Essen-Stadtwald. Konstanze Ziemke aus Essen verkauft und verschenkt bei der Kunstspur Möbel, Bücher, Schallplatten und eigene Werke. Was hinter der Aktion steckt.
Mit einer besonderen Aktion beteiligt sich die Künstlerin Konstanze Ziemke aus Essen-Stadtwald an der stadtweiten Kunstspur. Am Samstag und Sonntag, 21. und 22. September, jeweils 14 bis 19 Uhr, lädt sie unter dem Motto „Alles muss raus“ in ihr Haus in der Eyhof-Siedlung, Waldblick 13, ein. Dort zeigt sie nicht nur ihre Werke, sondern startet einen großen Ausverkauf.
Besucher können ihre teils großformatigen Werke erwerben, aber auch Möbel, Einrichtungsgegenstände, technische Geräte, Schallplatten, Bücher und vieles mehr. Etliche Dinge gibt Konstanze Ziemke sogar kostenlos ab – gegen eine Spende für soziale Zwecke. „Aber nur an Menschen, die die Sachen wertschätzen“, schränkt sie ein.
Die Essener Künstlerin will unbelastet in ihr neues Leben starten
Der Hintergrund der Aktion: Konstanze Ziemke hat ihr Haus verkauft. Dort lebte sie 32 Jahre, früher mit ihren drei Kindern, zuletzt allein. Mit 63 Jahren will sie sich kleiner setzen. Im November zieht sie aus und in eine kleinere Wohnung nach Rüttenscheid. Dort habe sie nur noch halb soviel Platz wie bisher. „Das heißt, dass ich mich von vielen Werken und Dingen trennen muss.“
Das betreffe nicht nur fertige Werke. Auch der Keller, in dem sie viel Material für weitere Objekte gesammelt hat, muss leer werden. Natürlich hänge ihr Herz an vielen Dingen, sagt sie. Sie habe alles in den letzten Wochen einmal in die Hand genommen, bei jedem Stück die Entscheidung „bleiben oder gehen“ getroffen, schildert sie den Ablösungsprozess.
Jetzt will Ziemke loslassen, auch Dinge, die sie noch von der Großmutter oder den Eltern übernommen hat, die inzwischen verstorben sind. Sie freue sich auf den radikalen Schnitt in ihrem Leben, bleibe aber der Kunst und ihrer langjährigen Heimat Stadtwald verbunden, wo sie ihr halbes Leben verbracht habe.
Verkauft werden auch großformatige Arbeiten, die derzeit im Haus in Stadtwald hängen
Für einige der Werke sollte man schon Platz haben, denn die Künstlerin arbeitet oft großformatig. Die teils sperrigen Materialien wie Kunststoff oder Edelstahl, oft Abfallprodukte der Industrie, unterzieht sie einem künstlerischen Upcycling-Prozess. Zahlreiche Ausstellungen hat Ziemke schon bestückt, ein Projekt fiel wegen Corona aus. „Dennoch habe ich die Coronazeit hier sehr genossen, hatte viel Zeit und war sehr produktiv“, blickt die 63-Jährige zurück, die eigentlich Architektin ist, aber seit Jahren bei der Deutschen Gesellschaft für Badewesen im redaktionellen Bereich arbeitet.
Ziemke verwendet für ihre Kunst auch Materialien, mit denen andere möglichst wenig zu tun haben wollen, etwa OP-Zubehör wie Spritzen und Tücher. Auch den alten Krawatten ihres Vaters hat sie in farbenfrohen Objekten ein neues Leben gegeben. „Seitdem kommen immer wieder Menschen zu mir, die mir Krawatten ihrer verstorbenen Angehörigen bringen, die sie schlecht wegwerfen, aber eigentlich auch nicht mehr verwenden können.“ Nicht selten höre sie dabei sehr persönliche Geschichten, helfe den Menschen auch, loszulassen. Das Abgeben zur künstlerischen Weiterverarbeitung habe so quasi therapeutische Wirkung.
Während des Kunstspur-Wochenendes können Interessierte Werke kaufen, vieles andere sogar kostenlos mitnehmen. Einen Teil des Materials hat die Künstlerin auf der Straße gefunden, auf Baustellen und bei Firmen eingesammelt, bei denen es weggeworfen werden sollte. „Nachhaltigkeit ist mir ein großes Anliegen“, sagt sie und hofft, dass sich die Besucher vielleicht auch Anregungen holen, um später selbst kreativ zu werden.
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Im Flur wird ein großes Sparschwein für Spenden stehen. Das Geld soll Projekten des Inner Wheel Club Essen-Mitte zugutekommen, in dem die Künstlerin seit langem aktiv ist. „Der Verein kümmert sich zum Beispiel um dialysepflichtige Kinder, um logopädische Förderung in Kindergärten, um Seniorenheime und Stipendien für Studenten“, zählt sie auf.
Viele Gegenstände der Essener Künstlerin sollen gegen Spenden den Besitzer wechseln
Eines der auffälligsten Kunstwerke ist ein zwei mal zwei Meter großer Wandteppich, geflochten aus türkisfarbenen Kunststoffbändern, die normalerweise Betonsteine im Straßenbau zusammenhalten. Auch Möbel wie ihre Le-Corbusier-Ledersitzgruppe, der selbst aus alten Spieleschachteln gefertigte Couchtisch, Vintage-Objekte wie die noch funktionierende Musiktruhe der Großmutter oder alte Seereise-Koffer der Eltern könnten am Wochenende den Besitzer wechseln.
Rund 100 Objekte möchte Konstanze Ziemke abgeben, darunter Objekte aus Festplatten, Staubsaugerfiltern, Geschirrtüchern und Fahrradschläuchen. Im Wohnzimmer hat die Künstlerin eine Medienecke aufgebaut, mit Dias, alten Büchern und Schallplatten, den dazugehörigen technischen Geräten, die das Herz von Nostalgikern sicherlich höher schlagen lassen. „Wer Spaß an schönen, alten Dingen hat, ist hier auf jeden Fall richtig.“ Die Preise für diese Gegenstände sollen zwischen 50 Euro und niedrigen vierstelligen Beträgen liegen.
„Auch einen Teil meiner selbst entworfenen, pädagogisch wertvollen Spiele gebe ich ab“, sagt die 63-Jährige, die demnächst zwei Enkelkinder bekommt und einige der Spiele für diese aufhebt. Erstmal freut sich Konstanze Ziemke aber auf den großen Ausverkauf. „Ich will Themen abschließen, will offen sein für Neues. Dazu muss ich Freiraum schaffen – im Keller und im Kopf.“
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