Essen-Dellwig. Das Gewerbegebiet an der Ripshorster Straße in Essen-Dellwig gilt als illegaler Umschlagplatz. Wie ein Familienunternehmen das ändern will.
Razzien, Beschwerden und immer wieder Einsätze des Ordnungsamtes: Das Gewerbegebiet an der Ripshorster Straße in Essen-Dellwig, insgesamt gut und gerne 17 Hektar Fläche, gilt als Problemviertel, das sich in den vergangenen Jahren vor allem als Umschlagplatz für den illegalen Handel mit Autos und Elektroschrott sowie mit illegal Beschäftigten, vorrangig aus Afrika, einen Namen gemacht hat. Die Stadt steuert mit einem 2022 aufgestellten Bebauungsplan für das Gelände und dem gezielten Aufkauf von Immobilien gegen.
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Tatsächlich ist es zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung aktuell etwas ruhiger geworden um das umstrittene Gelände unweit der Donnerstraße. Und doch liegt auch an diesem Freitagnachmittag noch der Nachhall der „Afrika-Straße“ über der Ripshorster Straße: Mehrere Männer warten am Straßenrand offensichtlich auf Kunden, auf dem Gehweg stehen gleich zwei abgemeldete Fahrzeuge hintereinander, auf denen unübersehbar rote Aufkleber des Ordnungsamtes prangen, nahezu jede Mauer und viele Gebäude sind mit Graffiti überzogen.
„Die Öffentlichkeit hat den Teil der Ripshorster Straße jenseits der Bahnschranke leider als Negativum abgespeichert. Wir und auch die benachbarten seriösen Unternehmer würden uns wünschen, dass sich das Bild der Ripshorster Straße nachhaltig wandelt, damit wir hier eine Zukunft haben. Und zu diesem Wandel möchten wir tatkräftig beitragen“, sagt Manuela Gravius und spricht für das Bauunternehmen Sprenker und Gravius, das seit 75 Jahren an der Ripshorster Straße 366 seinen Sitz hat.
Essener Familienunternehmen Gravius investiert in Dellwig
Das Familienunternehmen in dritter Generation will auf dem unternehmenseigenen Gelände unmittelbar am Eingang zum Gewerbegebiet ein Zeichen für diesen Wandel setzen: mit dem Vorhaben „Business Green“ – dem Bau einer neuen Halle in nachhaltiger Holzbauweise mit begrüntem Flachdach. Bauherren sind Ute und Holger Gravius. Am vergangenen Freitag (25.10.) lud man zum Spatenstich an die Ripshorster Straße. Bis Spätsommer 2025 soll das Gebäude stehen.
„Architektonisch und inhaltlich haben wir mit diesem privaten Investment ein Leuchtturmprojekt für den Standort entwickelt, das eine positive Signalwirkung auch in die Umgebung entfalten soll“, erklärt Architekt Holger Gravius, dessen Büro KenChiku Architektur und Design – ebenfalls an der Ripshorster Straße beheimatet – die neue Halle entworfen hat.
Die alten Garagen, die diesen Teil des rund 7000 Quadratmeter großen Grundstücks prägten, sind bereits abgerissen. In den kommenden Monaten soll an ihrer Stelle nun die neue Industriehalle entstehen – gut neun Meter hoch, in einer Mischung aus Massiv- und Leichtbauweise, mit einem Tragwerk komplett aus deutscher Fichte. Insgesamt etwa 1400 Quadratmeter Raum für Lager, Logistik, Produktion und Verwaltung. „Unser Ziel ist tatsächlich eine möglichst nachhaltige und umweltverträgliche Bauweise“, sagt Gravius. „Geheizt wird deshalb auch über eine Wärmepumpe, wir arbeiten mit einer Zisterne, und auch die Beleuchtung wird nachhaltig.“
Das offensichtlichste Signal „gen Zukunft“, wie Manuela Gravius es formuliert, dürfte allerdings das durchgehend begrünte Flachdach sowie die Teilbegrünung der Fassade sein. „Wir sprechen hier sicherlich nicht von einer typischen Gewerbehalle. Wir wollen mit dieser außergewöhnlichen Gestaltung und mit diesen liebevollen Details ganz bewusst ein Zeichen setzen, dass dieses Gewerbegebiet zukunftsfähig ist.“
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Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen lobte das nachhaltige Neubauprojekt am Freitag denn auch als „mutige unternehmerische Investition“ in ein umstrittenes Viertel – und verwies noch einmal ausdrücklich auf den vor zwei Jahren initiierten Bebauungsplan, über den das Gebiet „zielgerichtet geordnet“ werden soll: „Wir wollen mit diesem Bebauungsplan gewerbliche Nutzung, die wir als sinnvoll erachten, weiterführen, aber beispielsweise stark emittierende Betriebe ausschließen. Ebenso wie Vergnügungsstätten, Wettbüros, Lokalitäten eines bestimmten Milieus, die eher dazu führen, dass andere dann hier ihre Zelte abbauen. Und dann hätten wir eine Spirale in eine Richtung in Gang gesetzt, die wir nicht wollen. Heute dreht sich genau an dieser Stelle die Spirale wieder in die andere Richtung mit einer mutigen Investition.“
Nicht zuletzt über das geltende Vorkaufsrecht im Falle von Flächenveräußerungen werde die Stadt zu einem „Nachbarn“ im Gewerbegebiet Ripshorster Straße und damit zu einem Mitstreiter, wenn es darum gehe, dort positive Veränderungen anzustoßen. Kufen: „Und hier gleich zu Beginn der Ripshorster Straße wird jetzt ein echter Hingucker gebaut, der auch noch gut zu unseren ökologischen Ambitionen passt.“
Mit „Business Green“ entstehe in Essen-Dellwig „Raum für Zukunft“, versicherte auch Andre Bochem, Geschäftsführer der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft (EWG), an dem sich vor allem Zweierlei ablesen lasse: Wie wichtig es sei, unter dem Aspekt des gewerblichen Flächenmangels „vorhandene Potenziale bestmöglich zu nutzen“. Und: „Dass Familienunternehmen die Basis unserer Wirtschaft sind, auf die wir uns verlassen können. Krisenerprobt und mit starken Werten setzen sie notwendige Impulse für unsere Stadt und gehen in unsicheren Zeiten mutig voran.“
Senkung Gewerbesteuersatz: „Wichtiges Signal für Essener Unternehmer“
Dieses Engagement, so Bochem, gelte es seitens der Essener Politik zu würdigen und gezielt zu fördern, etwa durch die gerade erst beschlossene Senkung des Gewerbesteuersatzes in den kommenden Jahren – „das ist ein ganz wichtiges Signal für die Unternehmer vor Ort“.
Welche Summe genau die Familie Gravius in das Vorhaben investiert, blieb am Freitag offen. Ebenso wie die Frage, wer die neue Halle künftig nutzen wird. Holger Gravius: „Der Mieter steht schon fest. Und was ich verraten darf: Der Projektname ,Business Green‘ ist sehr bewusst gewählt und passt zu dessen Ausrichtung.“ Nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich scheinen die Zeichen im Dellwiger Gewerbegebiet also auf Zukunft zu stehen. Zumindest an der Ripshorster Straße 366.
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