Essen. Kölner Studie bestätigt Erfahrungen in Essen: Einzelne Kinder werden zwar zu Hause infiziert, Kitas sind dann aber für das Virus eine Sackgasse.

Sind die Kitas nun an der Verbreitung des Coronavirus beteiligt oder sind sie es nicht? Die Frage entwickelt sich in privaten Diskussionen und auch in Medien zu einer Art Glaubenskrieg, bei der allerdings diejenigen, die für Besonnenheit und gegen Schließungen plädieren, wissenschaftliche Erkenntnisse an ihrer Seite haben. Das betont jedenfalls Essens Gesundheitsdezernent Peter Renzel, der von Beginn an in den Kitas keinen Infektionstreiber sah und sich dabei auch auf Prof. Ulf Dittmer, Direktor der Klinik für Virologie am Essener Universitätsklinikum beruft.

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Rund 20.000 Kita-Kinder gibt es in Essen nur vereinzelt sind Infektionen festzustellen. Für die letzte vollständige Kalenderwoche vom 6. April bis 12. April hat die Stadt 13 Kinder im Alter zwischen null und zwei Jahren sowie sieben Kinder zwischen drei und fünf Jahren als positiv registriert. Statistisch ist diese Rate auch deshalb unauffällig, weil es laut Renzel keine Infektions-Cluster und auch keine Ketten gab, sondern es sich um auf mehrere Standorte verteilte Einzelfälle gehandelt habe. Schwere Verläufe gebe es bei Kindern außerdem so gut wie nie, und auch die britische Mutante ändere an dem Befund nichts.

Kita-Kinder werden wenn, dann zu Hause infiziert, nicht in der Kita

Das aber könne nur eines bedeuten: „Obwohl die Kinder ohne Maske und Abstand spielen, stecken sie sich untereinander nicht an“, sagt Renzel. Dies wiederum führe logischerweise zu einer anderen These: Kita-Kinder bringen nicht etwa das Virus in ihr Zuhause, sondern werden ganz im Gegenteil zu Hause angesteckt, jedoch ohne das Virus dann weiterzugeben. Kitas stellten folglich eine Art Sackgasse für das Virus dar. Somit sei auch die Sorge unbegründet, Erwachsene würden vom eigenen Nachwuchs infiziert, was wiederum aus Sicht Renzels der einzige Grund wäre, Kita-Schließungen zu erwägen.

Nun ließe sich einwenden, dass man womöglich nur nicht systematisch genug teste, um symptomlose Infektionen zu erkennen, die ohnehin bei Kindern die Regel sind. Dem steht laut Renzel aber eine großangelegte Studie der Uniklinik Köln entgegen: Bei 5000 Testungen an Kölner Kita-Kindern mit einem so genannten „Lolli-Test“ fanden sich nur sechs Infizierte. Die Fälle seien auf fünf Kitas verteilt gewesen, Infektionsketten waren nicht festzustellen. „Das deckt sich mit unseren Erfahrungen und auch beispielsweise mit denen in Düsseldorf“, betont Renzel. „Deshalb bleibt es dabei, aus unserer Sicht sind keine ,Spreader’ in Kitas und Grundschulen erkennbar.“

Aus Gründen der Vorsicht hat die Stadt einzelne Kita-Gruppen dennoch geschlossen

Prof. Ulf Dittmer, der die Stadt Essen in solchen Fragen berät, stützt diese Haltung, verweist aber darauf, dass es in Essen keine wissenschaftliche Untersuchung dazu gebe. Die Studie des Kölner Virologen-Kollegen Florian Klein „scheint aber ein Grundmuster zu bestätigen, was schon bisher im Kita-Bereich beobachtet worden war.“ Allerdings: „Eine hundertprozentige Sicherheit ist bei dieser Pandemie nicht zu haben.“ Es sei nicht völlig auszuschließen, dass in sehr seltenen Fällen auch einmal eine Infizierung eines Erwachsenen aus einer Kita heraus passiert. Sicherheitshalber hat auch die Stadt deshalb schon mehrfach Kita-Gruppen geschlossen, wenn ein Kind infiziert war. Oft war allerdings auch die Erkrankung von Erziehern der Grund.

Für Peter Renzel gilt das größere Augenmerk den gerade für Kinder besonders dramatischen psychischen und sozialen Folgen des Lockdown, die auch Kinderärzte alarmiere. Anders als die eher theoretische Diskussion um Ansteckungsgefahren seien diese Folgen eine Tatsache.