Essen. Kinder mit Corona-Infektion dürfen in die Kita gehen. Das gefährde jedoch Kinder mit Vorerkrankungen oder Einschränkungen, sagen Essener Eltern.

Die Pandemie ist vorbei, doch Covid-19-Infektionen sind noch nicht Geschichte – und für manche Menschen eine Gefahr. Eine Gruppe von Eltern aus Essen und anderen Ruhrgebietsstädten wünscht sich Schutzkonzepte für Kindertagesstätten und Schulen. „Aktuell ist es so, dass Kinder mit Corona-Infektion in die Kita gehen dürfen“, sagt Dirk Dregenus. Das gefährde andere Kinder, die vorerkrankt sind oder eine Behinderung haben.

Essener Eltern: Regelung geht zu Lasten vorerkrankter Kinder und Eltern

Tatsächlich ist Covid-19 laut Infektionsschutzgesetz weiter meldepflichtig, Betretungs- und Beschäftigungsverbote gibt es aber nicht mehr. Für Jungen und Mädchen, die einer vulnerablen Gruppe angehören, bedeute das ein hohes, in manchen Fällen lebensgefährliches Risiko, sagt Dregenus. Vor allem treffe es Kinder mit einer Beeinträchtigung. „Letztlich müssen sie sicherheitshalber zu Hause bleiben, weil das coronainfizierte Kind kommen darf. So wird die Inklusion ausgehebelt“, sagt der Vater. Logisch fände er, dass die Kinder mit Infektion zu Hause blieben.

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Dregenus hat seinem Unmut jetzt auf X (vormals Twitter) Luft gemacht und in dem sozialen Netzwerk auch eine Antwort der Stadt Essen bekommen. „Richtig ist, dass Kinder trotz Nachweis von SARS-CoV-2 in einer Kita oder Schule prinzipiell betreut werden dürfen.“ Nach geltender Rechtslage gebe es keine Unterscheidung mehr zwischen Covid-19 und einer „normalen Erkältung“. Geregelt sei das im deutschlandweit gültigen Infektionsschutzgesetz, für das der Bund zuständig sei. „Kranke Kinder sollten natürlich besser keine Gemeinschaftseinrichtung besuchen“, schreibt die Stadt. Aber: „Hierzu kann das Gesundheitsamt keine individuellen Vorgaben machen.“

„Es gibt da ein Verantwortungs-Bingo“, ärgert sich Dregenus. Der Bund verweise aufs Land, das Land auf die Kommunen und die Stadt sagt: „Gemeinschaftseinrichtungen sind dazu verpflichtet, selbstständig Konzepte zu erarbeiten, die eine Vermeidung von Infektionen ermöglichen.“ Das gelte auch für den Schutz gefährdeter Kinder. Denkbar sei laut Stadt etwa, „dass ein besonders vulnerables Kind räumlich von dem positiven Kind getrennt betreut wird“.

Mutter fordert bessere Lufthygiene in Essener Kitas und Schulen

Dregenus und seine Mitstreiterin Felicitas Bergmann finden den Vorschlag absurd: Angesichts der personellen und räumlichen Nöte in den Kitas werde es kaum möglich sein, Kinder getrennt zu betreuen. Viel wichtiger sei es, für eine „gesunde Luftqualität“ in den Kitas zu sorgen, erklärt die Mutter eines bald zweijährigen Sohnes. Diese Forderung hat sie in einer Eingabe an den Ausschuss für Anregungen und Beschwerden formuliert: „Ich möchte dringend anregen, dass die Stadt die Lufthygiene in Bildungseinrichtungen in den Fokus nimmt und Hygienekonzepte laufend in Richtung der heute verfügbaren technischen Möglichkeiten überarbeitet.“

Eltern fordern im Essener Rathaus besseren Schutz für Kinder, die vulnerablen Gruppen angehören und sich in Kitas und Schulen mit Covid-19 anstecken könnten.
Eltern fordern im Essener Rathaus besseren Schutz für Kinder, die vulnerablen Gruppen angehören und sich in Kitas und Schulen mit Covid-19 anstecken könnten.

Aus Sicht der vorerkrankten Mutter, der eine Corona-Infektion gefährlich werden könnte, tue die Stadt zu wenig für den Infektionsschutz. Dabei könnten Luftfilter die Konzentration an „potenziell mit Krankheitserregern belasteten Aerosolen in weniger als 30 Minuten um 90 Prozent senken“. Studien zeigten, dass so die Kinderkrankentage um 30 Prozent reduziert werden könnten; auch das Personal profitiere. Und: Für vulnerable Menschen heiße das weniger Risiko und „mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“.

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CO₂-Ampeln, wie sie in anderen Städten genutzt würden, könnten die Kontrolle der Luftqualität unterstützen, sagt die 40-Jährige. Stadtsprecherin Silke Lenz erklärt dazu, dass diese auch in Essen durchaus vorhanden sind: „Die insgesamt 4.311 CO₂-Ampeln wurden vollständig an 393 Schulstandorte ausgeliefert. Zuvor hat es eine Abfrage bei den Schulen gegeben, wer welche Bedarfe hat.“

In der Ausschusssitzung am 10. September habe die Stadt die weiteren Vorschläge der Eltern zurückgewiesen, sagt Felicitas Bergmann. Man halte sich an die Vorgaben des Umweltbundesamtes, nach denen die Luftfilter-Geräte nur in Räumen sinnvoll seien, in denen Querlüften nicht möglich sei. Während der Pandemie habe man mit Fördermitteln des Landes 40 Geräte für jene Klassenzimmer angeschafft, „die nicht ausreichend gelüftet werden können“.

„Die Stadt behauptet zwar, dass die Luftqualität den Standards entspricht, kann aber keine Messdaten dazu vorlegen.“

Felicitas Bergmann, Mutter eines bald zweijährigen Sohnes, wünscht sich bessere Schutzkonzepte für Essener Kitas

Auch sieht die Stadt die mobilen Geräte, die auf dem Boden stehen, als mögliche Gefahrenquelle in Kitas an und hält sie als „denkbar ungeeignet für einen Einsatz“. Hinzu komme eine „nicht unerhebliche Geräuschlast“. Eine Studie der Universität Stuttgart komme zu dem Ergebnis, dass „Stoßlüften einen großen Einfluss auf die Senkung der Infektionswahrscheinlichkeit hat“. Kurz: Man halte Lüften für geeigneter als Luftfilter.

Ob das den gewünschten Effekt hat, bezweifelt Felicitas Bergmann. „Die Stadt behauptet zwar, dass die Luftqualität den Standards entspricht, kann aber keine Messdaten dazu vorlegen.“ Die Stadt räumt ein: „Die Luftqualität in Kita-, OGS- oder Schulräumen wird nicht überprüft, während der Corona-Pandemie gab es Lüftungskonzepte, die auch heute noch Bestand haben.“

Bei Neubauten wird Lufthygiene bedacht

Seit Auslaufen der Coronaschutzverordnung im Februar 2023 gelten für Kita-Beschäftigte dieselben Regelungen wie für andere Arbeitnehmer, teilt die Stadt mit. „Wer eine Corona-Infektion und entsprechende Krankheitssymptome hat, meldet sich beim Arbeitgeber krank.“ In der Regel ab dem dritten Tag sei ein ärztliches Attest (Krankschreibung) erforderlich.

Was die Lufthygiene von Klassenräumen angeht, erklärt die Stadt: „Es ist nicht geplant, Schulen mit mobilen Luftfiltern auszustatten.“ Aber: „Bei Schulneubauten werden Be- und Abluftsysteme berücksichtigt.“ Raumlufttechnische Anlagen in Zukunft gleich mit einzuplanen, halten auch Felicitas Bergmann und ihre Mitstreiter für sinnvoll: Sie seien „das Nonplusultra“ bei der Lufthygiene.

Für Felicitas Bergmann heißt das, dass ihr Sohn in Zukunft zu Hause bleiben muss, wenn es einen Corona-Fall in der Kita gibt, eine Ansteckung könne sie nicht riskieren. Für Eltern, die vorerkrankt sind oder Kinder mit Behinderungen haben, sei der reduzierte Schutz schwierig, bestätigt der Obmann der Essener Kinder- und Jugendärzte, Tobias Gregor: „Ich kann ihre Sorgen und Ängste sehr gut verstehen. Sie haben sich vier Jahre lang mit allen Mitteln zu schützen versucht.“

Kinderarzt mahnt: Kranke Kinder sollten zu Hause bleiben

Aus seinem Erfahrungsfeld wisse er aber seit einem Jahr von „keinem einzigen schwerwiegenden Verlauf bei Kindern mit Beeinträchtigung“; nur von vielen milden Verläufen. Eine Garantie sei das nicht, „aber es gibt ja noch andere schwerwiegende Infektionen, wie zum Beispiel das Metapneumovirus oder auch RS-Viren“. Nicht jede Infektion lasse sich verhindern. „Insofern ist es also ein gewisses Maß an Restrisiko, sich im persönlichen Umfeld, zum Beispiel im Supermarkt, anzustecken.“

Sorglosigkeit zu Lasten Schwächerer rechtfertige das nicht, betont der Kinderarzt: „Kranke Kinder, die Symptome gleich welcher Art zeigen, gehören nicht in eine öffentliche Einrichtung.“ Auch wenn berufstätige Eltern das aus persönlichen Zwängen heraus oft anders handhabten. „Ich halte es für sinnvoll, an Corona erkrankte Kinder erst mit einem negativen Schnelltest wieder in die Einrichtung zu geben, mindestens aber zwei Tage symptomfrei.“

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