Essen-Altenessen. Auf Zeche Carl sollte ein Gruppenbild entstehen, mit dem fürs Wählen geworben wird. Dann tauchten AfD-Politiker auf, die auch aufs Foto wollten.

Das „Team Demokratie“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Wahlbeteiligung im Essener Norden zu erhöhen und damit, so der Plan, „Prozente zugunsten der demokratischen Parteien zu verschieben“. Dazu fand am Wochenende ein Fototermin auf dem Gelände der Zeche Carl in Altenessen statt.

Entstehen sollte ein großes Gruppenbild, mit dem vor der Bundestagswahl auf Plakaten und Flyern zum Wählen aufgerufen werden soll. Eingeladen war jeder, der „für Respekt und ein gutes Miteinander Gesicht zeigen“ wollte.

Initiatoren bieten den Teilnehmern Fotomöglichkeit „mit AfD“ und „ohne AfD“ an

Entstanden sind allerdings am Ende zwei sehr unterschiedliche Bilder: Auf dem ersten Foto sind um die 180 Menschen zu sehen, darunter Vertreter der Vorbereitungsgruppe der Altenessen-Konferenz, verschiedener religiöse Gemeinschaften, der Essener Awo und Caritas, der Zeche Carl, der Junior Uni, des Maschinenhauses, der Bücherschrank-Initiative und weiterer Gruppen und Vereine.

Das zweite Foto zeigt vier Personen: den AfD-Ratsherrn Hermann Postert, Willi Overbeck vom „Team Demokratie“, den Essener Filmemacher Hamid Merhi, der etwas abseits steht, und AfD-Politiker Guido Reil. Willi Overbeck hält ein handgeschriebenes Plakat mit der Aufschrift „Foto mit AfD“ in die Kamera. Was war da los?

Fotoaktion
Für das zweite Bild mit Hermann Postert (l.) und Guido Reil (3.v.l.) stellten sich nur Willi Overbeck (2.v.l.) als Mitinitiator der Aktion und Filmemacher Hamid Merhi (r.) auf. © F.S. | F.S.

Guido Reil sei vor Beginn des Fototermins mit weiteren AfD-Mitgliedern auf dem Gelände aufgetaucht und habe sich unter die Leute gemischt. So erzählt es Achim Gerhard-Kemper, Mitgründer des „Team Demokratie“. Man habe ihm angeboten, „an anderer Stelle inhaltlich diskutieren“ zu können, aber auch klargemacht, dass der Fototermin nicht der richtige Zeitpunkt dafür sei.

Nach der Begrüßung habe man alle Anwesenden darauf hingewiesen, dass Vertreter der AfD zugegen seien, und dass es nun jedem freigestellt sei, sich mit ihnen zusammen fotografieren zu lassen oder nicht. „Es gab Menschen, die nicht mit der AfD auf ein Foto wollten, und das ist ihr gutes Recht“, sagt Marita Kemper.

Initiatoren ziehen positives Fazit der Fotoaktion auf Zeche Carl

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Wenn es auch im Vorfeld nicht ausdrücklich so formuliert wurde, „weil wir positiv, nicht gegen, sondern für etwas werben wollen“, so Kemper, richtete sich die Aktion des „Team Demokratie“ auch gegen etwas: nämlich gegen rechte Gruppierungen, Rassismus und Diskriminierung.

Zudem sei ihnen sehr wichtig gewesen, dass ihr Zusammenschluss überparteilich bleibe und in keinster Weise parteipolitisch besetzt werde. Es sei eine „Aktion aus der Bürgerschaft“, so Overbeck, die insgesamt „gute Wellen geschlagen“ habe. Nun aber rücke die AfD durch das Auftauchen von Reil und Postert doch in den Fokus.

Guido Reil gänzlich auszuschließen, sei indes nicht infrage gekommen: „Es war eine friedliche Stimmung, wir wollten keinen Streit“, sagt Achim Gerhard-Kemper. Als sich die Gruppe dann aufgeteilt habe, sei Marita Kemper Begleiterin für die „Fotogruppe ohne AfD“ gewesen, Willi Overbeck hingegen für das Foto mit AfD.

Eigentlich habe man ein Bild zur „Demokratie-Stärkung“ machen wollen, erklärt Overbeck, „und die Mitglieder der AfD sind nicht gerade Demokratiefreunde“. Damit spielt er darauf an, dass einige Landesverbände der Partei (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) als „gesichert rechtsextrem“ gelten, was bedeutet, dass sie demokratie- und verfassungsfeindliche Positionen vertreten.

Die Entscheidung, zwei Bilder zu machen, sei im Sinne der Demokratie erfolgt: „Die Leute konnten sich entscheiden, auf welches Bild sie wollten.“ Und weil „irgendeiner ja das Schild halten musste“, habe er das eben übernommen. Hermann Postert habe schließlich noch für die Aktion gespendet.

Essener Filmemacher lehnt AfD ab, will aber niemanden ausschließen

Und Hamid Merhi? Der Filmemacher hatte vor einigen Monaten die Immobilie des ehemaligen KD 11/13 in Altenessen erworben und in „WeBeyt - WirHaus“ umbenannt. Das Zentrum soll künftig möglichst vielen Vereinen und Nutzern für verschiedenste Zwecke zur Verfügung stehen.

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Nach seiner Motivation gefragt, schickt er eine ausführliche schriftliche Stellungnahme: Als die Veranstalter angekündigt hätten, zwei separate Fotos zu machen, sei er unsicher gewesen, wie er sich verhalten solle: Spontan habe er also entschieden, an beiden Fotos teilzunehmen. „Zum einen war es für mich eine menschliche Reaktion, niemanden auszuschließen oder allein zurückzulassen. Zum anderen spielte meine Verantwortung als Filmemacher und Eigentümer eines offenen Hauses eine Rolle. Es war mir wichtig, Neutralität zu wahren und den Grundgedanken der Inklusion nicht zu gefährden.“ Gleichzeitig verstehe und respektiere er die Entscheidung derer, die sich nicht mit AfD-Vertretern fotografieren lassen wollten.

Gruppenfoto wird ab Februar auf großen Plakatwänden im Essener Norden aufgehängt

Zu Vertretern der AfD oder Guido Reil persönlich habe er zuvor keinen Kontakt gehabt. Zudem betont er, kein AfD-Wähler zu sein, „da viele ihrer Positionen meinen persönlichen Werten widersprechen“. Das habe er Guido Reil während eines „kurzen Gesprächs“ auch gesagt, gleichzeitig aber „signalisiert, dass unser Haus – WeBeyt – ein Ort ist, der allen Menschen Raum für Dialog bietet, solange keine extremistischen oder menschenverachtenden Ansichten vertreten werden.“

Doch schon während das Foto gemacht wurde, seien ihm Zweifel gekommen, inwieweit die ganze Situation „bewusst inszeniert“ worden sei. Denn: Während der Aktion seien „Kameras und Mikrofone von Menschen aus dem Umfeld der AfD gezückt“ worden. Auch die Geste von AfD-Mann Postert, der für das Foto demonstrativ einen Geldschein über die Spendenbox hält, habe ihm nicht gefallen, sie wirke „in diesem Kontext fragwürdig“.

Die Organisatoren ziehen dennoch ein positives Fazit ihrer Aktion. Als Nächstes werde nun, wie geplant, das Bild (ohne AfD) Anfang Februar an mehreren Plakatwänden im Essener Norden platziert und im kleineren Format auch anderswo aufgehängt und verteilt.

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