Essen-Kettwig. Anna-Maria Kipphardt aus Essen-Kettwig startet beim ultralangen Triathlon der Ironman-WM 2025. Wie die einstige Ruderin umsattelte und Verletzungen überwandt.

Die Strecke entlang der katalanischen Costa Maresme hatte es in sich: „Wir sind immer Richtung Barcelona und zurück. Das Schwimmen war schon nicht ohne. Beim Radfahren habe ich dann extra kräftig in die Pedale getreten, weil ich Schmerzen befürchtete beim Laufen. Und so kam es dann auch.“

Inzwischen kann Anna-Maria Kipphardt wieder lachen: „Das soll jetzt nicht klingen wie ein ärztliches Bulletin.“ Allerdings muss die Kettwigerin schon zugeben, dass ihre ungewöhnliche sportliche Karriere entscheidend durch schwere Verletzungen geprägt wurde.

Die Juristin beschäftigt sich unter anderem mit dem Antidopinggesetz. Zwar ist sie aus beruflichen Gründen nach Bayern gezogen, aber so oft wie möglich auf Heimaturlaub: „Ich bin zum Beispiel immer noch Mitglied in der Kettwiger Rudergesellschaft.“ Die Tochter der Bezirksbürgermeisterin Gabriele Kipphardt war bisher nämlich vor allem als Spitzenruderin bekannt, die für die KRG bei Weltmeisterschaften antrat und dort Edelmetall erkämpfte.

Essener Triathletin qualifizierte sich erfolgreich in Barcelona

Doch nun glänzt die 35-Jährige in einer ganz anderen Sportart: beim Triathlon. Groß war die Spannung, als sie kürzlich unter spanischer Sonne antrat, um sich mit der europäischen Elite zu messen. Zunächst galt es, 3,86 Kilometer zu schwimmen im Meer, danach waren 180,2 Kilometer auf dem Rennrad und zum Abschluss „mal eben noch“ ein Marathon zu absolvieren. Das Ganze in so um die zehn Stunden. Jetzt darf man Daumen drücken für die Ironman-WM 2025 auf Hawaii, für die sie sich als Zweite des Barcelona-Events qualifizierte.

Für die Ironman-WM 2025 auf Hawaii qualifizierte sich die Sportlerin als Zweite bei den Barcelona-Events.
Für die Ironman-WM 2025 auf Hawaii qualifizierte sich die Sportlerin als Zweite bei den Barcelona-Events. © Kipphardt

Ein Blick zurück. 2004 entdeckte Anna-Maria Kipphardt die Liebe zum Rudern: „Da ist jemand ins THG gekommen und hat geworben für einen Schnupperkurs. Das Wochenende hat mir viel Spaß gemacht. Andere Möglichkeiten, regelmäßig an der frischen Luft zu trainieren, sah ich nicht. Also bin ich dabei geblieben.“ Bereits ein Jahr später holte sie im Doppelzweier Silber bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften. 2007 saß sie bei der Junioren-WM in Peking im Vierer ohne, der Silber erkämpfte: „Übrigens in einem rein Essener Boot.“

Neben Anna-Maria Kipphardt und Anja Broders (beide KRG) saßen da Navina Passmann und Ronja Schütte vom Essen-Werdener Ruderclub. Das erste Mal den Bundesadler auf der Brust zu tragen, sei schon was Besonderes gewesen: „Da war ich enorm stolz drauf und bin es heute noch.“

Nach zwei fiesen Bandscheibenvorfällen war abrupt Schluss

Es ging erfolgreich weiter: 2010 wurde sie mit dem Deutschlandachter Dritte der EM und in Neuseeland Siebte der WM. Ein Jahr später holte der Achter bei der U23 WM in Amsterdam den vierten Platz. Doch „dann kamen ein paar Verletzungen zu viel“ dazwischen.

