Essen. Ein junger Mann aus Essen heiratet eine Zwölfjährige. Was sie erlebt, ist ein Albtraum. Jetzt ist der 22-Jährige verurteilt worden.

Bei dieser Urteilsbegründung hat Richter Volker Uhlenbrock sogar das Grundgesetz zitiert: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Der syrische Angeklagte zeigte jedoch keine Regung. Er hatte eine Zwölfjährige geheiratet, missbraucht, vergewaltigt und mit dem Tode bedroht. Jetzt muss er ins Gefängnis. Die Strafe: fünfeinhalb Jahre Jugendhaft.

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Es war Ende 2021, als das kleine Mädchen von seinen Eltern von Syrien nach Deutschland geschickt wurde. Vorher soll viel Geld geflossen sein – die sogenannte „Morgengabe“. „Es hatte Träume“, so Uhlenbrock beim Urteil des Essener Landgerichts. „Es wollte zur Schule gehen, etwas lernen und vielleicht studieren.“

Doch all das sei nicht im Sinne ihres damals 20-jährigen Mannes gewesen. Kaum war die Kinder-Ehe nach islamischem Recht geschlossen, begann der Albtraum. „Die Kind-Frau hatte sich zu unterwerfen und zu gehorchen“, so Uhlenbrock. Von sexueller Erniedrigung war im Prozess die Rede, von Isolation und Gewalt.

Landgericht Essen: Sexuelle Übergriffe wurden immer schlimmer

Die Richter gehen sogar davon aus, dass die Zwölfjährige die Zwangs-Ehe akzeptiert hätte, weil sie es aus ihrer syrischen Heimat vielleicht nicht anders gekannt habe. Doch die sexuellen Übergriffe wurden laut Urteil immer schlimmer. Hilfe gab es keine – nicht einmal von der eigenen Familie. „Hab‘ dich nicht so“: So oder so ähnlich soll sich die Mutter bei einem Telefonat mit ihrer Tochter ausgedrückt haben.

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Als es das Mädchen schließlich nicht mehr ausgehalten hat, offenbarte es sich einer Betreuerin, die sich um minderjährige Flüchtlinge kümmert. Dass sie zum Zeitpunkt der Einreise erst zwölf war, hatte damals noch niemand gewusst. Den Behörden war eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt worden. Danach war die kleine Syrerin schon fast 18.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe war der Ehemann, der schon seit seiner Jugend in Deutschland lebt und in Essen den Hauptschulabschluss gemacht hat, festgenommen worden. Später kamen auch zwei seiner Brüder in Untersuchungshaft. Sie sollen die Kinder-Ehe arrangiert haben.

Angeklagter Essener legt umfassendes Geständnis ab

Im Prozess hatte der Angeklagte ein umfassendes Geständnis abgelegt. Auf die Vernehmung der inzwischen 15-Jährigen konnte dadurch verzichtet werden. Sie lebt mittlerweile in einer Wohngruppe, weit weg von der Familie des Angeklagten. Zuvor wurde laut Urteil von allen Seiten an ihr gezerrt. Sie solle die Anzeige zurücknehmen, sonst müsse sie mit ihrem Tod rechnen. Auch von „Blutrache“ an ihrer in Syrien lebenden Familie war angeblich die Rede.

Nach Angaben einer Sozialarbeiterin leidet die Jugendliche noch immer an Schlafstörungen und sogenannten Flash-Backs. Therapeutische Hilfe sei dringend erforderlich. Vor dem Strafprozess in Essen sei der Druck so groß gewesen, dass sie laut Urteil sogar bereit gewesen wäre, im Prozess zu lügen und zu erklären, dass alles gut gewesen sei. Diese Falschaussage soll sie einer Sozialarbeiterin angekündigt haben. In der Hoffnung, dass der Angeklagte aus der Haft entlassen werde und sie ihre Ruhe habe.

Ob der 22-Jährige verstanden hat, dass er schwere Straftaten begangen hat, ist unklar. Worte des Bedauerns fand er im Prozess nicht. Sollten Abschiebungen nach Syrien demnächst möglich werden, stehe der Essener laut Urteil voraussichtlich weit oben auf der Liste.

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