Haushalt im Kreis Wesel: CDU und Grüne wollen langfristige Stabilität

All diese Punkte machten eine grundsätzliche Neubetrachtung notwendig, so die SPD-Fraktion. Demnach soll der Landrat bis zur Kreistagssitzung im Juni dieses Jahres eine detaillierte Zeitplanung für eine Haushaltskonsolidierung bis 2030 vorlegen und für die Ausarbeitung eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Kreistagsfraktionen, der Kommunen und der Kreisverwaltung ins Leben rufen.

Ob der SPD-Antrag mehrheitsfähig ist, wird sich im Kreistag am Donnerstag, 21. März, zeigen. CDU und Grüne, die ihren fünf Punkte umfassenden Haushaltsantrag bereits vorgestellt haben, verfügen dort über eine Mehrheit.

Kritik an Ingo Brohl

Sowohl die SPD-Fraktion als auch FDP-Vize-Fraktionschef Hubert Kretz-Manteuffel sehen die Arbeit von Landrat Ingo Brohl kritisch. Er führe nicht und wisse auch nicht, wohin er den Kreis in den kommenden zehn Jahren führen solle, so Kretz-Manteuffel. Neue Ideen gebe es auch nicht. „Wenn man sieht, wie er 50 Jahre Kreis Wesel feiern will - das ist wie Biedermeier.“

SPD-Fraktionschef Peter Paic fragt vor allem hinsichtlich der Kostenexplosion beim Berufsschulcampus Moers, ob „der Landrat der Situation überhaupt gewachsen“ ist. Jetzt solle es eine Baugesellschaft geben, die mit neuen Strukturen einhergehe, dabei habe Dezernentin Svenja Reinert den Vorstandsbereich schon inne, so Paic. „Wir haben Kosten, aber keinen Nutzen“, sagt Paic weiter und fragt: „Wird das irgendwie mal kontrolliert?“

Und Schwarz-Grün argumentiert bekanntlich dagegen. Sie sehen die langfristige Stabilität schwinden, wenn man jetzt eine „kurzfristige Maximalentlastung“ der Kommunen durchsetzen würde. Außerdem, so CDU-Fraktionschef Frank Berger und Grünen-Amtskollege Hubert Kück, müsse man dafür sorgen, dass „der neue Kreistag arbeitsfähig“ bleibe.

2025 sind Kommunalwahlen, und wenigstens für das Jahr 2026 brauche man Planungssicherheit, sagt Frank Berger. Danach würden die Aussichten ohnehin ungenauer. Aus diesem Grund müsse die Ausgleichsrücklage geschont werden. Zumal die Lücke zwischen Ausgaben und Landeszuschüssen weiter wachse, so Berger weiter. Das Land unterlaufe das Konnexitätsprinzip. Man bekomme Geld für mehr Pflichtaufgaben, den Personalmehrbedarf daraus „bekommt man aber nicht mehr hundertprozentig gedeckt“. Die Sorge: Irgendwann wird sich die finanzielle Lage im Kreis ins Gegenteil verkehren.

CDU-Fraktionsvorsitzender Frank Berger plädiert dagegen für Planungssicherheit vor einer Maximalentlastung mit kurzfristigem Effekt.
CDU-Fraktionsvorsitzender Frank Berger plädiert dagegen für Planungssicherheit vor einer Maximalentlastung mit kurzfristigem Effekt. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Den Antrag von Schwarz-Grün, die Senkung der Kreisumlage durch einen globalen Minderaufwand, also Ausgabenkürzungen im Gesamtetat, aufzufangen, findet die FDP-Fraktion, anders als die SPD, richtig. Allerdings ist ihr der Betrag für die Kommunen zu niedrig. Statt 8,3 Millionen Euro in zwei Jahren fordert die FDP 8,2 Millionen allein für 2024 und weitere 13,2 Millionen Euro für 2025, die an die Städte und Gemeinden ausgeschüttet werden sollen.

Für jede Idee gibt es zusätzliche Stellen
Rudolf Kretz-Manteuffel - Stellvertretender FDP-Fraktionschef

Auch für die FDP gibt der hohe finanzielle Puffer des Kreises diese Mehrausgabe ohne weiteres her. „Das Geld in der Ausgleichsrücklage ist Wahnsinn“, sagt FDP-Fraktionschef Constantin Borges.

FDP-Fraktionschef Constantin Borges möchte, dass die Kommunen mehr Geld bekommen als von CDU und Grünen vorgesehen.
FDP-Fraktionschef Constantin Borges möchte, dass die Kommunen mehr Geld bekommen als von CDU und Grünen vorgesehen. © FUNKE Foto Services | Markus Weißenfels

Einsparungen im Haushalt sehen sie ebenfalls vor allem im Stellenplan des Kreises. Dem werde man, wie schon im vergangenen Jahr, nicht zustimmen, so Stellvertreter Rudolf Kretz-Manteuffel, der das Personaltableau im Kreis „völlig übertrieben“ nennt. „Für jede Idee gibt es zusätzliche Stellen.“ Die Verwaltung sei aufgebaut wie in den 50er-Jahren, als gäbe es keine Digitalisierung, so Kretz-Manteuffel, der sich damit auf einer Linie mit der SPD befindet, die dem Landrat ebenfalls fehlende Dynamik und Ideenlosigkeit vorwirft.

Dass der Stellenplan durchaus noch Kürzungspotenzial haben könnte, sehen allerdings auch CDU und Grüne. In ihrem Antrag für den Kreistag bitten sie, die Absenkung des Hebesatzes für die Kreisumlage „primär durch Effekte im Bereich des Personaletats“ darzustellen.