Kleve. Prinz Tim „der Rockende“: Im Interview erzählt der Jecken-Chef von seinem Schwanenfunker-Debüt im Karneval und die Vorteile von mangelnder Sicht.
Prinz Tim „der Rockende“ ist nicht nur das neue Oberhaupt aller Jecken und Narren im Klever Karneval, sondern auch ein Mann mit einer beeindruckenden Vita. Der 42-jährige gebürtige Materborner hat sich nach dem Abitur, einer Banklehre und einer ersten beruflichen Station im Bankwesen schließlich der Logistik verschrieben. Nach einem Studium in Venlo und vielfältigen beruflichen Stationen quer durch Deutschland ist er 2021 in seine Heimat zurückgekehrt und leitet heute die gesamte Logistik bei Essity (Jobst) in Emmerich.
Was ihn antreibt und welche Rolle der Karneval in seinem Leben spielt, erzählt er im großen NRZ-Interview.
NRZ: Herr Steffens, würden Sie sich als Klever Jung bezeichnen?
Tim Steffens (mit Blick auf ein großes Bild der Klever Schwanenburg an der Wand): Ja! Hier bin ich aufgewachsen. Wenn ich früher von der Sparkasse in Dinslaken über die A3 nach Hause gefahren bin und in Warbeyen die Schwanenburg gesehen habe, war ich glücklich.
Ist das Amt des Karnevalsprinzen für Sie der bisherige Höhepunkt Ihrer Verbundenheit mit Ihrer Heimatstadt? War es schon vorher ein Wunsch, einmal das närrische Amt zu übernehmen?
Ich war bisher zweimal in der Garde. Schon beim ersten Mal, 2010 als Standartenträger bei Prinz Michael, habe ich gedacht: „Wow, das ist meins, das finde ich super.“ Die Steigerung des Standartenträgers konnte dann nur Prinz sein. Dann habe ich mich für die Session 2018/19 beworben, da musste ich aber aus beruflichen Gründen zurückziehen. Dann habe ich nochmal Prinz Maarten als Standartenträger begleitet, es blieb aber die Ambition, Prinz zu werden.
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Die Liebe zum Karneval war schon immer da?
Überhaupt nicht! Als Kind bin ich mit meinen Eltern ein- oder zweimal zum Rosenmontagszug gegangen – fand ich fürchterlich! Wir waren dann die nächsten Jahre zu dieser Zeit immer im Skiurlaub. Bis ich so 15, 16 Jahre alt war. Da ging es dann mit Schulfreunden sonntags nach Hasselt. Statt Skiurlaub gab es ab dann Karneval. In den 2000er Jahren war ich auch oft mit meinen Eltern beim Sitzungskarneval – da haben wir nichts ausgelassen. Zu den Schwanenfunkern hatte ich den engsten Draht und habe immer gefragt, was ich tun muss, um mitmachen zu können. Passives Mitglied war keine Option, aber aktiv auf die Bühne wollte ich erstmal auch nicht. 2007 war dann Premiere bei den Chaoten als Blue Man.
Und es hat wahrscheinlich Spaß gemacht.
Es war mega! Von Vorteil war, dass ich damals noch Brillenträger war und unter der Maske nichts gesehen habe, denn die Brille durfte ich nicht aufsetzen.
Das 100-jährige Jubiläum der Schwanenfunker und gleichzeitig der 50. Prinz in der Klever Geschichte – was bedeuten diese Zahlen für Sie?
Der 50. Prinz ist eine Besonderheit, die mir erst gar nicht bewusst war. Das finde ich schon toll. Wichtiger ist für mich aber das 100-jährige Jubiläum der Schwanenfunker. Offiziell gewählt war ich ja eigentlich zum 99-Jährigen – hier hat mir Corona in die Karten gespielt und ich musste nochmal schieben.
„Diese Erfahrung ist einfach einzigartig und etwas ganz Besonderes im Leben. Es werden intensive Wochen, doch der Gedanke, so vielen Menschen Freude zu bereiten, macht es mehr als lohnenswert“
Wie vereint man als Karnevalsprinz das Berufliche und Private? Wie viele Termine muss man einplanen?
In der Regel bis zu 240 in der Session – und meine ist sehr lang. Es kommt auch ein bisschen darauf an, ob die Angst in Kindergärten und Seniorenheimen vor Corona-Ansteckung groß ist.
