Essen. Robin Lelgemann aus Essen ist 24 und wird tagtäglich mit dem Thema Tod konfrontiert. Was das mit ihm macht und wie er damit umgeht.
Sich in jungen Jahren tagtäglich mit dem Tod zu beschäftigen – sicher nicht jedermanns Sache, wohl aber Robin Lelgemanns. Der 24-jährige Essener ist Bestatter, und das aus voller Überzeugung. Einen anderen Beruf kann er sich aktuell nicht vorstellen: „Ich möchte Menschen in emotionalen Ausnahmesituationen helfen, sie unterstützen und beraten, sie ein Stück begleiten. Das erfüllt mich.“
Nicht nur in seinem Job spielt der Tod eine Hauptrolle, auch in seinem Ehrenamt. Robin Lelgemann ist seit 2022 Vorsitzender des Bestatterverbandes Essen, kümmert sich um die Belange der Kolleginnen und Kollegen. Auf seiner Visitenkarte steht als Berufsbezeichnung „Bestattungsfachkraft“: „Wenn alles glatt läuft, bin ich Anfang 2025 Meister.“
Essener Bestatter half als Schüler in den Ferien im Beerdigungsinstitut des Vaters
Robin Lelgemann kommt aus einer Bestatterfamilie, sein Vater führt ein Beerdigungsinstitut in Horst. „Da habe ich schon als Schüler in den Sommerferien ausgeholfen und so sehr früh das Handwerk kennengelernt.“ Und wie kommt sein Beruf im Freundes- und Bekanntenkreis an? In der Schule habe es auf seinen Ferienjob zwei Arten von Reaktionen gegeben, erinnert sich Robin Lelgemann. Die, die mit dem Thema Tod wenig anfangen könnten oder wollten, hätten sich eher darüber lustig gemacht, die anderen seien neugierig und interessiert gewesen, hätten viele Fragen gestellt.
Ähnliches berichteten Kollegen, die beim ersten Date nach ihrem Beruf gefragt wurden. „Ich selbst habe das so nicht erlebt, ich bin mit meiner Freundin schon sechs Jahre zusammen, sie hat meine berufliche Entwicklung also von Anfang an miterlebt.“ Dass der Bestatter-Beruf generell abschrecke, glaubt der 24-Jährige nicht. „Er kann ja auch ein Eisbrecher sein, man hat sofort ein Gesprächsthema.“
Seine dreijährige Ausbildung absolvierte Robin Lelgemann ganz bewusst nicht im väterlichen Betrieb, sondern in Baden-Württemberg. Zurück in Essen, arbeitete er zwei Jahre lang beim Vater und suchte sich für den nächsten beruflichen Schritt wieder ein neues Unternehmen: Schäfer & Sohn in Werden, ebenfalls ein Familienbetrieb.
Essener Bestatter findet seinen Beruf wegen der vielfältigen Aufgaben interessant
An seinem Beruf reizt Lelgemann die Vielfalt der Aufgaben. Als Bestatter sei man Trauerbegleiter, Psychologe, Grafiker, Urnenträger, Büroangestellter und vieles mehr. Auch in dieser Branche hat die Digitalisierung längst Einzug gehalten. „Ich informiere in den sozialen Medien über meinen Alltag als Bestatter, vermittele Interessantes rund um den Tod“, sagt der Essener. Ihn erde das Bewusstsein, dass die Lebenszeit begrenzt ist. „Daraus kann man ja verschiedene Konsequenzen ziehen, man kann sich davon die Laune verderben lassen oder versuchen, etwas aus seinem Leben zu machen.“
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Aktuell boome der Bestatter-Beruf, der Frauenanteil sei in den letzten Jahren deutlich gewachsen, so Lelgemann. Die Zahl der Ausbildungsplätze ist begrenzt, es gibt nur drei Berufsschulen in ganz Deutschland sowie eine Fortbildungseinrichtung in Bayern. „Dort lernt man auf dem Lehrfriedhof, wie man Gräber aushebt.“ Diese Tätigkeit spielt in der Praxis für ihn aber eigentlich keine Rolle: In NRW seien dafür die Friedhofsgärtner zuständig, anderswo hingegen die Bestatter.