Trotz mehrfacher Verletzungen kämpfte sich die Kettwigerin wieder nach ganz oben.
Trotz mehrfacher Verletzungen kämpfte sich die Kettwigerin wieder nach ganz oben. © Kipphardt

2012 war nach zwei fiesen Bandscheibenvorfällen abrupt Schluss: „Olympia blieb mir verwehrt.“ Sie bemühte sich mehrfach um einen Neustart, doch vergebens: „Das war echt hart. So von hundert auf null. Alles fühlte sich dumpf an.“

Die emotionale Amplitude fehlte ihr: „Die Anstrengung, der Fokus, die Freude über Erfolge. Da war nur noch ein Loch. Ich musste erst lernen, Sport ohne Ziel zu machen.“ Mit dem Element Wasser kam sie nur noch beim therapeutischen Schwimmen in Kontakt: „Das habe ich regelrecht gehasst.“ Parallel baute sie ihr läuferisches Pensum aus: Marathon, Ultramarathon. Bis zur nächsten schweren Verletzung: „Dann ist halt mein Sprunggelenk kaputtgegangen.“ Es folgten drei Jahre Odyssee auf der Suche nach der richtigen Diagnose, sie benötigte ein „neues“ Gelenk, dafür wurde aus Knorpelresten neuer, körpereigener Knorpel „gezüchtet“.

„„Die Anstrengung, der Fokus, die Freude über Erfolge. Da war nur noch ein Loch. Ich musste erst lernen, Sport ohne Ziel zu machen.“

Anna-Maria Kipphardt, Triathletin, über ihre Verletzungen
Rudern ging nicht, Laufen auch nicht: „Also bin ich aufs Rennrad gestiegen und viel durch die Gegend gefahren.“ Dabei ist sie geblieben.
Rudern ging nicht, Laufen auch nicht: „Also bin ich aufs Rennrad gestiegen und viel durch die Gegend gefahren.“ Dabei ist sie geblieben. © Kipphardt

Rudern ging nicht, Laufen auch nicht: „Also bin ich aufs Rennrad gestiegen und viel durch die Gegend gefahren. Das war während Corona.“ Als 2022 der Bruder aufbrach zum Triathlon im österreichischen Trum, kam sie spontan mit. Die sogenannte „Olympische Distanz“ beträgt „nur“ 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und zehn Kilometer Laufen. Anna-Maria Kipphardt wurde auf Anhieb Fünfte ihrer Altersklasse und dachte: „Jetzt wage ich mich an die lange Distanz.“ Ihre Augen blitzen: „Ohne eisernen Willen schafft man das nicht.“ Im Nebensatz erwähnt sie noch, dass sie zweimal bei den Weltmeisterschaften der Rad-Amateure antrat.

Die Vorfreude auf das nächste Jahr steigt täglich

Eine „normale“ Trainingswoche umfasse etwa 15 Stunden: „Wie man richtig trainiert, habe ich bei der KRG gelernt.“ Ihr Dank gelte da den Trainern Thomas Kiesewetter und Boris Orlowski. Aktuell sei ihr Pensum jedoch stark reduziert: „Ich renoviere gerade, daher ersetze ich meine Grundlageneinheiten aktuell oft durch Schlitze klopfen, Kabelziehen und Wände streichen.“

Anna-Maria Kipphardt möchte optimal vorbereitet sein auf die Ironman-WM: „Es ist noch viel zu organisieren und ich möchte noch den einen oder anderen Sponsor gewinnen.“ Die Vorfreude auf den 11. Oktober 2025 steige täglich: „Hawaii ist ein Mythos.“ Doch es gebe einen Wermutstropfen: „Die Wettbewerbe sind mittlerweile nach Geschlechtern getrennt.“ In diesem Jahr traten die Frauen in Nizza an, die Männer auf Hawaii. 2025 ist es umgekehrt: „Diese Trennung finde ich echt schade. Triathlon ist eigentlich ein gleichberechtigter Sport.“

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