Essen. 2025 erhalten 73 Millionen Versicherte elektronische Patientenakten. Eine Essener Digitalfirma zur Sorge um die Sicherheit von Gesundheitsdaten.
Sie soll Arztbriefe, Befunde und Laborwerte bündeln, Krankheiten und Behandlungen festhalten: Der Gesetzgeber bewirbt die elektronische Patientenakte (ePA) als Dokument, das Ärzten einen schnellen Überblick verschafft und Patienten Doppeluntersuchungen erspart. Skeptiker befürchten Datenlecks und unerlaubte Zugriffe auf sensible Gesundheitsdaten. Beim Essener Digitalunternehmen Bitmarck arbeitet man an der „höchstmöglichen Sicherheit“ der ePA, die ab Anfang 2025 für 73 Millionen Versicherte bereitsteht.
Noch ist die elektronische Patientenakte ein Ladenhüter
„Wir haben die elektronische Patientenakte für mehr als 80 Prozent aller gesetzlichen Krankenkassen entwickelt und damit eine gute Marktposition“, erklärt Bitmarck-Geschäftsführer Andreas Strausfeld (56). Die Branchenriesen wie AOK und Barmer gehören nicht dazu, dafür diverse Betriebskrankenkassen: Damit erreiche man gut ein Drittel der gesetzlich Versicherten. Zumindest theoretisch. Denn die 2021 eingeführte ePA wird bisher von kaum einem Prozent der Zielgruppe genutzt.
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„Die Nutzungsquoten sind wegen des Opt-In-Verfahrens äußerst gering“, räumt Strausfeld ein. Heißt: Bislang erhält nur derjenige die über eine App verwaltete Patientenakte, der sich bewusst dafür entscheidet. Das tun die wenigsten. So ist das Tool, für das Bitmarck Jahr für Jahr Entwicklungskosten in niedriger zweistelliger Millionenhöhe einsetzt, bisher ein Ladenhüter.
Millionenbeträge sind in die Entwicklung der digitalen Akte geflossen
Der Gesetzgeber mache exakte Vorgaben, welche Daten die Akte speichern kann, wie sie (auch im Fall eines Kassenwechsels) reibungslos funktionieren soll und welchen Sicherheitsanforderungen sie genügen muss. Bisher gebe es jährlich neue Funktionsvorgaben, Tests, Zertifizierungen, Zulassungen.
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Wegen der damit verbundenen Kosten müsse sich Bitmarck nicht sorgen, sagt Strausfeld: „Wir bekommen unser Geld von den Krankenversicherungen.“ Ihn verstimmt eher, dass es noch Ärzte gebe, die nicht die passenden Praxisverwaltungssysteme haben, um die elektronische Patientenakte zu befüllen. Mancher Mediziner sehe das Arztgeheimnis in Gefahr, fürchte, dass praktisch jeder Beschäftigte im Gesundheitssystem auf die Daten zugreifen könne.
Versicherte sollen ihre Gesundheitsdaten selbst verwalten
Strausfeld hält die Ängste für unbegründet. Ärzte und Kliniken speichern Diagnosen und andere Informationen in den digitalen Patientenakten, die Versicherten können sich die Akte per App ansehen und ihre Daten selbst verwalten: „Es gibt ein fein granuliertes Berechtigungskonzept: Der Patient kann über die App festlegen, wer welche Dokumente einsehen kann: der Hausarzt, alle seine Ärzte oder einmalig der Arzt, dem er gerade im Behandlungszimmer gegenüber sitzt.“ Gleiches solle künftig für andere Gesundheitsberufe, wie etwa Physiotherapeuten, gelten. Auch Notfall-Infos könne man hinterlegen.
Bleibt die Frage, ob das komplexe System nicht vor allem ältere Patienten überfordert. „Für solche Fälle gibt es Regelungen, mit denen man Angehörige oder gesetzliche Betreuer zu Vertretern bestimmen kann“, sagt Strausfeld.
2025 startet die „ePA für alle“ – bisher widersprechen nur wenige
Zu Jahresbeginn dürfte die Zahl der Nutzer ohnehin sprunghaft ansteigen. Denn ab 2025 gilt ein „Opt-out-Verfahren“: Ab Februar erhält jeder gesetzlich Versicherte automatisch die ePA – es sei denn, er widerspricht. „Das ist bereits möglich, aber bisher liegt die Widerspruchsrate bei höchstens zwei, drei Prozent.“
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Das könnte sich ändern, wenn der Starttermin der „ePA für alle“ näherrückt: So bezeichne sie mancher Kritiker trotz des möglichen Widerspruchs als „Zwangs-ePA“, sagt Strausfeld. Er hätte sich gewünscht, dass das Bundesgesundheitsministerium seine Aufklärungskampagne nicht erst in diesen Tagen gestartet hätte. Immerhin verschickten die Krankenkassen jetzt Informationsmaterial. „Wir alle müssen klarer den Nutzen der ePA vermitteln, etwa, dass Mehrfachuntersuchungen so besser vermieden werden. Es geht nicht um ein staatliches Datensammelorgan.“
Für den Neustart 2025 habe Bitmarck der Patientenakte eine „komplett neue Architektur“ gegeben, erklärt Strausfeld. Denn gesammelt werden soll schon: Die – anonymisierten – Daten werden nun an zentraler Stelle erfasst. An der enormen Datenbasis könne man ablesen, welche Behandlung wie wirke. „Nehmen wir eine bestimmte Krebsdiagnose, da sehen wir: Wer tut was, mit welchem Erfolg.“ Langfristig werde so die Gesundheitsversorgung verbessert.
Auch Bitmarck war mal Opfer einer Cyberattacke
Als Informatiker und Krankenkassen-Fachmann sei er von dem neuen Produkt am Gesundheitsmarkt überzeugt, habe auch ein Grundvertrauen in Datensicherheit, sagt Strausfeld. Trotzdem verstehe er die Sorge um persönlichste Informationen. „Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Auch wir waren schon mal Opfer einer Cyberattacke.“ Umso engagierter arbeite man an der größtmöglichen Datensicherheit. „Das gehört zu unserer DNA als IT-Dienstleister.“
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