Essen. „Man ist geneigt zu sagen, dass wir Sie leider freisprechen mussten“, sagte ein Richter. Am Landgericht ging es um eine eingefädelte Zwangs-Ehe.
Es ist exakt 11 Uhr, als der Vorsitzende Richter Volker Uhlenbrock das Urteil am Essener Landgericht verkündet: „Der Angeklagte wird freigesprochen.“ Der Syrer aus Essen, der für seinen Bruder eine Ehe mit einem zwölfjährigen Mädchen arrangiert hat, wird dafür also nicht bestraft.
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Die folgende Urteilsbegründung nutzt der Vorsitzende jedoch dazu, überdeutlich klarzumachen, wie unwohl sich er und seine Kammer mit dieser Entscheidung fühlen. „Man ist geneigt zu sagen, dass wir Sie leider freisprechen mussten“, sagt Uhlenbrock. Es sei nicht gelungen, sicher festzustellen, dass der Angeklagte das wahre Alter des Mädchens kannte.
Angeklagter Syrer aus Essen war 2021 in seine Heimat gereist
Im Herbst 2021 war der Syrer in sein Heimatdorf gereist, um eine Frau für seinen Bruder zu finden. „Es war ausgemacht, dass die Braut minderjährig sein soll“, sagt Richter Uhlenbrock. Möglicherweise sei der Angeklagte aber tatsächlich davon ausgegangen, dass das Mädchen über 13 Jahre alt und damit nach dem Gesetz kein Kind mehr war. „Und das ist dann nicht strafbar.“
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Das Schicksal des Mädchens, das schließlich nach Essen kam und hier den Bruder des jetzt angeklagten Syrers heiratete, „könnte zu Tränen rühren“, heißt es vor Gericht. Die heute 15-Jährige lebe seit Jahren in Wohngruppen, ohne Aussicht darauf, noch einmal in ihre Heimat zurückkehren zu können. „Das ist aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen“, so Richter Uhlenbrock.
Angeklagter Syrer aus Essen ist selbst Vater
Und dann wendet sich der Vorsitzende Richter am Dienstag auch noch ganz direkt an den Angeklagten. „Sie sind doch selbst gerade Vater geworden“, hält er dem 33-Jährigen vor. „Soll das Schicksal dieses Mädchens auch mal das Schicksal Ihres Kindes sein? Würden Sie sich das wünschen? Würden Sie es akzeptieren?“
Der Angeklagte reagiert auf diese direkte Ansprache nicht. Er wendet den Kopf dem neben ihm sitzenden Dolmetscher zu und lässt die Fragen unbeantwortet an sich abprallen.
Landgericht Essen: Nur einmal gab es Tränen im Saal
Nur einmal in dem seit Anfang Januar laufenden Prozess hatte der Syrer Emotionen gezeigt. Dann nämlich, als sein inzwischen verurteilter und inhaftierter Bruder – der Ehemann des Mädchens – als Zeuge in den Saal gebracht wurde. „Da haben Sie geweint“, hält ihm der Richter am Dienstag vor. „Aber das waren für uns falsche Tränen und dieser Moment war wirklich kaum auszuhalten.“
Nicht der Bruder erleide nämlich ein ungerechtes Schicksal, sondern allein die minderjährige Braut, die von diesem mehrmals sexuell missbraucht worden sei. Der 22-Jährige ist dafür zu einer Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt worden. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
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