Goch. Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, Fahrradfahrer wieder aus der Voßstraße zu verbannen. Wie die Politik damit umgeht, überrascht doch ziemlich.

Das Problem an nicht eindeutigen Ergebnissen ist, dass sie viel Interpretationsspielraum zulassen: Das haben nicht nur die jüngsten Landtagswahlen in Ostdeutschland gezeigt. Das zeigt zurzeit auch der Verkehrsversuch „Freigabe der Fußgängerzone für den Radverkehr“ in der Gocher Innenstadt.

Der Test liefert nach einem Jahr kein eindeutiges Ergebnis

Ziel des seit September 2023 laufenden Experiments war es, herauszufinden, ob es sinnvoll wäre, das (rücksichtsvolle) Radeln durch die eigentlich für Zweiradfahrer gesperrte Fußgängerzone zu erlauben. Unter anderem sollte dadurch auch der Schulweg für dutzende Kinder und Jugendliche sicherer gemacht werden. Zudem war die Hoffnung, dass eine Freigabe zu einer Belebung der Gastronomie und des Einzelhandels führen werde.

Nach über einem Jahr, 550 Rückmeldungen aus der Bevölkerung sowie 43 Stellungnahmen der Einzelhändler ergibt sich noch immer kein klares Meinungsbild. Knapp die Hälfte spricht sich für eine dauerhafte Freigabe aus, gut die Hälfte votiert dagegen.

Gocher Ordnungsamt sieht ein „hohes Konfliktpotenzial“

Wolfgang Peiter, der Fachbereichsleiter für Bauen und Ordnung bei der Stadt Goch, schildert die Situation so: „Es gibt sehr viele Radfahrer, die sich sehr gut verhalten. Einige schieben sogar ihr Fahrrad, wenn es eng wird. Wir müssen also nicht so tun, als ob das nicht vernünftig möglich ist.“ Dann fügte er aber hinzu: „Es gibt aber auch eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Leuten, die sich nicht angemessen verhalten. Da gibt es also tatsächlich ein hohes Konfliktpotenzial!“

Die Empfehlung des Kommunalen Ordnungsdienstes sowie der Polizei laute, die Freigabe für Radfahrer zu beenden. Dem schließe sich die Verwaltung an. Für das Kinder- und Jugendparlament hatte dessen stellvertretender Sprecher Robin Janßen dagegen sich für die weitere Freigabe der Voßstraße für den Radverkehr ausgesprochen.

Rücksichtsvolles Radfahren in der Gocher Fußgängerzone bleibt erstmal (mindestens) bis zum Jahresende erlaubt.
Rücksichtsvolles Radfahren in der Gocher Fußgängerzone bleibt erstmal (mindestens) bis zum Jahresende erlaubt. © NRZ | Johannes Kruck

Rudolf Verhaag ergriff für die CDU das Wort: „Die Argumente und Zahlen sind ja pari-pari. Aber wenn wir den Test jetzt stoppen, wird es für alle Zeiten beendet sein. Daher sprechen wir uns für eine Verlängerung aus.“ Der Christdemokrat ergänzte: „Wir sind eine fahrradfreundliche Stadt. Als Miteinanderstadt müssten wir es doch hinbekommen, dass die Fußgängerzone für alle da ist .“

Antje Engler-Janßen äußerte sich für die Grünen: „Wir glauben, dass eine Freigabe der Fußgängerzone für Radfahrer weiterhin viele Vorteile für verschiedene Bevölkerungsgruppen bringt. Ich denke da vor allem an alte Menschen, die vielleicht nicht mehr so gut zu Fuß sind, aber sehr wohl noch gut mit ihren Fahrrädern fahren können und die es begrüßen, direkt bis vor die Tür fahren zu können.“ Dem widersprach Wolfgang Peiter, der auf die Ergebnisse der Umfrage verwies, in der sich rund zwei Drittel der über 65-Jährigen gegen eine Freigabe der Fußgängerzone für Radfahrer aussprachen.

BFG-Mitglied startete Selbstversuche: Überraschendes Ergebnis

Für das Bürger-Forum Goch (BFG) erklärte Ludwig Kade unmissverständlich: „Ich lehne das Fahrradfahren in der Fußgängerzone vehement ab.“ Und seine Partei-Kollegin Maria Beaupoil ergänzte ein überraschendes Argument gegen die weitere Freigabe: „Ich habe mehrfache Selbstversuche gemacht und komme zu dem Ergebnis: So langsam, wie man fahren müsste, ohne andere zu gefährden, kann ich gar nicht fahren, ohne selbst vom Fahrrad zu kippen.“

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Von diesen beiden BFG-Rednern hätte man nach dieser klaren Positionierung erwartet, dass sie für den sofortigen Stopp des Verkehrsversuchs plädieren. Stattdessen stimmten sie – mit allen weiteren Ausschussmitgliedern – dafür, den Verkehrsversuch nun erstmal um weitere drei Monate, also bis zum Jahresende zu verlängern.

Ob man dann wesentlich schlauer ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt...