Essen-Huttrop. Der Hospizdienst „Pallium“ kümmert sich seit 20 Jahren um todkranke Menschen. Zwei Gründungsmitglieder berichten von ihren Erfahrungen.
Seit 20 Jahren gibt es den Ambulanten Hospizdienst „Pallium“ der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte am Huyssenstift. Ehrenamtliche kümmern sich auf der Palliativstation des Krankenhauses oder auch zu Hause um Menschen, die „austherapiert“ sind und in absehbarer Zeit sterben werden.
Die Helferinnen und Helfer hören zu, gehen mit den Patienten spazieren, verschaffen pflegenden Angehörigen kleine Freiräume, halten Hände oder sind ganz einfach da für die schwer kranken Menschen. Manchmal werden die Patienten über Wochen oder Monate betreut, manchmal nur Tage. In jedem Fall ist es eine Begleitung auf Zeit. Für die Ehrenamtlichen keine leichte Aufgabe, denn ein Happy End gibt es nicht.
Essenerinnen engagieren sich beim Hospizdienst für todkranke Menschen
Dennoch gibt es Menschen, die diesen oft nicht einfachen Dienst aus voller Überzeugung und immer wieder übernehmen, dabei auch für sich selbst viel mitnehmen, die oft nur kurzen Begegnungen als bereichernd empfinden. So wie Heidi Schmitz und Edeltraud Droste, zwei Frauen der ersten Stunde bei „Pallium“.
Heidi Schmitz ist heute 81 Jahre alt und hat sich inzwischen aus dem Dienst zurückgezogen, den sie zehn Jahre lang geleistet hat. Sie stammt aus dem Bergischen, lebt aber seit über 40 Jahren in Essen. Nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin war sie 30 Jahre lang beim Diakoniewerk Kita-Leiterin in Frohnhausen. „Die Arbeit mit Kindern hat mir großen Spaß gemacht, aber mit 60 wollte ich nicht mehr mit den Kindern auf dem Spielteppich sitzen“, blickt sie zurück.
Mit 50 Jahren besuchte sie deshalb noch die Fachhochschule, erwarb ihr Diplom als Sozialarbeiterin und wollte eigentlich in die Erwachsenenbildung oder Drogenberatung gehen, auf jeden Fall weiter mit Menschen arbeiten, erzählt sie. Am Ende blieb sie in der Gemeinde, ging mit 60 in den Ruhestand und genoss die freie Zeit mit Mann, Hund, Garten und Büchern. „Aber etwas fehlte“, sagt Heidi Schmitz.
Auf der Suche nach einer sinnvollen Beschäftigung kam sie über die ehrenamtliche Arbeit für die Kinderkrebsstation im Klinikum zur Palliativgruppe, die sich damals an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte gründete. „Der Name Pallium, lateinisch für Mantel, trifft es eigentlich gut. Es geht ja um das Schützen, das Bedecken“, sagt sie.
Heidi Schmitz hat einen todkranken Vater begleitet, sich dabei aber auch um die kleine Tochter der türkischen Familie gekümmert, um ihr die langen Stunden im Krankenhaus ein wenig angenehmer zu gestalten. „Manchmal habe ich sie auch mit zu mir nach Hause genommen, wo sie mit dem Hund kuscheln konnte“, erinnert sich die langjährige Helferin.
Auch Menschen in der letzten Lebensphase genießen Spaziergänge und Gespräche
Mit einem Mann habe sie sich regelmäßig für einige Stunden zum Teetrinken getroffen, damit seine Frau mal etwas für sich unternehmen konnte. „Wir waren spazieren, und er hat mir viel aus seinem Leben erzählt und diese Stunden offenbar genossen.“ Es sei immer wieder erstaunlich, wie gefasst und ruhig viele Menschen seien, die wüssten, dass sie bald sterben werden. „Und sie können schöne Momente durchaus noch genießen.“
Zum Beispiel der Mann, der sich noch über eine Massage im Krankenhaus freute, dann seine Hörgeräte herausnahm, sich auf die Seite legte und friedlich verstarb. Anderen Patienten habe sie Kneipenlieder vorgesungen oder das Auto nach Hause gefahren, weil die pflegende Ehefrau beim Einkaufsbummel zusammengebrochen war.
Die Ehrenamtlichen werden in Essen intensiv geschult und begleitet
Die Ehrenamtlichen beim Hospizdienst werden eng begleitet, intensiv auf ihren ersten Einsatz vorbereitet und haben bei Gruppentreffen immer wieder die Möglichkeit, über das Erlebte zu sprechen. „Man muss sich auf vielfältige Situationen einlassen“, sagt die 81-Jährige. Sie hat bei Patienten am Krankenbett gesessen oder den Rollstuhl auf der Terrasse in die Sonne geschoben. „Viele sind allein und brauchen Unterstützung.“ Wie eng der Kontakt wird, wie viel Nähe und Vertrautheit entsteht, hängt vom Patienten und der Chemie zwischen den Beteiligten ab.
Nach jeder Begleitung habe sie eine Pause gebraucht, um das Erlebte zu verarbeiten, um wieder zu sich zu kommen und sich dann auf einen neuen Menschen einlassen zu können, sagt Heidi Schmitz. Wichtig sei: Man müsse das Ehrenamt vom eigenen Leben trennen. „Das ist natürlich auch ein Lernprozess.“ Nach ihrer aktiven Zeit beim Hospizdienst habe sie noch regelmäßig Waffeln auf der Palliativstation gebacken, bis heute ist sie dem Team sehr verbunden.
Dazu gehört auch ihre Freundin Edeltraud Droste, die ebenfalls seit der Gründung bei „Pallium“ mitgewirkt hat. Die heute 72-Jährige tritt inzwischen ebenfalls kürzer, steht aber noch für Notfälle zur Verfügung. Sie war als Verwaltungsangestellte in einem Seniorenheim tätig und für ein privates Hospizzentrum aktiv, das sich aufgelöst habe. „Meine beste Freundin ist vor 40 Jahren gestorben, mit ihr habe ich damals viel über Leben und Tod gesprochen“, beschreibt Edeltraud Droste ihre Motivation für das Ehrenamt.
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Viele Begegnungen bleiben ihr im Gedächtnis, wie die Frau, die auf der Palliativstation noch eine Party feiern wollte, um ihren Schmuck schon mal an die Verwandtschaft zu verschenken. „Das hat sie dann letztlich vom Bett aus gemacht und hatte sichtlich Spaß dabei, den anderen eine Freude zu bereiten.“
Manchmal sind die Begleitungen kurz, aber intensiv
Oder der junge Mann, der eine Zigarette rauchen wollte, dabei aber nicht allein im Zimmer sein sollte. Edeltraud Droste begleitete ihn. „Er hat gefragt, ob ich noch Zeit hätte und er eine zweite rauchen könne. Daraus wurde eine sehr intensive, wenn auch sehr kurze Begleitung“, erinnert sich die 72-Jährige. „Dieses Ehrenamt ist manchmal schwer. Ich habe es aber nie als Belastung gesehen, sondern als Bereicherung.“ Beim Abschalten helfen ihr Spaziergänge in der Natur und Gespräche mit den Kolleginnen. Ihr Mann habe ihr Engagement bei „Pallium“ immer mitgetragen, „anders wäre es nicht gegangen“.
Der Ambulante Hospizdienst ist vor 20 Jahren mit 16 Ehrenamtlichen gestartet, heute sind es 70, darunter zwölf Männer, wie Leiterin Jutta Doetsch berichtet. Alle zwei Jahre wird ein Vorbereitungskurs angeboten. Ein halbes Jahr lang treffen sich die Interessierten dann wöchentlich zur Schulung.
Alle zwei Jahre startet eine Schulung für neue Ehrenamtliche
Wer teilnehmen will, muss eine Art Bewerbungsgespräch absolvieren. Dabei werde geschaut, ob es passe, so Jutta Doetsch. Wer mitarbeiten wolle, müsse Einfühlungsvermögen mitbringen, wohlwollend und offen gegenüber fremden Menschen, aber auch selbst gefestigt sein, um den oft emotional schwierigen Gesprächen und Situationen gewachsen zu sein. „Schließlich geht um existenzielle Ausnahmesituationen.“
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