Essen/Oberhausen. Seitdem er ein Boot mit einem Campinganhänger als Kajüte erworben hat, ist dem Essener Skipper Christian Gröll erhöhte Aufmerksamkeit gewiss. Wir fahren eine Runde auf dem Kanal.
Neun Grad Außentemperatur, kaum Wind. Die Sonne bricht hie und da durch den dunstigen Novemberhimmel an diesem Morgen. Das Wetter ist wie geschaffen für einen kleinen Ausflug mit dem Motorboot. Seine liebste Freizeitbeschäftigung, sagt Christian Gröll, als er von der Marina Oberhausen in See sticht, sei das gemütliche Schippern auf dem Wasser. „Das ist herrlich entspannend“, so der 35-jährige Essener.
Es ist Samstag, also naturgemäß weniger Frachtschiff-Verkehr auf dem Rhein-Herne-Kanal. Gröll winkt einigen jungen Sportlern in einem Ruderboot zu, die ihn mit kräftigen Schlägen locker überholen. Die Ruderer winken zurück. „Das ist ja schick“ und „sieht super aus“ rufen sie ihm zu. Gemeint ist der Aufbau seines Bootes: Statt einer Kajüte ist ein Campinganhänger (ohne Räder) auf der zehn Meter langen und 3,60 Meter breiten schwimmenden Plattform mit Katamaran-Rümpfen montiert.
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Schwimmende Plattform war einst ein Partyboot
Seitdem er dieses ungewöhnliche Boot Anfang 2023 erworben hat, ist Skipper Christian Gröll die erhöhte Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen gewiss. Einen schwimmenden Campingwagen sieht man halt nicht alle Tage. „Das war früher mal ein Partyboot hier in der Marina Oberhausen, das man mieten konnte. Dann hat der Vorbesitzer den Anhänger drauf montiert und es zum Verkauf angeboten. Das passte wie die Faust aufs Auge“, berichtet Gröll, der auf der Suche nach einem Sportboot die Anzeigen im Internet durchforstete. Lächelnd setzt er hinzu: „Camping finde ich toll, das kenne ich von klein auf.“
Der Anhänger ist Baujahr 2005 und bietet auf knapp 13 Quadratmetern jede Menge Annehmlichkeiten: von der gemütlichen Sitzecke über eine gut ausgestattete Küche bis zum Bett mit Waschgelegenheit und Toilette. „Für mich mit meinen 1,95 Metern war die Stehhöhe ein wesentliches Argument. Das hat man in normalen Kajüten, trotzdem die viel größer sind, halt nicht“, betont der Essener.
„Für mich mit meinen 1,95 Metern war die Stehhöhe ein wesentliches Argument. Das hat man in normalen Kajüten, trotzdem die viel größer sind, halt nicht.“
Lounge-Sitze und Grill an Deck sorgen für Komfort
Wenn er nicht gerade in seiner Wohnung in Holsterhausen ist, verbringt Christian Gröll fast jede Minute seiner freien Zeit auf dem Boot – gern mit Familie und Freunden. In diesem Sommer lag das Boot in der Kettwiger Marina. Von dort aus unternahm er häufig Touren auf der Ruhr. Lounge-Sitze an Deck, ein fest montierter großer Schirm und ein Grill sorgen dabei draußen für zusätzlichen Komfort.
Da die Saison in der Marina Kettwig Mitte Oktober endet, hat er für den Winter einen Liegeplatz in Oberhausen gemietet – wo das Boot bei dort ansässigen Campern ebenfalls ganz schnell zum Gesprächsthema wurde. Christian Gröll freut es und gern teilt er seine Bootserfahrungen mit anderen.
Essener legte Widerspruch bei der Bezirksregierung ein
Zumal sein Camping-Vergnügen auf dem Wasser selbst vor Gericht Bestand hat. Die Bezirksregierung Düsseldorf wollte Gröll nämlich den Kettwiger Liegeplatz entziehen, weil das Wohnwagen-Boot angeblich ein Hausboot sei. Und die sind auf der Ruhr nun mal nicht erlaubt.
Angestoßen hatte das behördliche Verfahren ein ehemaliger Bootsbesitzer, der 2013 auf der Ruhr mit einem ähnlichen Boot unterwegs gewesen war und nun das Campingwagen-Boot herum schippern sah. Gröll: „Der hat sich damals dem Verbot gebeugt. Ich wollte es mir aber nicht gefallen lassen und habe Widerspruch eingelegt.“ Das Verfahren zog sich insgesamt über ein Jahr hin.
Das Verwaltungsgericht gab dem Essener Recht
Das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen gab Christian Gröll schließlich Recht: Der Essener nutze das Boot nur in seiner Freizeit, wohne also nicht darauf. Mit einem 50-PS-Motor habe es zudem einen leistungsstarken Motor, um es für Touren zu nutzen. Beides sprach für die Richter in Gelsenkirchen dafür, das Wohnwagen-Boot als Sportboot anzuerkennen.
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„Eine klare Definition gibt es allerdings nicht, was ein Hausboot ist. Aber ich bin froh, dass ich es ausgefochten habe“, sagt der 35-Jährige, der Geschäftsführer eines Lagerhauses in Bochum ist. Er wünsche sich, dass mehr solcher nicht-konformen Boote auf der Ruhr unterwegs sind. „Das ist einfach ein schönes Gefühl“, sagt er.
Gemütliches Sportboot auf dem Kanal
Auch wenn die quadratische Form seines Bootes durchaus erhöhte Aufmerksamkeit beim Rangieren erfordere, sagt Gröll. „Deshalb gibt es die Rückfahrkamera. Die ist in der Tat sehr nützlich.“ Nützlich sei zudem das Führen einer „Verlustliste“. Da der Austritt aus dem Wohnwagen nicht nur schmal sei, sondern es auch keine Bordwand gebe, falle schon mal der eine oder andere Gegenstand unbeabsichtigt ins Wasser. Was das Vergnügen aber keineswegs schmälere. „Mir macht das Fahren mit diesem Boot unglaublich viel Spaß.“
Jetzt sucht der Essener nur noch einen Namen für sein Wohnwagen-Boot. „Vielleicht sollte ich es ‘Große Freiheit’ nennen.“ Sagt’s und legt nach einer guten halben Stunde auf dem Kanal wieder auf seinem Platz in der Marina Oberhausen an.
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