Essen. Essens OB hat in diesem Bundestagswahlkampf von mehr Vandalismus gesprochen. Was sagen die Parteien, die in der Stadt plakatiert haben?

Man sieht sie derzeit überall: Wahlplakate. In diesem Bundestagswahlkampf scheinen mehr Schilder als sonst beschmiert, beschädigt, zerstört oder entwendet zu werden, als in der Vergangenheit. „Erste Beschwerden zeigen, dass der Vandalismus vor der anstehenden Bundestagswahl höher ist als in Vorjahren“, meldete die Essener Stadtverwaltung kürzlich.

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Oberbürgermeister Thomas Kufen sagte: „Das Zerstören von Wahlplakaten ist kein Kinderstreich. Auch in Essen erleben wir schon jetzt eine zunehmend aufgeheizte Stimmung im Wahlkampf. Das drückt sich in den sozialen Medien aus, aber auch im Straßenbild.“ Wie empfinden die Parteien die aktuelle Situation? Werden tatsächlich mehr Plakate zerstört und beschädigt als bei Wahlkämpfen in der Vergangenheit? Da gehen die Eindrücke der Wahlkämpfer auseinander, wie eine Umfrage unserer Redaktion zeigt.

Vandalismus an Wahlplakaten? Parteien machen in Essen unterschiedliche Erfahrungen

„Es gibt beträchtliche Beschmierungen und Beschädigungen“, sagt der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Essener CDU Matthias Hauer. „Im Laufe des Wahlkampfes hat das zugenommen.“ Mit Blick auf 16 Jahre Regierungsverantwortung unter Kanzlerin Angela Merkel sei Vandalismus aber nichts Neues für die Christdemokraten. Andere Parteien seien solche Aufmerksamkeiten möglicherweise nicht gewöhnt, so Hauer. „Als Regierungspartei ist man im Fokus des Interesses.“ Seine Partei sieht er als größte Oppositionspartei und „Partei der Mitte“ ebenfalls im Fokus von rechten und linken Anfeindungen. Der Polizei melden würde man nur Vorfälle, bei denen man Tatverdächtige auch benennen könne.

Ähnliche Beobachtungen wie OB Kufen hat zuletzt auch Hans-Peter Schöneweiß, stellvertretender Kreisvorsitzender der Essener FDP, gemacht: „Es gibt deutlich mehr Vandalismus als bei bisherigen Wahlen.“ Es gebe Schmierereien, vor allem würden Plakate aber „durchgebrochen und zusammengeklappt“, so Schöneweiß. „Dann hängen nur noch die Kabelbinder.“ In Essen gebe es Schwerpunkte, im Süden der Stadt; etwa an der Wuppertaler Straße, oder an der Rüttenscheider Straße oder im Norden der Stadt an der Altenessener Straße. „Wir haben nachbestellt und plakatieren nach – das kostet uns eine Menge Geld“, so Schöneweiß.

Nicht alle Plakate werden beschmiert oder zerstört.
Nicht alle Plakate werden beschmiert oder zerstört. © FUNKE Foto Services | Tom Hoops

Auch die SPD beklagt Vandalismus. „Die Beschädigung von Wahlplakaten ist wieder präsent“, sagt deren Sprecher Guido Kleineheilmann. „Seit einer guten Dekade von Verächtlichmachung ist so etwas in den politischen Diskurs hineindiffundiert.“ Will heißen: Die Grenzen des Sagbaren seien verschoben worden, was auch Vandalismus fördere. Rein subjektiv wahrgenommen, sagt Kleineheilmann aber: „Ich fand es im Europawahlkampf heftiger.“

Vor allem die großflächigen Plakate mit Olaf Scholz seien im vergangenen Jahr Ziel von Vandalismus und Schmierereien wie „Hitlerbärtchen“ gewesen. Es sollen 20 beschädigte sogenannte „Wesselmann“-Plakate im Europawahlkampf gewesen sein. In diesem Bundestagswahlkampf hängen die Plakate seit rund anderthalb Wochen, bei der SPD seien drei beschädigte Großplakate bekannt, sagt SPD-Sprecher Kleineheilmann.

Ein beschädigtes Wahlplakat der SPD am Bahnhof Dellwig.
Ein beschädigtes Wahlplakat der SPD am Bahnhof Dellwig. © mape

Zum ersten Mal habe er beobachtet, dass an SPD-Plakaten ausgedruckte AfD-Logos in Klarsichtfolien aufgeklebt wurden. „Neben der Rodenseelstraße wurden uns mehrere gleich gelagerte Fälle auf der Bochumer Landstraße gemeldet“, so Kleineheilmann. Er geht aber nicht von einer gezielten Aktion der AfD aus. „Das würde sich die AfD nicht trauen.“

AfD Essen: „Bei uns sehen wir weniger Beschädigungen, das ist in anderen Wahlkämpfen schon anders gewesen“

Apropos AfD: Deren Vorstandssprecher Günter Weiß sagt: „Bei uns sehen wir weniger Beschädigungen, das ist in anderen Wahlkämpfen schon anders gewesen.“ Seine Partei hat im Essener Stadtgebiet keine großflächigen Plakate aufgestellt, Schilder hängen vor allem an Laternen und Masten. Weiß habe aber registriert, dass in den vergangenen Tagen vor allem Großplakate anderer Parteien Ziel von Vandalismus geworden sind.

Ein AfD-Wahlplakat mit Guido Reil, das mit Aufklebern beklebt wurde.
Ein AfD-Wahlplakat mit Guido Reil, das mit Aufklebern beklebt wurde. © FUNKE Foto Services | Tom Hoops

Wie etwa bei den Grünen. Plakate mit Robert Habeck scheinen häufig Ziel von Angriffen zu sein – wie eine große Werbung an der Freiherr-vom-Stein-Straße in Bredeney. Auf diesem Plakat wird deren Kanzlerkandidat übel beschimpft. „Wir sind erschrocken über die enorme Anzahl an zerstörten und beschmierten Laternen- und Großflächenplakaten unserer Partei in Essen“, teilen Christine Müller-Hechfellner und Mehrdad Mostofizadeh, Sprecherin und Sprecher der Essener Grünen mit. „Wahlkampf in einer Demokratie heißt, miteinander zu streiten, unterschiedliche Meinungen auszutauschen, auch zuzuspitzen. Zerstörungen und Gewalt sind das Gegenteil von Fairness und Meinungsfreiheit. Diejenigen, die dazu greifen, machen sich nicht nur strafbar, sondern gehören nicht zum demokratischen Spektrum und stehen im klaren Widerspruch zu den Werten einer vielfältigen Stadtgesellschaft.“

Vandalismus an Wahlplakaten: Polizei Essen weiß von 40 Fällen

Was weiß die Polizei zu berichten? Die Dunkelziffer an zerstörten Wahlplakaten dürfte hoch sein. Offiziell hat die Behörde nach Angaben von deren Sprecherin Sonja Kochem bisher Kenntnis von 40 beschädigten oder entwendeten Wahlplakaten in diesem Bundestagswahlkampf auf Essener Stadtgebiet.

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