Junge Leute schreckt oft die Rufbereitschaft rund um die Uhr ab
Die Branche ist ohnehin krisenfest: Dank der Generation der Babyboomer wird sich die Auftragslage in diesem Handwerk künftig noch verbessern. Aber: „Einige lassen sich noch durch die Rufbereitschaft rund um die Uhr abschrecken. Es kommt aber tatsächlich immer seltener vor, dass man nachts angerufen wird“, weiß Robin Lelgemann aus Erfahrung.
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Das liegt unter anderem daran, dass die meisten Menschen heutzutage im Seniorenheim oder Krankenhaus sterben, wo nachts sowie niemand abgeholt wird. „Und auch, wenn jemand zu Hause stirbt, warten die Angehörigen oft bis zum nächsten Morgen, bevor sie uns anrufen.“ Das sei völlig in Ordnung, denn in NRW dürfe man Verstorbene bis zur 36 Stunden zu Hause behalten. Der Bestatter werde sowieso erst tätig, wenn der Arzt den Tod bescheinigt habe.
Früher war im Todesfall oft der Pfarrer der erste Ansprechpartner, heute ist es der Bestatter. „Wir erklären den Angehörigen, dass nicht alles sofort sein muss. Die Menschen können in Ruhe von dem Verstorbenen Abschied nehmen, wenn sie das möchten. Abschiednehmen ist ja auch schon Trauerarbeit. Aber viele wollen das nicht, möchten, dass der Verstorbene zeitnah abgeholt wird.“ Die weitere Versorgung des Leichnams, also Waschen, Desinfizieren und Ankleiden, findet meist in Räumen des Beerdigungsinstituts statt.
Kleidungswechsel hilft dem Essener Bestatter, die professionelle Distanz zu wahren
Professionalität und eine gewisse emotionale Distanz seien in dem Job unabdingbar. „Man kann nicht jeden Toten gedanklich mit nach Hause nehmen.“ Ihm selbst helfe der Kleidungswechsel nach Dienstschluss ganz gut, erklärt der 24-Jährige.
Allerdings arbeitet Robin Lelgemann nicht mehr, wie früher, ausschließlich im Anzug. „Seit einiger Zeit trage ich meist legerere Kleidung, zum Beispiel Anzughose, Sneakers und ein Sweatshirt mit unserem Firmenlogo. Dafür habe ich schon positive Rückmeldungen bekommen. Diese Art der Kleidung erleichtert empathische Gespräche auf Augenhöhe, baut Barrieren ab“, ist der junge Bestatter überzeugt. Auf dem Friedhof bleibt es jedoch auch für ihn bei der förmlichen Kleidung, dem schwarzen Anzug.
Es gebe immer Fälle, die einen dann doch mehr berührten als andere, zum Beispiel, wenn es um Kinder oder Jugendliche gehe. Natürlich sei es auch traurig, sich von Oma und Opa verabschieden zu müssen. Aber es mache doch einen Unterschied, ob eine 90-Jährige friedlich im Bett eingeschlafen oder ein junger Mensch durch einen Unfall verstorben sei oder sich vor den Zug geworfen habe.
Hinweis:
Wir berichten in der Regel nicht über Suizide, um keinen Anreiz für Nachahmung zu geben – außer, Suizide erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit.
Falls Sie Suizid-Gedanken haben oder jemanden kennen, der Suizid-Gedanken hat, wenden Sie sich an die Telefonseelsorge unter 0800/1110111 (kostenlos). Die Nummer ist rund um die Uhr besetzt.
„Ich habe keine Albträume deswegen. Aber früher habe ich mir Sorgen gemacht, dass bei der Beisetzung alles richtig klappt, auch wenn wir natürlich Checklisten haben. Es muss ja alles stimmig sein für die Angehörigen.“ Jede Beerdigung sei einmalig, so Lelgemann. „Man kann die Situation ja nicht wiederholen, es muss alles sofort funktionieren.“
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