Der Zeitaufwand ist auf jeden Fall enorm, auch schon im Vorfeld. Im Bereich Sponsoring sind wir bereits seit April unterwegs. Hier ein großes Lob an die vielen Unternehmen, die bereit sind, den Klever Karneval zu unterstützen und ihn aufrechtzuerhalten. Aber nicht alle sind jederzeit zu erreichen, da muss ich mir auch schon mal Urlaub nehmen. Das kriegt man alles hin, wenn man einen Arbeitgeber hat, der das mitträgt. Einen bedeutenden Teil meines Jahresurlaubs werde ich im kommenden Jahr für den Karneval einsetzen – und das aus voller Überzeugung. Diese Erfahrung ist einfach einzigartig und etwas ganz Besonderes im Leben. Es werden intensive Wochen, doch der Gedanke, so vielen Menschen Freude zu bereiten, macht es mehr als lohnenswert. Diese unvergesslichen Momente mitzugestalten, ist eine Herzensangelegenheit, die ich sehr gerne auf mich nehme.
Karnevalskostüme sind oft nicht nur kostspielig, sondern auch aufwendig anzuziehen und in Schuss zu halten – ganz zu schweigen von den vielen Hemden, die gewaschen und gebügelt werden müssen. Wer unterstützt Sie?
Das ist tatsächlich als Single nicht ganz einfach. Ich kann das Kostüm nicht allein an- und ausziehen. Durch die Leiste mit Knöpfen im hinteren Teil funktioniert das einfach nicht. Nach der Proklamation am Samstag zum Beispiel war ich um 3 Uhr platt und wollte gerne nach Hause. War auch kein Problem – es musste mich aber jemand vorher aufknöpfen. Selbst die Kette ist hinten eingehakt – auch da gab es schon einen Kampf allein zu Hause. Nächtliche Waschaktionen durch Ketchup, Senf etc. kommen natürlich auch vor. Hier bin ich froh, dass ich Logistiker bin und organisatorisch denken kann.
Ein Logistiker mit dem Beinamen „der Rockende“ – wie passt das zusammen?
Wir haben gemeinsam überlegt, was zu mir passen würde. Jobtechnisch wäre es was mit Planen gewesen, das war aber auch schwer darzustellen und gefiel mir alles nicht. Ich hatte von vornherein schon den Gedanken, dass ich mal eine andere Musikrichtung haben wollte. Die Idee: ein Lied von Elvis. Ich mag die Musik und habe hier viele Berührungspunkte. „Jailhouse Rock“ finde ich mega cool. Wir haben das so hinbekommen, dass man es gut versteht. Damit bin ich total glücklich.
Beschreiben Sie Ihre Garde in wenigen Worten!
Meine gesamte Garde ist verrückt, ambitioniert, motiviert – rot und weiß in Ewigkeit. Ich freue mich einfach auf eine rockende Session mit meiner Garde. Man baut eine sehr starke Bindung auf, wenn man gerade wie in den letzten Wochen 18 Stunden am Tag aufeinander hängt. Mir war es auch wichtig, dass jeder mit jedem kann. Ob Gardefrauen, Tanzmädchen, Garde, Musiker oder alle zusammen. Der Karneval hat immer Freundschaften hervorgebracht und das ist auch in dieser Session so.
„Ich wünsche mir, dass wir wieder lernen, uns an Kleinigkeiten zu erfreuen, auch wenn es nur ein Lächeln ist“
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Klever Karnevals?
Ich glaube, dass wir in Zukunft weniger Vereine haben werden, die sich dann aber hoffentlich zusammenschließen, um ihre Kräfte, ihre Talente und ihren eigenen Sitzungskarneval zu bündeln. Was ich auch nicht schlimm finde, der Karneval sollte sich immer weiterentwickeln. Der gemeinsame Karnevalsgedanke – auch mit den anderen Tollitäten – wird immer wichtiger. Man muss sehen, ob man in Zukunft das, was die Leute sehen wollen, miteinander kombinieren kann. Büttenreden, Party, Tanzen.... Ich persönlich bin ein Fan der Büttenreden und auch des Klever Platts, das erhalten bleiben sollte – aber das ist jetzt subjektiv. Andere brauchen vielleicht mehr den Partycharakter.
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Haben Sie noch eine Botschaft an das Klever Narrenvolk?
Mir ist wichtig, dass wir in den nächsten Monaten mal die Tristesse des Alltags vergessen. Davon haben wir genug. Ich wünsche mir, dass wir wieder lernen, uns an Kleinigkeiten zu erfreuen, auch wenn es nur ein Lächeln ist. Dass wir es schaffen, mit unserem Karneval die Menschen zu erheitern. Ich freue mich umgekehrt auch über jedes Lächeln, das mir entgegengebracht wird.
Und: Ich wünsche mir Wertschätzung für die Servicekräfte. Ob nun Oktoberfest oder Karnevalssitzungen. Die Person, die den ganzen Tag läuft, damit ich einen schönen Tag habe, die bekommt nichts mehr, weil nicht mehr bar bezahlt wird. Das finde ich schade. Eine Wertschätzung, die ich dem Personal gerne entgegenbringen möchte. Vielleicht also einfach den ein oder andern Euro wieder an Ort und Stelle übergeben.